Innenpolitik / Rücktritt von Innenminister Strasser  

erstellt am
14. 12. 04

 Darabos kritisiert Schüssels Krisenmanagement
SPÖ wird Druck auf Regierung erhöhen - Innenausschuss soll einberufen werden
Wien (sk) - Die SPÖ will für kommenden Freitag den parlamentarischen Innenausschuss einberufen, um vom interimistisch eingesetzten Innenminister Günther Platter Auskunft über die offenen Themen des Ressorts - Zivildienst, Asylgesetz und Umsetzung des Sicherheitspolizeigesetzes - zu erhalten. "Die SPÖ wird den Druck auf die Regierung erhöhen", sagte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos am Montag (13. 12.) in einer Pressekonferenz. Er geht davon aus, dass die ÖVP ihre Zustimmung zur Einberufung des Innenausschusses geben wird: "Wir hoffen, dass die Regierung hier nicht mauert, sondern ein offenes Ohr zeigt." Alles andere wäre ein "Affront", so Darabos, der dann auch eine Sondersitzung des Nationalrates für möglich hält.

Die Ereignisse rund um den Rücktritt Strassers nennt Darabos eine "Schmierenkomödie". "Ein geordnetes Management sieht anders aus", verwies Darabos auf das schlechte Krisenmanagement Kanzler Schüssels. Schüssel sei von Strassers Rücktritt völlig überrascht worden, habe seine Emotionen durchgehen lassen und sich mit der vorübergehenden Zusammenlegung von Innen- und Verteidigungsressort auf dünnes Eis begeben. Die SPÖ sehe darin keine Staatskrise und keine Gefährdung der Demokratie, hielt Darabos fest, hätte sich aber ein glasklares Krisenmanagement gewünscht.

"Die Frage der Nachfolge ist nicht besonders geschickt gelöst", so Darabos. Vor allem kritisiert er, dass Platter, der einen Mega-Skandal im Bundesheer aufklären müsse, nun auch für den sensiblen Bereich des Innenressorts mit vielen offenen Fragen verantwortlich sei. Im Innenressort sieht Darabos eine "Reihe von offenen Baustellen". Die Zivildienstreform gehe in die Zielgerade, die Zusammenlegung von Polizei und Gendarmerie stehe nach der Beschlussfassung am Donnerstag vor der Umsetzungsphase und das Thema Asyl sei ungelöst.

Darabos konstatierte, dass Platter zu Beginn der Misshandlungsaffäre des Bundesheeres sein Krisenmanagement ordentlich durchgeführt habe; mittlerweile deute aber einiges darauf hin, dass seine persönlichen Verwicklungen tiefgreifender seien, als es den Anschein hatte. Er wolle keine Schuldzuweisungen vornehmen, so Darabos. Tatsache sei aber, dass Platter alle Kraft für die Aufarbeitung des Bundesheer-Skandals brauche.

"Das Macher-Image Schüssels hat tiefe Risse bekommen", so Darabos weiter. Die Zustimmung zu seiner, Schüssels, Politik sei in den eigenen Reihen nicht mehr in dem Ausmaß gegeben, wie Schüssel das glauben mache wolle. Im zwischenmenschlichen Bereich sei "einiges kaputt gegangen", verwies der SPÖ-Bundesgeschäftsführer auf die kolportierten Schreiduelle zwischen Schüssel und Strasser. Dass sich Strasser jetzt in der Öffentlichkeit streichelweich gebe, führt Darabos darauf zurück, dass es sich bei den angeblichen Jobangeboten Strassers "möglicherweise nur um virtuelle Jobangebote" handelt.

Der SPÖ-Bundesgeschäftsführer ärgert sich darüber, dass Strasser zwar in verschiedenen Sendungen Auskunft über seine Beweggründe für den Rücktritt gibt, im Nationalrat aber keine Stellungnahme abgab. In der gestrigen ORF-Sendung "Offen gesagt" habe Strasser gemeint, dass er den Freitag für seinen Rücktritt ausgewählt habe, weil dieser Tag mit der Beschlussfassung des ÖH-Gesetzes und der Hauptverbands-Reform ein unangenehmer Tag für die ÖVP gewesen sei. Darabos dazu: Erstmals habe ein - ehemaliges - ÖVP-Regierungsmitglied zugegeben, dass diese beiden Materien auf die ÖVP kein gutes Licht werfen.

Große Regierungsumbildung erforderlich
Darabos hätte sich von Schüssel erwartet, dass er aus dem Rücktritt Strassers seine Lehren zieht und eine große Regierungsumbildung andenkt. Bildungsministerin Gehrer hätte in letzter Zeit Amtsmüdigkeit gezeigt und auf das PISA-Desaster nicht gerade glorreich reagiert. Auch Gesundheitsministerin Rauch-Kallat, die keine Gesundheitsreform zustande gebracht habe und stattdessen den Weg in die Zwei-Klassen-Medizin gehe, sei rücktrittsreif. Ebenso Finanzminister Grasser, "der uns ein Nulldefizit angekündigt hat und mittlerweile die höchste Staatsverschuldung zu verantworten hat".

 

 Regierungskrise ist Wunschdenken der SPÖ
Wien (övp-pd) - "Die künstliche Aufgeregtheit des SPÖ-Bundesgeschäftsführers rund um den Rücktritt des Innenministers entbehrt zwar jeder Grundlage, ist aus der Sicht einer Partei wie der SPÖ, die seit Monaten jegliche Orientierung vermissen lässt, aber nur allzu verständlich. Viel Lärm um nichts", sagte Generalsekretär Reinhold Lopatka am Montag (13. 12.) in Reaktion auf eine Pressekonferenz von Norbert Darabos.

Wunschdenken der SPÖ
Es entspreche lediglich dem Wunschdenken der SPÖ-Strategen, jetzt den Eindruck erzeugen zu wollen, dass die rasche Neuordnung in der Bundesregierung problematisch sei, sagte Lopatka. "Der Innenminister, der aus rein persönlichen Beweggründen seinen Rücktritt angetreten hat, übergibt ein wohl geführtes Innenressort", so der ÖVP-Generalsekretär, der auch darauf hinwies, dass Strasser notwendige Reformen umgesetzt habe. Als Beispiel nannte er die Modernisierung der Kriminalitätsbekämpfung, ein effizientes Asylrecht und vor allem die Zusammenführung von Polizei, Gendarmerie und Zollwache. "All diese Reformen hat die SPÖ abgelehnt", so Lopatka.

"Professioneller" Reformer
Mit Verteidigungsminister Günther Platter habe ein Mann vorübergehend die Agenden Strassers übernommen, der ein "professioneller Reformer" und "trittfester Krisenmanager" sei, wie er im Zusammenhang mit der Bundesheer-Reform und den Übergriffen beim Bundesheer hinlänglich bewiesen habe. "Darabos kann beruhigt sein, die Sicherheit Österreichs ist mit dieser Lösung bei der Volkspartei weiterhin in guten Händen", so der ÖVP-Generalsekretär.

 

LH van Staa: "Strasser hat die Sicherheit der Bevölkerung zur Maxime seines politischen Handelns erhoben"
Innsbruck (lk) - „Ich habe die Ankündigung von Bundesminister Ernst Strasser, aus der Politik auszuscheiden, mit Bedauern zur Kenntnis genommen. Er hat in seiner politischen Tätigkeit als Innenminister die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung zu seiner obersten Maxime erhoben“, erklärt Tirols Landeshauptmann Herwig van Staa. „Die kürzliche beschlossene Zusammenlegung von Polizei und Gendarmerie ist ein Jahrhundertwerk, das unter der Führung von Ernst Strasser umgesetzt werden konnte.“

„Ernst Strasser ist ein Mensch und Politiker mit Handschlagqualität. Auch wenn es in der Vergangenheit teilweise unterschiedliche Meinungen oder Auffassungen gab, hat Ernst Strasser stets sehr gute Arbeit geleistet. Er ist eine große politische Persönlichkeit in Österreich und ich hoffe, dass seine Ankündigung aus der Politik auszuscheiden nicht endgültig ist, denn er wäre für die höchsten politischen Funktionen in Österreich und in Europa geeignet. Ich danke Ernst Strasser für seine Arbeit im Dienste der österreichischen Bevölkerung und wünsche ihm für seine persönliche und berufliche Zukunft alles Gute“, so der Tiroler Landeshauptmann.
     
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