SPÖ-Bildungsprogramm
einstimmig beschlossen
Broukal und Niederwieser präsentieren SPÖ-Bildungsprogramm
Wien (sk) - Gemeinsam mit den zehn LeiterInnen des Kompetenzteams Bildung präsentierten SPÖ-Bildungssprecher
Erwin Niederwieser und SPÖ-Wissenschaftssprecher Josef Broukal - als "Geburtshelfer des Programms"
- am Dienstag (30. 11.) beim SPÖ-Parteitag das neue Bildungsprogramm der SPÖ, an dem ungefähr
150 Lehrer, Eltern, Schülervertreter, Studenten, Professoren und Bildungsfachleute mitgearbeitet haben. Wie
Broukal betonte, werde mit dem Programm ein Angebot gemacht für pädagogisch wertvolle Ganztagsschulen,
für funktionierende Unis und für eine gemeinsame Ausbildung für Pädagogen, die die bisherige
Ausbildung über Bord wirft. "Seit gestern gilt ohnehin das Motto 'Lehrer statt Gehrer', so Broukal, der
in diesem Zusammenhang an einen gestrigen Ausspruch von SPÖ-Vorsitzendem Gusenbauer erinnerte. Niederwieser
erklärte, dass an dem schlechten PISA-Ergebnis die Regierung mit ihren Lehrer-Kürzungen schuld sei und
sicher nicht die Lehrerinnen und Lehrer. Das SPÖ-Bildungsprogramm wurde nach Präsentation und Diskussion
einstimmig von den Delegierten beschlossen. ****
Schrodt: Bildung muss eine Aufgabe des Staates bleiben
Auf die Frage "Bildung wozu, Bildung wie und mit welchen Inhalten" ging Heide Schrodt, Direktorin
der AHS Rahlgasse/Wien, die sich in ihrer Arbeitsgruppe mit diesem Thema beschäftigt hat, ein. Schrodt: "Bildung
muss eine Aufgabe des Staates bleiben. Bildung hat für alle da zu sein und nicht nur für die, die es
sich leisten können." Gefordert wird der gleichberechtigte Zugang zu allen Ebenen von Bildung, unabhängig
von Herkunft und Geschlecht. "Wir wollen jene fördern, die benachteiligt sind. Für uns hat jedes
Kind das Recht auf den Besuch einer ganztägigen Schule. Schuldemokratie und Mitbestimmung der Schulpartner
sind uns zentrale Anliegen", so die AHS-Direktorin.
Brandsteidl: Bizarre Rundumschläge Gehrers
Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl bezeichnete die Vorwürfe von Bildungsministerin
Gehrer als "bizarren Rundumschlag". Es sei klar, dass mit weniger Lehrern und Unterrichtsstunden nicht
mehr Qualität erzielt werden könne. Die SPÖ stehe selbstverständlich für Leistung, es
brauche aber einen neuen Zugang zur Schule, wie er etwa in Finnland gewählt wurde. Für Brandsteidl gehören
dazu eine gemeinsame universitäre Ausbildung der PädagogInnen, der Ausbau der Ganztagsschulen, bilingualer
Unterricht und Frühförderung.
Grubich-Müller: Frühförderung wesentliche Forderung
Regina Grubich-Müller, ehemalige Direktorin einer Wiener Volksschule, jetzt Bezirksschulinspektorin
und Leiterin des Referats Schulversuche im Stadtschulrat, betonte, dass man den Mut aufbringen müsse, Schule
neu zu machen und nicht nur neu zu denken. Besonders wesentlich sei dabei die Frühförderung - z.B. für
sprachliche Kompetenz, Motorik und Kreativität -, die für alle Kinder gelten müsse. Erstrebenswert
sei ein zehntes Jahr der Schulpflicht vor dem sechsten Lebensjahr in starker Kooperation mit Kleinkindpädagogen
und ein fließender Schuleintritt. Außerdem müsse man sich gegen Selektion aussprechen, Mehrstufenklassen
und eine alternative Leistungsbeurteilung schaffen. Schule müsse angst- und stressfrei funktionieren.
Riepl: Berufsschulen können mehr, wenn sie es dürfen
Franz Riepl, SPÖ-Abgeordneter und Zentralsekretär der Gewerkschaft Metall, stellte die Vorschläge
für eine moderne Berufsbildung in Schule und Unternehmen vor. Derzeit konserviere die konservative Politik
das System der beruflichen Bildung; "statt gefördert wird gesiebt". Die zu geringe Durchlässigkeit
habe zu enormen Drop-Out-Raten geführt, kritisierte Riepl und forderte daher eine Qualifizierungsoffensive
für die Jugend, kein Jugendlicher mit 15 Jahren dürfe ohne Schul- oder Lehrplatz dastehen - "keine
Jugendlichen mit Langeweile auf der Straße". Dazu benötige man Berufsorientierung als eigenen Gegenstand
in der jeweiligen Schulstufe, bessere Arbeitsbedingungen für die Lehrer sowie eine erweiterte Rolle für
die Berufsschule mit Deutsch, Englisch und politischer Bildung in allen Klassen. "Berufsschulen können
mehr, wenn sie es nur dürfen", so Riepl. Keinen Sinn würden Schmalspurberufe wie VorhangnäherIn
machen; notwendig seien dafür mehr Schulplätze in den BMHS und ein Unterricht in Modulen, um die Sitzenbleiberzahl
zu senken. Außerdem sei ein Berufsbildungsfonds gefordert als Lastenausgleich zwischen ausbildenden und nicht
ausbildenden Betrieben. Riepl: "Wer der Jugend Schulen gibt, braucht später weniger Polizisten, Drogenberater
und vielleicht auch keine Gefängnisse."
Muttonen: Kultur ist nicht das fünfte Rad am Wagen
SPÖ-Kultursprecherin Christine Muttonen betonte, dass Kultur nicht das fünfte Rad am Wagen sei,
sondern die Räder schlechthin darstelle. Für die SPÖ sei Bildung nicht nur der Erwerb von Fachwissen
und Fertigkeiten, sondern auch ein Beitrag zu einer umfassenden Persönlichkeitsentwicklung. Die Gesellschaft
habe sich in den letzten Jahren stark verändert und zu den wichtigsten Voraussetzungen für ein erfülltes
Leben gehörten Schlüsselkompetenzen wie Kommunikationsfähigkeit, Kreativität, die Fähigkeit
zum Querdenken und Neugier. "Kulturelle Bildung ist nicht das Erlernen des Flötespielens oder Malens,
sondern die Auseinandersetzung mit unserer Gesellschaft mittels Kunst und Kultur. Eine Auseinandersetzung, die
zunehmend wichtiger wird", so Muttonen.
Lapp: Ziel - Inklusive Bildung
SPÖ-Behindertensprecherin Christine Lapp erläuterte den Begriff der "Inklusion", was
das selbstverständliche Miteinander vor Ort bedeute und Verschiedenheit im Gemeinsamen bestehen lasse. Um
Inklusion zu erreichen, müsse Integration flächendeckend ausgebaut und bessere Rahmenbedingungen müssen
geschaffen werden. Das bedeute, dass Integration verstärkt werden müsse, um dem großen Ziel "Inklusive
Bildung" näher zu kommen. Voraussetzung dafür sei auch eine Bewusstseinsänderung aller am Schulsystem
beteiligten Menschen, denn sensibel auf Verschiedenartigkeit zu reagieren und den Unterschiedlichkeit als Bereicherung
und nicht als Hemmschuh anzusehen, erfordere persönliche und pädagogische Stärke, so Lapp.
Kadlec: Selbstbestimmung braucht Mitbestimmung
Auf die immer noch fehlende Demokratie an Österreichs Schulen ging Kim Kadlec von der Aktion kritischer
SchülerInnen (AKS) ein. Die Mitsprache der Schüler solle direkt in den Schulen und Klassen durch regelmäßige
Schülervollversammlungen und Klassenräte gesichert werden. Aber auch auf Landes- und Bundesebene soll
durch Direktwahl der Vertretungen endlich nicht mehr Scheindemokratie herrschen. Um das Demokratieverständnis
möglichst früh zu fördern, müssten demokratische Strukturen bereits bei den 10- bis 14-Jährigen
eingeführt werden. "Nur wer demokratische Rechte früh erlebt, kann sie später auch nutzen",
so Kadlec
Schasching: Ganztagsschule bietet echte Chancengleichheit
Beate Schasching, SPÖ-Abgeordnete und Bildungssprecherin der Kinderfreunde, hat ein pädagogisches
Konzept zur Ganztagsschule entwickelt, das über den Tag verteilt Lernen, Üben, Kreativität und Sport
vorsieht. Die Ganztagsschule biete echte Chancengleichheit, weil allen Kindern der Zugang zu Lernressourcen und
eine optimale individuelle Förderung gegeben werden. Für die Familien biete die Ganztagsschule die Sicherheit,
dass ihre Kinder den ganzen Tag über bestens pädagogisch betreut werden und ein warmes Mittagessen bekommen.
Dadurch, dass die Aufgaben in der Schule erledigt werden, werde wertvolle gemeinsame Arbeit am Abend gewonnen.
"Wir fordern daher, dass alle österreichischen Eltern die Möglichkeit haben sollen, zwischen der
halben und der ganzen Schule zu wählen", so Schasching, die betonte, dass man dazu den flächendeckenden
Ausbau der Ganztagsschulen und mehr Geld für die Gemeinden brauche.
Niederwieser: Brauchen neue, bessere Lehrerausbildung
Die Notwendigkeit einer neuen, besseren Lehrerausbildung betonte SPÖ-Bildungssprecher Erwin Niederwieser.
Die SPÖ wolle eine Hochschule für alle pädagogischen Berufe - das sei internationaler Standard -,
die auch eine echte Hochschule sein soll.
Ludwig: Rechtsanspruch auf Bildungskarenz
Auf die immense Bedeutung der Erwachsenenbildung machte der Wiener Bildungsvorsitzende Michael Ludwig aufmerksam.
Der Zugang für alle Menschen zum lebensbegleitenden Lernen müsse gewährleistet sein, und Bildung
dürfe nicht auf unmittelbare wirtschaftliche Verwertbarkeit reduziert werden - sie müsse allen Interessen
der Menschen gerecht werden. Erwachsenenbildung sei im Sinne des lebensbegleitenden Lernens und als Verschränkung
von allgemeiner, beruflicher, kultureller und politischer Bildung zu verstehen, die als "dritte Säule"
in das Bildungssystem integriert werden müsse. Jeder müsse eine zweite Bildungschance bekommen - dazu
gehöre die Möglichkeit, Abschlüsse gebührenfrei nachholen zu können, eine jährliche
Bildungsfreistellung im Ausmaß einer Arbeitswoche unter Fortzahlung des Entgelts sowie der Rechtsanspruch
auf Bildungskarenz.
Bayr: Erfolgsgeschichte Fachhochschulen
Auf die Erfolgsgeschichte der Fachhochschulen - fußend auf dem Werk der SPÖ - wies SPÖ-Fachhochschulsprecherin
Petra Bayr hin. Dennoch gelte es einiges zu verbessern, etwa mehr Frauenförderung, ein stärkeres Angebot
an berufstätige Studierende, mehr Durchlässigkeit für die Fachhochschulen, Einführung von Mitbestimmungsmöglichkeiten,
mehr finanzielle Mittel und ein Aufstocken des Angebots.
Broukal: Den Unis wieder Luft zum Atmen geben
"Die SPÖ wird den Unis wieder die Luft zum Atmen geben, sie wird die Studierenden von den Studiengebühren
befreien, sie wird den Lehrenden wieder eine Perspektive geben. Sie sollen den Kopf frei für Wissenschaft
und Lehre haben und sich nicht um ihr finanzielles Überleben sorgen müssen", erklärte SPÖ-Wissenschaftssprecher
Josef Broukal in seinem Redebeitrag. Broukal betonte aber auch, dass die Universitäten und Lehrenden den StudentInnen
die Möglichkeit geben müssen, das Studium im Regelfall in der Mindestzeit absolvieren zu können.
"Bis jetzt war das Bildungsprogramm unser Kind, nun soll es euer Kind sein", so Broukal abschließend
zu den Delegierten. |
Amon: Fehlstart der SPÖ in der Bildungspolitik
Vier bildungspolitische Fragen an die SPÖ
Wien (övp-pk) - Schon mit Spannung wurde das am Dienstag (30. 11.) beschlossene - angeblich
neue - Bildungsprogramm der SPÖ erwartet. "Die Enttäuschung ist aber sehr groß, da weder die
bisherigen noch die heutigen Forderungen der SPÖ nicht wirklich zum Nähertreten einladen, da sie nicht
nur nicht innovativ sind, sondern nur rein parteipolitisch motiviert und überhaupt nicht zeitgemäß
sind", sagte ÖAAB-Generalsekretär ÖVP- Bildungssprecher Werner Amon. "Wenn ein Programm
schon nahezu alle 14 Tage umgeschrieben wird, hätte man sich wenigstens konkrete Antworten erwartet",
hielt Amon fest.
Der ÖVP-Bildungssprecher richtete in diesem Zusammenhang vier bildungspolitische Fragen an die SPÖ in
der Erwartung, dass diese auch beantwortet werden:
1. Bleibt die SPÖ dabei, dass sie die Noten abschaffen will?
2. Bleibt die SPÖ dabei, dass sie Lehrerinnen und Lehrer den ganzen Tag an den Schulen "einsperren"
will, wie sie es in ihrem Vorschlag für den Österreich-Konvent gefordert hat? Wenn seit gestern schon
der Leitsatz "Lieber Lehrer als Gehrer" gilt, dann müsse man sich schon die Frage stellen, ob die
SPÖ wegen den bevorstehenden Personalvertretungswahlen ihre Liebe für die Pädagoginnen und Pädagogen
entdeckt hat, denn im April wollte man diese noch überwachen, ob sie ihre Arbeit wohl verrichten und brachte
damit inakzeptables Misstrauen zum Ausdruck.
3. Bleibt die SPÖ dabei, dass sie das Erfolgsmodell der Berufsbildenden Höheren Schulen abschaffen will,
wie es auch schon der Parteivorsitzende Gusenbauer in seinem 10-Punkte-Programm für die Nationalratswahlen
gefordert hat?
4. Bleibt die SPÖ dabei, dass sie jede zweite Pflichtschule schließen oder zusammenlegen will, wie dies
in ihrem Konventsvorschlag nachzulesen ist?
"Eigentlich könnte man auch von einer Oppositionspartei erwarten, dass sie sich wirklich Gedanken über
ein so wichtiges Thema wie die Bildung macht und nicht nur ideologisch motivierte Uralt-Forderungen ständig
als neu zu verkaufen versucht", zeigte sich Amon enttäuscht "Die SPÖ hat damit eindrucksvoll
bewiesen, dass sie nicht nur nicht regierungsfähig, sondern offensichtlich auch nicht oppositionsfähig
ist", ist für Amon klar. Außerdem sei nun auch öffentlich kundgetan, dass es "weder eine
Alternative zum Bildungsprogramm der ÖVP noch zur zuständigen Ministerin Gehrer gibt, die nicht nur exzellente
Arbeit für das Schul- und Bildungssystem, sondern auch für das Land und die Gesellschaft leistet",
schloss Amon. |