Expertenkreis erarbeitet Schwerpunktthemen und erstellt Expertise für eine generelle wirtschaftspolitische
Strategie auf nationaler und internationaler Ebene
Wien (bmwa) - Wirtschafts- und Arbeitsminister Dr. Martin Bartenstein hat am Dienstag (23. 11.)
einen Kreis von hochrangigen wirtschaftspolitischen Experten zu sich gebeten, um über Schwerpunktthemen des
Ministeriums für die Österreichische EU-Präsidentschaft 2006 zu beraten und eine generelle wirtschaftspolitische
Strategie auf nationaler und internationaler Ebene zu erarbeiten. Der Einladung sind unter anderen Director Jan
Horst Schmidt (Europäische Kommission - DG ECFIN), Director Gert-Jan Koopman (Europäische Kommission
- DG Enterprise), Dr. Giuseppe Nicoletti (OECD Paris, Economics Department) und Prof. Dr. Wilhelm Kohler (Eberhard-Karlsuniversität
Tübingen) und aus Wien Prof. Dr. Helmut Kramer (WIFO), Univ.Prof. Dr. Bernhard Felderer (IHS), Univ.Prof.
Mag. Dr. Fritz Breuss (WU Wien) und Univ.Prof. Dr. Christoph Weiss sowie Mag. Wolfgang Polt (Joanneum Research)
gefolgt. Themenschwerpunkte waren Produktivität, Europäischer Binnenmarkt inklusive Dienstleistungen,
Europäischer Forschungsraum, Clusterbildung und Regionalpolitik zusammen mit einer Strukturfondsreform. In
nicht reglementierter Folge sind weitere Gesprächsrunden geplant.
Überlegt wurden Studien zur Vertiefung einzelner Schwerpunkte für die Wettbewerbsfähigkeits-Räte
unter Österreichischer Präsidentschaft sowie die Erstellung eines wirtschaftspolitischen Positionspapiers
des BMWA. Eine Broschüre mit den wesentlichen Stellungnahmen und Studienergebnissen soll als generelle Vorbereitung
für die Räte Wettbewerbsfähigkeit sowie Beschäftigung und Soziales dienen. Parallel dazu wird
die Expertenrunde eine generelle Beurteilung des "Lissabon-Prozesses" aus volkswirtschaftlicher und wirtschaftspolitischer
Sicht erarbeiten und den Minister bei der Auswahl von Schwerpunkten und Strategien für ein mögliches
Nationales Aktionsprogramm in Österreich beraten. Für die generelle wirtschaftspolitische Strategie werden
die größten Herausforderungen der nächsten Jahre und die dazu gehörenden Prioritäten
erörtert.
Produktivität
Produktivitätssteigerungen werden als die wichtigste Quelle wirtschaftlichen Wachstums gesehen, wofür
vor allem Wissen und innovative Technologien eingesetzt werden müssen. Davon ausgehend seien die Ursachen
für die Unterschiede zwischen Europa einerseits und den USA sowie dem asiatischen Raum andererseits zu untersuchen,
war man sich in der Sitzung einig. Dabei gehe es auch um das Verhältnis zwischen den angestrebten Produktivitätssteigerungen
und Anpassungserfordernissen an den EU-Arbeitsmärkten und um Zusammenhänge zwischen Ökoeffizienz
(gekennzeichnet durch Ressourcen-, und Prozesseffizienz, Kostenersparnis und Steigerung der Umweltverträglichkeit)
und der Wettbewerbsfähigkeit.
Europäischer Binnenmarkt - Dienstleistungen
Ausgehend vom "Wim Kok-Expertenbericht", der wegen einer Vielzahl rechtlicher und administrativer
Hemmnisse bei Dienstleistungen eine starke Fragmentierung Europas in einzelne nationale Märkte - verbunden
mit zu hohen Preisen, zu niedrigem Produktivitätswachstum und einem in den letzten zehn Jahren sogar zurückgegangenen
Niveau eines Intra-EU-Handels mit Dienstleistungen - nachweist, beschäftigt sich die Expertenrunde mit Potenzialen
der Produktivitätsentwicklung und alternativen Regulierungsdesigns zu Produktivitätsverbesserungen im
Dienstleistungssektor sowie Maßnahmen zur Forcierung von Dienstleistungsexporten. Im Hinblick auf die Erreichung
der "Lissabon-Ziele" sei die Vollendung des Binnenmarktes für Dienstleistungen unabdingbar, da 70%
des BIP und der Arbeitsplätze auf diesen Sektor entfallen.
Europäischer Forschungsraum
Auf europäischer Ebene muss sich die Politik in den Bereichen Forschung, Technologie und Innovation (FTI)die
mit der Arbeitsteilung zwischen nationaler und EU-Ebene befassen. Aufgabe Österreichs wird es sein, vor dem
Hintergrund einer vorwiegend klein- und mittelbetrieblich strukturierten Wirtschaft mit einem unterdurchschnittlichen
Anteil an wissensintensiven Sektoren - wie sie neben Österreich auch viele andere Mitgliedstaaten aufweisen
- derzeitigen und geplanten Ansätze und Instrumente der europäischen FTI-Politik voranzutreiben und strukturelle
Verbesserungen zu erreichen. Im einzelnen suchen die Experten nach den Auswirkungen der Produktion von öffentlichen
Gütern auf europäischer Ebene (Rüstung/Verteidigung, Verkehr/Umwelt), den Einflüssen einer
gezielten innovationsgesteuerten öffentliche Vergabe auf das Wachstum und den Konsequenzen der EU-FTI-Politik
(Rahmenprogramme, Strukturfondsmittel, Innovationspolitik etc) für Österreich. Weiters werden die Möglichkeiten
und die Bedeutung nachfrageinduzierter Innovation (z.B. im Rahmen von 'Lead-Market' Konzepten, Rolle von Public
Procurement etc.) insbesondere im Bereich der Biotech- und IKT-Industrien erörtert.
Cluster
Cluster werden als geeignete Instrumente zur Förderung der Interaktion zwischen den Beteiligten aus
Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft an Innovationsprozessen und Technologieimplementierungen gesehen, wobei
nach wie vor die klassische Forschungsförderung (Stärkung der Unternehmensforschung, Grundlagenforschung)
ein Schwerpunkt der Förderungsziele der Innovation ist. Daher werden sowohl auf EU- als auch auf nationaler
Ebene konkrete Wirtschaftscluster/Sektoren mit hohem Wachstums- und Beschäftigungspotential gesucht und die
Einflüsse rechtlicher Rahmenbedingungen (kartell-, beihilfen-, und gewerberechtlich) auf den Erfolg einzelner
Cluster angesprochen.
Strukturfondsreform und Regionalpolitik
Da die derzeit auf europäischer Ebene laufende Diskussion über neue Strukturfonds und Regionalbeihilfeleitlinien
voraussichtlich erst unter österreichische Präsidentschaft abgeschlossen wird, sind unter anderem die
Auswirkungen der Förderungen während der letzten Strukturfondsperiode auf das wirtschaftliche Gefüge
bzw. die regionale Einkommensverteilung in Österreich zu untersuchen. Vor allem sind aber die Konsequenzen
aufzuzeigen, die sich aus der Neuverteilung der Mittel nach der EU-Erweiterung ergeben: Einerseits könnte
es durch ein zu hohes Gefälle der Förderungsintensität zwischen den neuen Mitgliedstaaten und den
ex-EU 15 (insbesondere Deutschland und Österreich) zu Standortverlagerungen kommen, andererseits werden in
den strukturschwachen Gebieten der neuen EU-Mitglieder durch die Strukturfondsmittel diverse Wirtschaftsbereiche
neu gestaltet bzw. neu belebt, was für exportorientierte Unternehmen aus "alten" EU-Ländern
neue Chancen bietet. Besonderes Augenmerk wird auf das Fördergefälle in den Grenzregionen zu den neuen
Mitgliedstaaten und die damit verbundene Gefahr der Abwanderung von Betrieben zu richten sein. |