EU-Beitritt der Türkei  

erstellt am
20. 12. 04

Gusenbauer: Bedenken der europäischen Bevölkerung nicht berücksichtigt
Beitrittsverfahren für Türkei sogar erleichtert
Wien (sk) - "Die Staats- und Regierungschef der EU haben nicht den Mut gehabt, die Bedenken der europäischen Bevölkerung hinsichtlich eines EU-Beitritts der Türkei zu berücksichtigen", erklärte SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer am Freitag (17. 12.) im ORF-Mittagsjournal zu den Ergebnissen des EU-Gipfels in Brüssel. Die angeblich harten Bedingungen seien nichts anderes als "Selbstverständlichkeiten des EU-Rechts", stellte Gusenbauer fest. "Alles, was man in Brüssel gesehen hat, geht in die Richtung, alle nur möglichen gymnastischen rhetorischen Übungen zu machen, um die Menschen zuhause zu beruhigen, aber in der rechtlichen Substanz ist es so, dass das Beitrittsverfahren für die Türkei sogar erleichtert wurde", hielt der SPÖ-Vorsitzende fest.

Dass die Zypern-Frage überhaupt Thema des Gipfels ist, zeigt für den SPÖ-Vorsitzenden, wie "abgehoben" die Debatte ist. Gusenbauer: "Es wird sich doch niemand vorstellen, dass es eine Union von Staaten gibt, in der ein Staat einen anderen nicht anerkennt. Das ist ein glatter Widerspruch zum Prinzip der Union". Der SPÖ-Chef äußerte außerdem die Befürchtung, dass die Kriterien für Verhandlungen mit weiteren Beitrittswilligen Ländern "aufgeweicht werden".

 

 Lopatka: Zick-Zack ohne Ende
SPÖ in der Türkei-Frage und bei Nachbesetzung des Innenministeriums gespalten
Wien (övp-pk) - "Es vergeht kein Tag, an dem die SPÖ nicht neuerlich den von ihr eingeschlagenen Zick-Zack-Kurs unter Beweis stellt", so ÖVP-Generalsekretär Dr. Reinhold Lopatka am Sonntag (19. 12.). Die jüngsten Aussagen hochrangiger SPÖ- Funktionäre zeigen wieder einmal ganz deutlich, dass das "Team- Gusenbauer" extrem gespalten sei.

Während Gusenbauer und Cap nach dem EU-Gipfel von einer "Fehlentscheidung" und "reiner Augensauswischerei" sprechen, bringe Michael Häupl in einem Interview mit der "Kleinen Zeitung" den Zustand der SPÖ in der Türkei-Frage auf den Punkt, so der ÖVP- Generalsekretär. "Ich weiß nicht, was die Parteilinie ist", so der mächtigste Stellvertreter von Gusenbauer, der sich, so wie die ÖVP, in diesem Interview auch für die Aufnahmen von ergebnisoffenen Verhandlungen mit der Türkei ausspricht. "Wir sagen Ja zu Verhandlungen, und Bundeskanzler Schüssel ist es zu verdanken, dass es am Ende des zehn bis 15-jährigen Verhandlungsprozesses keine Garantie für einen Beitritt der Türkei gibt", zeigte sich Lopatka zufrieden.

Auch in der Frage der Nachbesetzung des Innenministeriums steht die Meinung jener, denen es um die Sache geht und die auch Sachkenntnis mitbringen, jenen gegenüber, die die SPÖ ausschließlich als Oppositionspartei sehen. Während Darabos von einem "letzen Aufgebot" spreche, lobe Häupl die designierte Innenministerin Liese Prokop als eine erfahrene und kompetente Politikerin mit "Handschlagqualität". Auch der ehemalige Innenminister Karl Schlögl habe der ersten Frau im Innenministerium sein Vertrauen ausgesprochen, so Lopatka. "Liese Prokop ist eine Persönlichkeit, die Vertrauen verdient und die in ihrer langjährigen politischen Karriere bewiesen hat, dass sie schwierigen Situationen gewachsen ist."

"Darabos sollte sich besser über den politischen Werdegang und die vielfältigen politischen Funktionen von Liese Prokop informieren, bevor er sich das nächste Mal mit so unqualifizierten und niveaulosen Aussagen zu Wort meldet. Hier geht es um die Nachbesetzung eines Schlüsselressorts und um die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher. Polemischen und parteipolitisch motivierten Aussagen sind deshalb völlig fehl am Platz", so Lopatka abschließend.

 

Scheibner schlägt gemeinsamen Entschließungsantrag im Parlament vor
Partnerschaft für Europa ist Modell für die Zukunft - Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit Kroatien sind zu begrüßen
Wien (fpd) - "Die FPÖ ist weiterhin gegen eine Vollmitgliedschaft der Türkei bei der EU", stellte FPÖ-Klubobmann Herbert Scheibner am Sonntag (19. 12.) unmißverständlich klar. Daran ändere auch das Ergebnis des Brüsseler Gipfels nichts. Scheibner begrüßte in diesem Zusammenhang, daß Bundeskanzler Schüssel auf den freiheitlichen Vorschlag über eine Volksabstimmung zu diesem Thema eingehe, und schlug einen gemeinsamen Entschließungsantrag im Parlament vor als klare Willensbekundung für die Zukunft. Alle Parteien seien eingeladen, hier mitzuformulieren.

Scheibner bezeichnete es als Erfolg, daß es Österreich und der FPÖ, obwohl sie wenig Unterstützung durch andere gehabt hätten, zumindest gelungen sei, daß die EU Bedingungen an die Türkei stelle. Wenn die EU auf der Einhaltung dieser Bedingungen striktest bestehe, sei ein erfolgreicher Abschluß der Verhandlungen ohnehin ausgeschlossen. Aus heutiger Sicht werde die FPÖ einer Ratifizierung nicht zustimmen.

Die Entscheidung über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen sei die Weiterführung eines falschen Weges und ein Placebo für die Türkei und die EU. Anstatt ehrlich zu sagen, daß ein Vollbeitritt nicht möglich sei, solle jetzt offenbar 15 Jahre lang über eine Mitgliedschaft verhandelt werden. Besser wären Gespräche über Alternativen. Jetzt müsse sichergestellt werden, daß die Verhandlungen nicht zu einer Einbahnstraße Richtung Beitritt mutieren würden, betonte Scheibner. Die Option einer Partnerschaft für Europa dürfe nie aus den Augen verloren werden und müsse speziell für die österreichischen Teilnehmer an den Verhandlungen oberste Priorität haben. Die Türkei habe zwar Fortschritte gemacht, für einen EU-Beitritt seien diese aber bei weitem nicht ausreichend. Ein Vollbeitritt der Türkei hätte gravierende Auswirkungen auf die gesamte EU und wäre möglicherweise das Ende dieses Projekts einer politischen Union. Die Partnerschaft für Europa sei hingegen ein Modell für die Zukunft, an dem sich auch andere Staaten beteiligen könnten, die der EU nicht beitreten könnten oder wollten.

Hinsichtlich des "Eiertanzes" um die Anerkennung Zyperns bezeichnete es Scheibner als untragbar, daß ein Beitrittskandidat ein Problem habe, ein Mitgliedsland politisch anzuerkennen. Scheibner erklärte weiters, daß die Diskussion über die Anerkennung Zyperns nicht davon ablenken dürfe, daß es auch noch in anderen Bereichen ganz wesentliche Probleme gebe. So könnten die Reformen in der Türkei jederzeit wieder rückgängig gemacht werden. Auch die politische Situation am Bosporus könne sich in Richtung Islamismus oder autoritäres Regime ändern. Der freiheitliche Klubobmann nannte auch die Defizite im Bereich der Menschenrechte.

Über den Beitritt der Türkei dürfe in letzter Instanz nicht nur das Parlament entscheiden, sondern es müsse das ganze österreichische Volk mittels einer Volksabstimmung an dieser entscheidenden Zukunftsfrage teilhaben, erklärte Scheibner. Die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit Kroatien begrüßte der freiheitliche Klubobmann.

 

 Van der Bellen: Kanzler macht sich mit Volksabstimmungs-Ankündigung lächerlich
Wer soll heute garantieren, was in 15 Jahren stattfinden wird?
Wien (grüne) - „Die Ankündigung einer Volksabstimmung in Österreich zu einem allfälligen EU-Beitritt der Türkei ist unseriös und unglaubwürdig“, kritisiert der Bundessprecher der Grünen, Alexander Van der Bellen, Aussagen von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel am Freitag (17. 12.). „Wer kann heute garantieren, was in 15 Jahren in Österreich stattfinden wird? Schüssel macht sich mit seinem Vorstoß vollkommen lächerlich. Dem Bundeskanzler kann der Vorwurf nicht erspart bleiben, dass er die österreichische Bevölkerung mit einem derartigen absurden Vorstoß verschaukeln möchte“, kritisiert Van der Bellen.

„Die Türkei wird - soferne die Beitrittsverhandlungen positiv abgeschlossen werden - nicht Österreich beitreten, sondern der EU. Sollte ein allfälliger EU-Beitritt der Türkei auf EU-Ebene derartig gravierende Konsequenzen haben, dass eine Volksabstimmung erforderlich sein könnte, so kann diese nur EU-weit und nicht nur in Österreich abgehalten werden“, so Van der Bellen.
       
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