Bozen (lpa) - Ein Novum gab es am Donnerstag (09. 12.) bei der Verlesung des Berichtes zum Haushaltsvoranschlag
des Jahres 2005 im Südtiroler Landtag. Weil Landeshauptmann Luis Durnwalder zu einem wichtigen Gespräch
mit Regionenminister Enrico La Loggia nach Rom musste, hielt sein Stellvertreter Otto Saurer die Haushaltsrede.
Und er spannte dabei einen weiten Bogen: von der Erweiterung der EU und der Verabschiedung der europäischen
Verfassung über die politischen Entwicklungen in Rom bis hin zur sozialen und wirtschaftlichen Lage in Südtirol.
"Alles neu also in Brüssel?" LH-Stellvertreter Otto Saurer hatte sich in der Haushaltsrede im Namen
von LH Durnwalder zunächst die Frage zu stellen, inwieweit sich die Rahmenbedingungen aufgrund der EU-Verfassung,
der Osterweiterung oder auch der Wahl des neuen europäischen Parlamentes für Südtirol und seine
Politik geändert haben. Sein Fazit: "Wir dürfen die EU nicht nur als strenge Hüterin der Wettbewerbsregeln
im Binnenmarkt sehen, sondern müssen sie auch als dynamischen Motor der regionalen Entwicklung betrachten",
heißt es im Bericht zum Haushaltsvoranschlag.
Gerade in diesem Zusammenhang wies Saurer auf eine für Südtirol allerdings wenig erfreuliche Entwicklung
hin: "Wir sollten also ab 2007 mit möglichen Kürzungen bei der Regionalförderung aus Brüssel
rechnen - wie viel genau, das vermag heute noch niemand genau zu sagen", so der LH-Stellvertreter. Jedenfalls
werde man auch weiterhin alles daran setzen, die Interessen Südtirols in Brüssel zu wahren, und zwar
nicht nur jene finanzieller Natur.
Besonderes Augenmerk in Brüssel gelte natürlich der Entwicklung in Sachen Brennerbasistunnel (BBT), wobei
erste positive Signale zu verzeichnen seien. So sei der Brennerkorridor als strategisch wichtige Verkehrsachse
anerkannt und eine Beteiligung an den Kosten des Baus des BBT in Höhe von 20 Prozent in Aussicht gestellt
worden. Sogar 50 Prozent der Kosten übernimmt die EU beim Bau der Pilotstollen. Man stehe jedenfalls weiter
in Verhandlungen mit der EU-Kommission, denn "die Lösung des Transitproblems - am Brenner, aber auch
anderswo - erfordert mutige, weit blickende und vor allem konsequente politische Entscheidungen aller Beteiligten",
heißt es im Bericht des Landeshauptmanns.
Mit Blick auf die Entscheidungen, die in Rom anstehen, hob LH-Stellvertreter Saurer im Namen des Landeshauptmanns
heute vor allem die Diskussion rund um die Verfassungsreform hervorgehoben. Und ging bei dieser Gelegenheit noch
einmal auf die Polemiken ein, die die Forderung italienischer Rechtsparteien ausgelöst hatte, die Italiener
in Südtirol als Minderheit anzuerkennen. "Allein die Forderung zeigt, dass leider so manch einer in der
Südtiroler Realität noch nicht angekommen ist", so Saurer im Namen Durnwalders. Und weiter: "Die
Südtiroler Autonomie ist nicht deutsch. Sie ist auch nicht ladinisch. Und auch nicht italienisch. Die Südtiroler
Autonomie spricht keine Sprache. Sie kennt auch keine Grenzen. Die Südtiroler Autonomie bedeutet die Möglichkeit,
unsere gesellschaftliche Realität möglichst weitgehend selbst zu gestalten. Und damit kommt sie allen
hier Lebenden zugute."
Nach dem Blick auf Brüssel und Rom wandte sich der LH-Stellvertreter dem eigentlichen Haushaltsvoranschlag
zu. Einem Haushalt, der erstmals die 5-Milliarden-Euro-Grenze überschreitet, der aber real trotz allem eine
Stagnation zeige. Sparen sei damit angesagt, auch wenn die Wirtschaft in Südtirol weiter zufriedenstellend
wachse - trotz ungünstiger internationaler Vorzeichen. Dies liege an drei Faktoren, so Saurer im Namen des
Landeshauptmanns: am "Fleiß und der Innovationskraft der Südtiroler Unternehmer und von deren Mitarbeitern",
an der klein- und mittelständischen Struktur der Wirtschaft und nicht zuletzt auch an einer "umsichtigen
Wirtschaftspolitik, die jahrzehntelang die Stärken der Südtiroler Wirtschaft gefördert und die Schwächen
abzumindern versucht hat", heißt es im Bericht zum Haushaltsvoranschlag.
Einen Schwerpunkt legte der Landeshauptmann in dem von Otto Saurer verlesenen Bericht auch auf die Familienförderung,
die einen immer prominenteren Platz auf der politischen Agenda besetzen und in allen politischen Bereichen zum
Tragen kommen müsse. "Ich glaube, es ist für uns Politiker alter Schule oft schwer, diesen alles
überlagernden Aspekt auch richtig fassen zu können. Aus dem alten Schubladendenken nach Tätigkeitsbereichen
herauszukommen und die Förderung der Familie als Kernzweck der Politik zu sehen. Glauben Sie mir: Wir setzen
alles daran, dass sich diese Sichtweise durchsetzt. Denn diese Anstrengungen lohnen sich nicht nur. Sie sind schlicht
und ergreifend überlebenswichtig", verlas der LH-Stellvertreter.
Ein weiterer Schwerpunkt galt der Verkehrspolitik und hier vor allem noch einmal dem Bau des BBT und dem Ausbau
der Zulaufstrecken. Dieser müsste in jedem Fall zeitgleich erfolgen. "Da gibt es keinen Verhandlungsspielraum",
so Saurer im Namen Durnwalders. Weiters gehe es darum, die Voraussetzungen zu schaffen, den Transit-Güterverkehr
auf die Schiene zu zwingen, wenn der BBT einmal realisiert sei. "Bereits heute müssen wir uns Gedanken
über solche Maßnahmen machen, denn wenn der Tunnel einmal da ist, ist es zu spät", heißt
es in dem Bericht zum Haushaltsvoranschlag.
Und schließlich ging Saurer auch noch einmal auf die Diskussion rund um Anzahl und Leistungen der Landesbediensteten
ein, die bis vor wenigen Tagen in den Medien geführt worden ist. Er erläuterte die Gründe für
den Anstieg der Ausgaben und führte an: "Auch aus all diesen Gründen ist die Diskussion - so wie
sie geführt worden ist - den Bediensteten des Landes gegenüber unfair und ungerechtfertigt. Denn eines
müssen wir festhalten: Der Landesbetrieb funktioniert. Und er funktioniert gut. Dank entsprechender Rahmenbedingungen
und dank der täglichen Leistungen unserer Mitarbeiter, von denen der größte Teil gut, gewissenhaft
und fleißig arbeitet und daher Lob und Anerkennung verdient." |