Junger Wissenschafter zeigt durch Nachweis neuronaler Mustergenerationen auf, wie bei Querschnittslähmung
Beinbewegungen ausgelöst werden können
Wien (tu) - Bisher ist es medizinisch nicht möglich, eine komplette Querschnittslähmung
so zu überwinden, dass die Beine wie beim natürlichen Gehen wieder vom Rückenmark gesteuert werden
können. In Kooperation mit Wissenschaftern aus Houston und Wien hat Karen Minassian im Zuge seiner Dissertation
an der Technischen Universität (TU) Wien die neuronalen Muster zur Steuerung der Beinbewegung analysiert und
herausgefunden, wieso diese Bewegungen durch relativ simple Neuroprothesen angesprochen werden können. Damit
wurde nachgewiesen, dass in unserem Rückenmark neuronale Mustergeneratoren zur Steuerung der Beinbewegung
existieren. Für Menschen mit einer Querschnittslähmung besteht ein Hoffnungsschimmer, wieder gehen zu
können.
Eine Querschnittslähmung entsteht durch eine Schädigung des Rückenmarkquerschnitts, wodurch Nervenbahnen
nicht mehr leiten und motorische, sensible und vegetative Bahnen ausfallen. Die Folge ist, dass die Nerven ab dem
geschädigten Rückenmarkbereich über das Gehirn nicht mehr aktiviert werden können, was zum
Beispiel die willentliche Steuerung der Beine verhindert.
Eine relativ simple Neuroprothese, die jetzt schon zur Unterdrückung von Spasmen bei Querschnittpatienten
verwendet wird, erlaubt es, bei geeigneter Positionierung die neuronalen Mustergeneratoren im Rückenmark anzusprechen.
Die Elektrode ist ein Dipol, die im Wirbelkörper, aber außerhalb der Rückenmarksflüssigkeit,
implantiert wird. Modellrechnungen und Datenanalysen erklären, dass in den sensorischen Fasern der unteren
Extremitäten künstliche neuronale Signale erzeugt werden können. Der gepulste Elektrodenstrom generiert
in den Nervenfasern eine gleichmäßige Folge von Nervenimpulsen, die sich ins Rückenmark fortpflanzen.
Dort werden nach mono- oder polysynaptischer Verschaltung Mustergeneratoren für die Beinbewegung aktiviert,
die im gesunden Menschen über Bahnen vom Gehirn kontrolliert werden. Die Hauptcodierungsmechanismen sind also
hier offensichtlich einfacher als man ursprünglich vermutet hat. Alleine durch Ändern des Stimulationsfrequenzbereichs
kommt man von einer einfachen Beindurchstreckung zu rhythmischen schrittähnlichen Bewegungsmustern.
Für seine Forschungsergebnisse, die in seiner Dissertation "Modeling of a human spinal pattern generator
for locomotion and its activation by electrical epidural stimulation" beschrieben sind, wurde Karen Minassian
von der TU Wien mit dem TU-BioMed Preis 2004 ausgezeichnet. Der Preis wird zum dritten Mal verliehen und ist mit
einer Dotation von 500,- Euro als Anerkennungspreis für die beste Diplomarbeit oder Dissertation auf dem Gebiet
der biomedizinischen Technik zu verstehen. Die Preisverleihung erfolgt am 21. Jänner 2005.
Karen Minassian wurde in Teheran geboren, studierte an der TU Wien Technische Physik und ist derzeit am Ludwig
Boltzmann Institut für Elektrostimulation und Physikalische Rehabilitation beschäftigt.
Minassians Dissertation ist eine von vier Dissertationen, die für den heurigen BioMed-Preis nominiert wurde.
Frank Rattay, Leiter der Forschungsgruppe TU-BioMed an der TU Wien: "Für den Preis wurden beachtenswerte
Arbeiten eingereicht; jede einzelne erschließt ein interessantes Thema und besticht durch die fachliche Qualifikation
der jungen Wissenschafterinnen und Wissenschafter. Wegen der hervorragenden bereits international präsentierten
Resultate haben wir uns für die Dissertation von Karen Minassian entschieden." |