Die BOKU Wien setzt auf Naturfaserwerkstoffe  

erstellt am
06. 12. 04

Wien (boku) - Mit der neuen Professur für Naturfaserwerkstoffe am Institut für Holzforschung beschreitet die Universität für Bodenkultur Wien neue Wege in der Entwicklung und Produktion neuer Werk- und Baustoffe auf Basis nachwachsender Rohstoffe.

Holz- und Naturfaserwerkstoffe zeigen bei geringem Eigengewicht hervorragende technische Eigenschaften, wobei es allerdings noch ein enormes Forschungspotenzial gibt, um mit den synthetisch hergestellten Werkstoffen konkurrieren zu können. Mit der neuen Professur wird damit die Holzexpertise um einen neuen, zukunftsfähigen Wissenschaftsbereich erweitert, der in dieser Form österreichweit einzigartig ist.

Die Professur entstand im Zuge der Ausschreibung "Vorziehprofessuren", wo seitens des Ministeriums für Bildung und Wissenschaft die Positionierung der Universitäten in Österreich gefördert werden soll.

In seiner Antrittsvorlesung hat Univ.Prof. Dr. Rupert Wimmer die zukünftige Ausrichtung der Professur in Forschung und Lehre dargestellt. Mit der Professur wurde auch das bisherige Studium der Holzwirtschaft an der BOKU um den Bereich "Naturfasertechnologie" erweitert.

In Zeiten massiver Verteuerungen bei Erdöl sowie Engpässen am Rohstoffsektor setzt die Universität für Bodenkultur Wien noch stärker auf Nachhaltigkeit. Mit der neuen Professur für Naturfasermaterialien sollen Holz- und andere Naturfasern wie Flachs oder Hanf in Forschung und Lehre forciert werden.

Der Ruf für diese neue Professur erging an Univ.-Prof. Dr. Rupert Wimmer aus Salzburg, der an der BOKU seine Antrittsvorlesung mit dem Thema "Naturfaserwerkstoffe zwischen Technologie-Push und Market-Pull" hielt. Dabei erinnerte Prof. Wimmer an den Delphi Report Austria aus 1999, der Werkstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen eine besondere Chance in Forschung und Entwicklung attestiert. Materialien aus einjährigen Pflanzenfasern sowie Biokunststoffe aus Reststoffen eröffnen nicht nur viele Möglichkeiten in der Forschung, sondern zeigen auch hervorragende Verwertungs- und Umsetzungspotentiale. Jede Innovation hat ihren Ausgangspunkt entweder in Forschung und Entwicklung (technology push), oder in Anforderungen des Marktes (market pull). Der Erfolg von Innovationen ist dann wahrscheinlich, wenn neue Technologien und Märkte aufeinander treffen. Da sich nur 1% der Erstideen tatsächlich am Markt als Produkte erfolgreich durchsetzen, ist ein großes Reservoir an innovativen Ideen wünschenswert.

Die Forst- und Holzwirtschaft zählt nach der in diesem Jahr präsentierten "Innovation Excellence" Studie von Arthur D. Little zu den eher "konservativen Innovatoren", d.h. der Anteil des F&E Budgets am Gesamtumsatz ist gering, ebenso der Umsatzanteil mit neuen Produkten. Interessanterweise ließ sich aber zeigen, dass in Relation zum Innovationsaufwand konservative Innovatoren durch "Innovation Excellence", das sind Maßnahmen wie Ideenmanagement oder strategische Entwicklungsplanung, das größte EBIT-Steigerungspotenzial erschließen können. Als zukünftige Innovationsfelder werden u.a. Leichtbau, neue Werkstoffen sowie funktionelle Cellulosefasern erwähnt. Da gerade Naturfasermaterialien mit einem sehr günstigen Verhältnis von Festigkeit zu Gewicht punkten können, bestehen hier realistische Chancen der industriellen Umsetzung.

Die Vorteile von Naturfasern liegen auf der Hand und umfassen gute mechanische Eigenschaften bei geringem Gewicht, geringe Splitterneigung, gute Ökobilanz sowie Recyclierbarkeit. Als Nachteile sind inhomogene Faserqualität sowie Geruchsprobleme zu nennen, weiters behindern fehlende Standards zur Qualitätssicherung die Erschließung neuer Einsatzbereiche. In der Automobilindustrie finden Naturfasermaterialien zunehmend Einsatz, der Einsatz pro Kraftfahrzeug liegt heute bei 16 Kilogramm.

Die Forschungstätigkeit der Professur "Naturfasermaterialien" umfasst einerseits die gesamte Produktionskette und hat andererseits die vielen Ebenen vom Zellulosemolekül bis zum Waldstandort, respektive zur landwirtschaftlichen Anbaufläche, im Blickfeld. Bei den Bauprinzipien wird Anleihe aus der Natur genommen: Pflanzen haben optimierte innere Strukturen und dieses Wissen soll erforscht und auf neue Werkstoffe übertragen werden. Biomimetik bzw. Bionik wird dieses Wissensgebiet genannt und es ist die Umsetzung biologischer Erkenntnisse in technische Anwendungen gemeint. Beispiele dafür sind graduelle Steifigkeitsübergänge zwischen Leitbündel und Grundgewebe einer Bambusart, hohlzylindrische Pflanzenachsen beim Riesenschachtelhalm aufgebaut aus Geweben mit veränderlicher Steifigkeit, sowie Lianen mit der Fähigkeit zur Selbstreparatur durch chemisch-physikalische Prozesse.

Professor Wimmer stellte seine Vorhaben für die nächsten Jahre vort, wobei 3D-Anwendungen mit Faserformteilen (z.B. für die Autoindustrie bzw. Möbelanwendungen) eine wichtige Rolle spielen werden. Zu diesem Zweck wurde am Institut für Holzforschung der BOKU bereits eine Laboranlage zur Herstellung von Nadelfilzmatten installiert. Die Matten dienen dabei als Halbzeug zur Formteilherstellung. Die Infrarot-Spektroskopie als Analysemethode bildet neben der Entwicklung neuer Anwendungsbereiche von Naturfaserwerkstoffen weitere Hauptbereiche der Professur.
     
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