Kapellari: Dialog zwischen Kirche und moderner Kunst vertiefen  

erstellt am
03. 12. 04

Kulturreferent der Bischofskonferenz überreichte diesjährigen "Msgr. Otto-Mauer-Preis" an die Künstlerin Esther Stocker
Wien (stephanscom.at) - Der Dialog zwischen der modernen Kunst und der kirchlichen Liturgie muss nach Einschätzung von Bischof Egon Kapellari noch vertieft werden. In der Liturgie sei das Gespräch zwischen Kirche und zeitgenössischer Kunst "betreffend Sprache, Kleid und Dramaturgie im Ganzen noch nicht so fruchtbar geworden, dass Heiligkeit und Schönheit in einer Synthese von Alt und Neu hier schon den ihnen zukommenden Rang hätten", stellte Kapellari am Dienstagabend im Wiener Erzbischöflichen Palais bei der Verleihung des "Msgr.Otto-Mauer-Preises 2004" an die aus Südtirol stammende Künstlerin Esther Stocker fest.

Der "Mauer-Preis" nehme Kunst nicht in Dienst, auch nicht in den Dienst von Liturgie, so Kapellari. Er eröffne aber "einen geistigen Raum, in dem aus zweckfreiem Gespräch zwischen Kirche und Kunst auch Neues entstehen kann, das entsprechend einem Wort aus Rilkes 'Duineser Elegien' anruft und tröstet und hilft".

Die Sprache der Künstlerin Esther Stocker habe "nichts von praller Immanenz an sich", hob der Bischof hervor. Sie sei cartesianisch klar und deutlich, verzichte auf Farbe und verweise "auf urbane Strukturen, die leicht auch zur Entfremdung des Menschen von sich selbst und von Land und Erde draußen vor der Stadt führen". Sie öffne aber gleichzeitig "fast spielerisch, sanft heiter und oft überraschend das, was Käfig werden könnte, ins Freie". Form verbinde sich im Werk Stockers mit Geist. Das Oeuvre der bisherigen Otto-Mauer-Preisträger sei insgesamt sehr vielgestaltig. "Das Werk von Esther Stocker fügt eine unverwechselbare Facette hinzu", würdigte Kapellari die Künstlerin.

Kapellari, der in der Österreichischen Bischofskonferenz für den Bereich Kultur zuständig ist, wies in seiner Laudatio auf die Fähigkeit der Kunst hin, "geographische, politische und linguistisch-grammatikalische Grenzen zu öffnen oder zu überspringen". Als Beispiel nannte er die "fast explosive Verbreitung der Gotik oder des Barock in zahlreichen Ländern Europas". In der Moderne habe ein Großteil der Bevölkerung Interesse und Zustimmung zur neuen Kunst verweigert, "und dies nicht zuletzt deshalb, weil die von Kunst erwartete Gegenständlichkeit und Schönheit dort nicht gefunden wurde". Inzwischen sei die Bereitschaft, die Sprache neuer Kunst zu erlernen, vielerorts gewachsen, vor allem bei der jeweils jungen Generation. "Diese Bereitschaft reicht auch weit in den Lebensraum der Kirche hinein. Der fast schon legendäre Monsignore Otto Mauer hat dafür pionierhaft Schritte getan und Türen geöffnet", so der Bischof.

Andere Pioniere des Gesprächs zwischen Kirche und Kunst sollten daneben nicht vergessen werden, betonte Kapellari: "Ich nenne in Auswahl nur Prof. Günter Rombold und Prälat Johannes Neuhardt, bezogen auf Bildende Kunst, und den 1982 verstorbenen Jesuitenpater Alfred Focke, bezogen auf Literatur". Seither hätten kirchliche Bildungshäuser, Akademien, Hochschulgemeinden, diözesane Kunstkommissionen und viele einzelne katholische Persönlichkeiten ein vertieftes Gespräch mit der Kunst wieder aufgenommen. Zu erwähnen und zu bedanken sei in diesem Zusammenhang auch die ökumenische Zeitschrift "Kunst und Kirche", deren Chefredaktion seit 2002 der Leiter des Kulturzentrums bei den Grazer Minoriten, Johannes Rauchenberger, inne hat.

Eingangs erinnerte der stellvertretende Vorsitzende des "Otto-Mauer-Fonds", Georg Prantl, an die "großen Gestalten der Kirche", die den "Mauer-Preis" erst möglich gemacht hatten: Kardinal Franz König sowie Erzbischof-Koadjutor Franz Jachym und Prälat Karl Strobl, zwei Persönlichkeiten, "die vor 20 Jahren verstorben sind". Prantl verwies darauf, dass Otto Mauer "klug und hartnäckig" Künstler gefördert habe, "von deren Qualität er überzeugt war". Einer dieser Künstler sei Arnulf Rainer, der demnächst seinen 75. Geburtstag feiert. Vielleicht sei es kein Zufall, dass unter den "besten Künstlern" einer neuen deutschen Hit-Liste außer Arnulf Rainer auch zwei Träger des "Mauer-Preises" - Franz West und Heimo Zobernig - genannt werden.

P. Gustav Schörghofer SJ verwies in seiner Laudatio auf die Parallelen zwischen der "geometrischen Ordnung" im Werk Esther Stockers und entscheidenden Wendepunkten der europäischen Kunst - von den altgriechischen Vasen des 9./10. Jahrhunderts vor Christus über die Kunst der iro-schottischen Mönche des 7./8. Jahrhunderts nach Christus bis zur Entdeckung der Perspektive im 15. Jahrhundert und der Hinwendung zur Abstraktion am Beginn des 20. Jahrhunderts. In allen Fällen handle es sich um eine Kunst, deren Formenwelt "rein dem Geist entsprungen ist". Auch die Kunst Esther Stockers sei "tief im Spirituellen" verankert. Charakteristisch für sie sei "die Wahrheit in der Schwebe zwischen zwei Ordnungen".

In der Begründung der Jury heißt es wörtlich: "Alles in diesem Werk scheint vorhersehbar. Es scheint so. Denn Erwartungen werden immer wieder durchbrochen". Mit der "Einmaligkeit ihres sinnlichen Zaubers" setze sich die - ausschließlich auf die Farben schwarz, weiß und grau eingegrenzte - Kunst Esther Stockers gegen alle Assoziationen durch. Sie zeige, dass "Malerei in der Gegenwart auf eine völlig überraschende Weise möglich ist". Die Kunst von Esther Stocker sei "ein Vorstoß aus scheinbar Vertrautem in immer neue Bereiche des Unerwarteten".

Der mit 11.000 Euro dotierte "Msgr. Otto-Mauer-Preis" wurde heuer zum 24. Mal für das gesamte bisherige Werk eines Künstlers unter 40 vergeben. Vom 10. bis 23. Dezember präsentiert Esther Stocker im Rahmen einer Ausstellung im "JesuitenFoyer" (1010 Wien, Bäckerstraße 18) ausgewählte Arbeiten. Die Eröffnung findet am Donnerstag, 9. Dezember, um 19 Uhr statt (Öffnungszeiten: Mittwoch bis Samstag, 13 bis 18 Uhr, Sonntag 10.30 bis 12.30 Uhr).
     
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