1954 schaltete der Bund das Landes-Studio Dornbirn ab
Bregenz/Dornbirn (vlk) - Nach dem Krieg überließ die französische Militärregierung
den Rundfunk dem Land. Mit der Zeit drängte jedoch der Bund auf eine Übergabe der Länderstudios.
Die Vorarlberger Landesregierung war nicht bereit, sein "Studio Dornbirn" aufzugeben. Am 1. Dezember
1954 kappte die Post die Sendeleitung, zwei Tage später meldete sich der Österreichische Rundfunk. Den
schriftlichen "Nachlass" des Landesrundfunks hütet das Vorarlberger Landesarchiv; zudem einen Orden,
den Landeshauptmann Ulrich Ilg aus Protest nach Wien zurückschicken wollte.
Die Franzosen, die Vorarlberg im Mai 1945 von der NS-Diktatur befreiten, waren großzügiger als andere
Besatzungsmächte. Sie überließen bereits im November 1946 den Rundfunk treuhändisch der Landesregierung.
Mit einfachsten Mitteln wurde in Dornbirn ein erfolgreicher Landessender "Radio Vorarlberg" aufgebaut.
Das Studio befand sich im neuen Rathaus, als Aufnahmestudio für das hervorragende Funkorchester diente der
Schlossbräusaal. Die Schweizer Nachbarstudios halfen mit technischem Material und Schallplatten aus.
Noch wichtiger als das Rundfunkstudio waren die Sendeanlagen in Lauterach. Das Verkehrsministerium übergab
sie 1948 ebenfalls dem Land zu treuen Handen, kündigte den Vertrag jedoch am 1. Mai 1954 auf. Während
der Sender klar zur Telegraphenverwaltung des Bundes gehörte, war die Rechtslage bei den Rundfunkprogrammen
an sich umstritten. Vorarlberg rief den Verfassungsgerichtshof an, der aber am 5. Oktober 1954 das Rundfunkwesen
zur Gänze als Teil des "Telegraphenwesens" und damit als Angelegenheit des Bundes einstufte. "Dieses
Sprachrohr in der Hand des Landes schien uns ungeheuer wichtig und wir hofften auf einen Kompromiss im Rahmen eines
Bundesgesetzes", erinnerte sich Landeshauptmann Ulrich Ilg. Für den Fall, dass der Rundfunk in Vorarlberg
nicht freiwillig übergeben werde, forderte der mächtige Verkehrs- und Verstaatlichtenminister Ernst Waldbrunner
Gendarmerie an. Am 27. November 1954 gab die Landesregierung den Sender Lauterach der Postverwaltung zurück,
hoffte aber weiterhin auf eine Rundfunkkonzession und war nicht bereit, das "Studio Dornbirn", das Landeseigentum
war, dem Bund zu übergeben. Am 1. Dezember 1954 kappte die Post kurzerhand die Sendeleitung. Ab 3. Dezember,
5.30 Uhr, meldete sich der "Österreichische Rundfunk, Radio Vorarlberg". Die Übergabeverhandlungen
zogen sich noch bis Anfang 1955 hin.
Protest - LH Ilg schickte Bundesauszeichnung zurück
Als Protest gegen die Vorgangsweise der Bundesregierung schickte Landeshauptmann Ilg im Februar 1955 die
hohe Bundesauszeichnung, die er vor einigen Monaten erhalten hatte, an Bundeskanzler Julius Raab nach Wien zurück.
Raab sandte den Orden umgehend wieder an Ilg und gab ihm zu verstehen, dass er mit diesem Schritt Bundespräsident
Theodor Körner brüskieren würde und die an ihn verliehene Auszeichnung auch dem Land Vorarlberg
gelte. "Dabei lag es mir ferne," antwortete Ilg, "das Staatsoberhaupt zu treffen und ich nehme deinen
Wink insoweit zur Kenntnis, dass ich das Ehrenzeichen als Auszeichnung des Landes unserem Landesarchiv übergebe,
nachdem ich nichts mehr davon wissen will". Dort wird der Orden heute noch verwahrt.
Entpolitisierung und Regionalisierung des Rundfunks
Mit der Übernahme durch den Bund wurde aus dem "Landesregierungsrundfunk" ein "Bundesregierungsrundfunk".
1965 betrieben die unabhängigen österreichischen Tageszeitungen gegen die parteipolitische Vereinnahmung
als "Proporzrundfunk" das erste Volksbegehren, das von über 830.000 Österreichern unterstützt
wurde. Der große Erfolg des Rundfunk-Volksbegehrens hatte 1966 während der ÖVP-Alleinregierung
ein erstes Rundfunkgesetz zur Folge. Unter Generalintendant Gerd Bacher wurde der ORF mit der Errichtung von Landestudios
regionalisiert. 1972 ging das neue Landesstudio Dornbirn in Betrieb. Das Land dankte Bacher mit der Verleihung
des Goldenen Ehrenzeichens, der höchsten Landesauszeichnung Vorarlbergs. |