Dringliche Anfrage der Sozialdemokraten in der Länderkammer
Wien (pk) - Die zweite Dringliche Anfrage in der Sitzung des Bundesrats betraf die "Schließungswelle
von Postämtern". Bundesrat SCHIMBÖCK (S) warnte in seiner Begründung der Anfrage vor
der Schließung von Postämtern und wies auf die Gefahr einer Zerschlagung der Gemeindestrukturen im ländlichen
Raum und einer Einschränkung der Daseinsversorgung hin. Er zeigte sich vor allem skeptisch, dass die Postdienstleistungen
von Nahversorgern übernommen werden können und hielt es im Übrigen für unzumutbar, sich einen
eingeschriebenen Brief beim Greißler abholen zu müssen. In einem Entschließungsantrag forderte
Schimböck eine Neufassung der Postuniversaldienstverordnung, die einem Kahlschlag vorbeugt und die Versorgung
mit Postdienstleistungen auch im ländlichen Raum sicherstellt.
Staatssekretär Mag. KUKACKA wies auf die Vorgaben des Postgesetzes hin und stellte klar, Postämter
dürften nur dann geschlossen werden, wenn die kostendeckende Führung auf Grund mangelnder Kundennachfrage
dauerhaft ausgeschlossen ist und die Erbringung des Universaldienstes auf andere Art trotzdem gewährleistet
bleibt. In diesem Sinne seien vor einer allfälligen Schließung immer Alternativlösungen zu prüfen.
Genau dies geschehe jetzt, die Bestimmungen des Postgesetzes werden eingehalten, betonte Kukacka.
Die Regierung werde darauf achten, dass es zu keinen Schließungen zulasten des Universaldienstes im ländlichen
Raum kommt, versicherte er. Derzeit liegen keine offiziellen Informationen über konkrete Schließungen
vor, teilte Kukacka mit. Eine Novelle der Universaldienstverordnung sei darüber hinaus nur für den Fall
geplant, dass auf Grund der Ergebnisse einer diesbezüglichen Arbeitsgruppe die flächendeckende Versorgung
mit Postdienstleistungen nicht gewährleistet werden könne.
Bundesrat Dr. GUMPLMAIER (S) bezeichnete die Vorgänge um die Post als "Kasperltheater" und
warf der Regierung vor, die Menschen für dumm zu halten. Durch ihre Privatisierungsabsichten zwinge die Koalition
die Post AG, nicht rentable Postämter zu schließen, die Versorgung des ländlichen Raumes bleibe
dabei auf der Strecke. ÖVP und FPÖ würden sich dabei, wie Gumplmaier kritisierte, in ihrer Rechtfertigung
auf ein Gesetz berufen, für das sie selbst verantwortlich seien. Im Übrigen beklagte der Redner, die
Universaldienstverordnung sei in Bezug auf den Schutz des ländlichen Raumes die schwächste in ganz Europa.
Bundesrat TIEFNIG (V) stellte fest, die SPÖ habe offenbar noch nicht bemerkt, dass die Post in den
letzten Jahren ein Unternehmen geworden ist, auf das die Politik keinen Einfluss nehmen kann. Nach den Worten des
Redners ist die Post AG nun aufgerufen, markt- und dienstleistungsorientiert zu handeln. Er bedauerte, das Unternehmen
habe die Zeichen der Zeit viel zu spät erkannt, und meinte, dafür sei auch die SP-Politik der vergangenen
Jahre verantwortlich.
Bundesrätin Dr. LICHTENECKER (G) zeigte sich über die aktuelle Entwicklung besorgt. Die Postdienste
hätten eine wichtige gesellschaftliche Funktion, zudem gingen mit der Schließung dieser Filialen Arbeitsplätze
und infrastrukturelle Einrichtungen verloren, beklagte die Rednerin und brachte im Interesse einer Sicherstellung
einer flächendeckenden Versorgung von Postdienstleistungen einen entsprechenden S-G-Entschließungsantrag
ein, dessen Stoßrichtung auf eine Stärkung des ländlichen Raumes und der schwächeren Gemeinden
abzielt.
Bundesrat KAMPL (F) wies auf die gewachsene Struktur in den Gemeinden hin, zu der auch die Postdienste zählten.
Mittlerweile sei man mit einer grundlegenden Umstrukturierung konfrontiert, deren Wurzeln bereits in Zeiten der
SP-Alleinregierung lägen. Als Bürgermeister sei er stets für die gewachsenen Strukturen eingetreten,
doch sei die Frage zu wichtig, um aus ihr politisches Kleingeld schlagen zu wollen. In Kärnten setze man sich
dafür ein, dass in jeder Gemeinde zumindest ein Postamt erhalten bleiben könne und keine weiteren Schließungen
in Kärnten vorgenommen werden. Dies habe man auch in einer entsprechenden Entschließung seiner Heimatgemeinde
beschlossen. In diese Richtung wolle man weiterarbeiten, betonte der Redner, und dies sei besser als reine Polemik.
Bundesrat BINNA (S) dankte seinem Vorredner für seine Ausführungen, denn offensichtlich seien
die Anliegen dieselben. Die Redner wies auf die Verschränkung zwischen politischen Maßnahmen und den
Plänen der Post hin und meinte, die Politik müsse sich ihrer Verantwortung stellen. Die Pläne der
Post seien abzulehnen, hätten sie doch eindeutig nachteilige Folgen für den ländlichen Raum und
die dort wohnende und arbeitende Bevölkerung. Sie müssten daher widerrufen werden. Zudem dankte er den
Landzustellern für ihren unermüdlichen Einsatz.
Bundesrat BADER (V) sah die Verantwortung für die momentane Lage bei der Post, die sich hinsichtlich
ihrer Pläne in Schweigen hülle. Diese Vorgangsweise sei nicht in Ordnung. Weder dürfe es eine Entscheidung
über die Köpfe der Bevölkerung hinweg geben, noch dürfe die flächendeckende Versorgung
der Bevölkerung mit Postdienstleistungen gefährdet werden. Die entsprechenden Verordnungen sollten seitens
der Post respektiert werden, die einen Dialog mit den Betroffenen führen müsse, schloss Bader. Zudem
habe die Post bei der letzten Schließungswelle entsprechende Versprechen abgegeben, und diese seien auch
einzuhalten. Der Redner befasste sich in seiner Rede weiters mit der generellen Entwicklung des ländlichen
Raums unter Bezugnahme auf den aktuellen Finanzausgleich.
Bundesrätin KERSCHBAUM (G) bezweifelte, dass die in Rede stehende Verordnung angesichts der Pläne
der Post ihren Sinn erfülle, sodass sie dringend überarbeitungsbedürftig sei. Es dürfe nicht
übersehen werden, dass die Post indirekt immer noch im Eigentum des Bundes sei, und daher wäre es die
Aufgabe der Politik, jene Grundlagen zu schaffen, die der Post eine solche Schließungswelle verunmögliche.
Es müsse eine regionale Versorgung geben, insbesondere angesichts der sozialen Zusammensetzung der Landbevölkerung.
Es gelte, den bisherigen Kreislauf der Landflucht einerseits und der Auflösung der Infrastruktur andererseits
zu durchbrechen, betonte Kerschbaum. Hier müsse die Politik ihre Verantwortung wahrnehmen. |
Bundesrat WEILHARTER (F) ging auf die Entwicklung des ländlichen Raumes ein, wobei er an dieser Stelle
der Opposition vorwarf, erst jetzt, wo sie nicht mehr die Regierung stelle, ihr Herz für den ländlichen
Raum entdeckt zu haben. Dabei mache sie allerdings den untauglichen Versuch, die Misere rund um die Post in einer
Generalschuldzuweisung der Regierung anzulasten. Die Opposition solle sich vielmehr an ihre eigenen Fehler auf
diesem Gebiet erinnern, mahnte der Redner. Schließlich brachte der Redner einen F-V-Entschließungsantrag
betreffend flächendeckende Versorgung mit Postdienstleistungen ein.
Bundesrätin AUER (S) wies auf die geplanten Schließungen von insgesamt 20 Postämtern im
Burgenland hin und brachte diese Pläne mit der vom Finanzminister geforderten Sonderdividende in Zusammenhang.
Die Folgen dieser Schließungen wären für die Bevölkerung im Burgenland sehr schwerwiegend,
die Pläne seien mithin unzumutbar, unterstrich die Rednerin.
Ein Postamt dürfe nur dann geschlossen werden, wenn die kostendeckende Führung aufgrund mangelnder Kundennachfrage
dauerhaft ausgeschlossen und die Erbringung des Universaldienstes durch eine Postgeschäftsstelle oder durch
Landzusteller (mobiles Postamt) gewährleistet ist, erinnerte Bundesrätin ZWAZL (V). Sie selbst
habe vor zwei Jahren in Niederösterreich mit den Postpartnern verhandelt, erklärte Zwazl, und dabei wurde
darauf geachtet, dass eine Mindestvergütung garantiert werden kann. Sie würde sich aber wünschen,
dass diese Mindestvergütung noch angehoben wird. Bis dato haben sich 3.000 Unternehmer bei den Wirtschaftskammern
gemeldet, um sich für eine Postpartnerschaft zu bewerben. Was die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall betrifft,
so sei es ein großer Erfolg, dass die Firmen nun ab dem 11. Tag eine 50 %ige Rückvergütung bekommen.
Bundesrätin BLATNIK (S) befürchtet, dass mit dem Schließen von Postämtern auch Arbeitsplätze
verloren gehen. Am 19. 10. hat es im Kärntner Landtag eine aktuelle Stunde gegeben, wo praktisch beschlossen
wurde, dass alles unternommen werde, um das Zusperren von Postämtern zu verhindern, erinnerte sie.
Bundesrat MOLZBICHLER (S) machte darauf aufmerksam, dass in Kärnten vor zwei Jahren 54 Postämter
geschlossen wurden. Jetzt stehe man wieder vor demselben Problem, da 30 bis 40 Postämter neuerlich vom Zusperren
bedroht sind. Aus Sorge um die ländliche Bevölkerung sollten daher alle Bundesräte den Antrag seiner
Fraktion unterstützen.
Wenn nun die Rede davon sei, dass 400 Postämter geschlossen werden sollen, dann werden wohl kaum alle von
Postgeschäftspartnern übernommen, mutmaßte Bundesrätin KERSCHBAUM (G). Die andere Alternative
stellen die Landzusteller dar, was aber für die Bevölkerung wahrscheinlich nicht mehr so bequem sein
wird.
Er komme aus einem Bezirk, der stark betroffen ist, erklärte Bundesrat WINTER (S). In der letzten Zeit
wurden nämlich bereits zwölf Postämter zugesperrt und nach der nächsten Schließungswelle
sollen nur mehr sechs übrig bleiben. Er gratulierte noch dem Kollegen Kampl für den Antrag, der in seiner
Gemeinde eingebracht wurde. Sollte dieser nämlich umgesetzt werden, dann würden allein in seinem Bezirk
zehn Postämter wieder geöffnet werden, meinte Winter.
Es sei allen bewusst, dass die "Sperre von Postversorgungsmöglichkeiten" für eine Gemeinde
einen schweren Schlag darstellt, konstatierte Bundesrat KONECNY (S). Er verstehe auch die Argumente der
Wirtschaftsvertreter, die niemanden in eine Postpartnerschaft hineinhetzen wollen, wenn dies ökonomisch nicht
vertretbar ist. Es sei zweifellos richtig, dass in manchen Postämtern betriebswirtschaftlich gesehen ein Defizit
erwirtschaftet wird. Man dürfe aber nicht vergessen, dass es gerade im ländlichen Raum eine gar nicht
so kleine Gruppe von Menschen gibt, die z.B. über kein eigenes Fahrzeug verfügt und Probleme hat, außerhalb
des Ortskerns liegende Angebote wahrzunehmen. Wenn man die Forderung, dass alle Österreicher annähernd
gleiche Lebenschancen haben sollen, ernst nimmt, dann müsse aus solidarischen Gründen eine gute Versorgung
des ländlichen Raums gewährleistet werden.
Staatssekretär Mag. KUKACKA: "Lassen wir die Kirche im Dorf" und versuchen wir nicht, den
wirtschaftlichen Sachverstand völlig auszuschalten. Anscheinend hätten viele nicht bemerkt, dass sich
die Struktur der Postdienstleistungen in den letzten zehn Jahren dramatisch geändert hat. So würden heutzutage
etwa zwischen 70 % und 80 % des Geschäftsverkehrs schon über Email abgewickelt, gab er zu bedenken. Außerdem
wurde der Markt im Bereich der Paketauslieferung liberalisiert und große internationale Konzerne stehen damit
im Wettbewerb zur Post. Damit hinke Österreich einer Entwicklung nach, die in vielen europäischen Ländern
schon längst Realität sei. Deshalb müsse auch alles getan werden, damit die Post kein "Konsum-Schicksal"
erleidet, unterstrich Kukacka. Es müsse daher versucht werden, einerseits die ländliche Grundversorgung
sicherzustellen und andererseits den wirtschaftlichen Notwendigkeiten der Liberalisierung zu entsprechen. Die SPÖ,
die früher Befürworter der EU und damit des liberalisierten und freien Marktes war, könne sich daher
heute nicht "abputzen", meinte der Staatssekretär. Dies sei doppelbödig, und das werde von
der Bevölkerung auch erkannt.
Bundesrat BINNA (S) erinnerte daran, dass im Juli 2003 das neue Postgesetz beschlossen wurde. Dabei wurde
der Post das Monopol, 100-Gramm-Briefe zuzustellen, weggenommen und den privatwirtschaftlichen Betreibern "zugeschanzt".
Kritisch beurteilte er auch die Regelung, wonach die Hausbrieffachanlagen so installiert werden sollen, dass sie
von der öffentlichen Verkehrsfläche erreichbar sein müssen. Damit könne aber nun jeder Private
seine Post dort "hinein schmeißen", gab er zu bedenken.
Der S-G-Entschließungsantrag betreffend Sicherstellung der flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung
und der österreichischen Unternehmen mit Postdienstleistungen fand keine Mehrheit. Der V-F-Entschließungsantrag
betreffend die flächendeckende Versorgung mit Postdienstleistungen wurde einstimmig angenommen. |