Konjunkturausblick Neues Europa: Investitionen halten Dynamik weiter hoch
Wien (ba-ca) - War 2003 das Wirtschaftswachstum in den meisten Ländern
der Region noch vom Konsum getragen, hat sich das Bild 2004 stark geändert. Die Investitionen konnten 2004
knapp zur Hälfte des Wirtschaftswachstums von fast 5 Prozent in den NMS8 ) und mehr als 6,5 Prozent in den
Kandidatenländern (CC3) ) beitragen. Ähnliches ist auch 2005/2006 zu erwarten. Dabei rechnet die BA-CA
mit einem U-förmigen Konjunkturverlauf in Zentral- und Osteuropa: 2005 wird der BIP-Anstieg leicht auf 4,3
Prozent in den neuen EU-Mitgliedsländern bzw. auf 4,8 Prozent in den Kandidatenländern absinken und sich
2006 wieder auf 4,5 Prozent bzw. 5,6 Prozent verstärken.
Kräftiges Investitionswachstum und vorsichtige Fiskalpolitik prägen 2005/2006
Die Investitionen werden in den nächsten Jahren - trotz des weitaus geringeren Gewichts - einen ebenso
hohen Beitrag zum Wirtschaftswachstum liefern wie der private Konsum. Das geringe Zinsniveau und positive Geschäftsaussichten
im Zusammenhang mit dem Beitritt zur Europäischen Union wirken unterstützend. Die BA-CA geht davon aus,
dass sich das Investitionswachstum der acht neuen Mitgliedsstaaten 2005/2006 auf durchschnittlich 8 Prozent und
mehr beschleunigen wird. "Die Entwicklung in Polen wird dabei besonders dynamisch ausfallen", prognostiziert
Marianne Kager, Chefökonomin der BA-CA. In Südosteuropa wird sich das Investitionswachstum auch weiterhin
im zweistelligen Bereich bewegen.
Das Wachstum des privaten Konsums, der in den letzten Jahren in den meisten Ländern der Region der bestimmende
Faktor der Wirtschaftsdynamik war, wird dagegen durch die moderate Rückführung des Budgetdefizits in
den neuen Mitgliedsländern auf 4,3 Prozent des BIP 2005 und 3,7 Prozent 2006 gedämpft werden. Im Hinblick
auf den geplanten Beitritt zur Eurozone ist mit einer Fortsetzung der relativ vorsichtigen Fiskalpolitik zu rechnen,
die bereits 2004 zu einer Verringerung des öffentlichen Defizits auf durchschnittlich 4,8 Prozent des BIP
in den neuen Mitgliedsstaaten geführt hat (2003: 5,7 Prozent des BIP).
Restriktivere Fiskalpolitik stützt Preisstabilität
Andererseits wird der vorsichtigere Fiskalkurs den weiteren Rückgang der Inflation unterstützen.
Der Anstieg der Verbraucherpreise, der 2004 durchschnittlich knapp über der 4-Prozent-Marke lag, wird sich
2005 auf 3,5 Prozent und 2006 auf 3 Prozent verringern, wozu ein im Vergleich zum Vorjahr günstigeres externes
Preisumfeld und die anhaltende Stärke der lokalen Währungen beitragen werden. Trotz beeindruckender Fortschritte
bei der Eindämmung der Inflation in Rumänien wird die durchschnittliche Teuerung in den drei Kandidatenländern
jedoch mit 6,6 Prozent 2005 bzw. 5,2 Prozent im Jahr 2006 deutlich höher liegen.
Leistungsbilanzdefizit stabil, aber sinkende Fehlbeträge in Handelsbilanz
Auch 2005/2006 wird sich das Leistungsbilanzdefizit im Durchschnitt der NMS8 bei rund 4,5 Prozent des BIP
bewegen. Fortsetzen werden sich allerdings die strukturellen Verschiebungen in den Teilbilanzen. Seit Beginn der
Ostöffnung hatte die Handelsbilanz als volumenmäßig bedeutendste Teilbilanz den stärksten
Einfluss auf die Entwicklung der Leistungsbilanz. So ging in der Vergangenheit eine Ausweitung des Handelsbilanzdefizits
stets mit einem Anstieg des Leistungsbilanzdefizits einher und umgekehrt. Dabei überstieg der Fehlbetrag im
Güterverkehr regelmäßig die Höhe des Leistungsbilanzdefizits.
"Diese gewohnten Relationen haben sich in den vergangenen beiden Jahren verschoben: Sowohl 2003 als auch 2004
ist das Leistungsbilanzdefizit in den neuen EU-Ländern höher ausgefallen als das Handelsbilanzdefizit",
so Kager. Zudem ist das Leistungsbilanzdefizit gestiegen, während der Fehlbetrag im Güterverkehr auf
geschätzte 3,5 Prozent des BIP gesunken ist und sich damit im Vergleich zum Höchstwert Ende der 90er
Jahre mehr als halbiert hat (1999: 7,6 Prozent des BIP).
Erfolgsgarant Export
Die hohen Zuflüsse von ausländischen Direktinvestitionen im Ausmaß von geschätzten
160 Milliarden Euro ab 1990 bis heute haben wesentlich dazu beigetragen, eine wettbewerbsfähige Exportwirtschaft
zu etablieren. Dies hat in vielen Ländern zur Verringerung der chronischen Handelsbilanzdefizite geführt.
In den vergangenen zehn Jahren haben sich die Euro-Exporte der neuen Mitgliedsstaaten bei einem durchschnittlichen
jährlichen Wachstum von 14 Prozent mehr als verdreifacht. Ungarn und Estland konnten dabei die höchsten
Exportzuwächse verzeichnen, während Slowenien diesbezüglich das Schlusslicht der Region darstellt.
Dennoch haben sich die slowenischen Exporte zwischen 1995 und 2004 verdoppelt.
Die Exporterfolge ermöglichten substanzielle Marktanteilsgewinne in den Ländern der "alten"
EU-15. Der Anteil der neuen Mitgliedsstaaten und der Beitrittskandidaten an den Importen der EU-15 (ohne intra-EU-Handel)
stieg von 8 Prozent im Jahr 1995 auf rund 13,5 Prozent, während im gleichen Zeitraum sowohl die USA als auch
Japan deutliche Marktanteilsverluste hinnehmen mussten. Dabei zeigt sich, dass genau jene Länder die größten
Marktanteilsgewinne erzielen konnten, welche die höchsten Zuflüsse an ausländischen Direktinvestitionen
verzeichnen.
Allerdings hat diese Medaille auch eine Kehrseite: Da Gewinne ausländischer Unternehmen die Einkommensbilanz
belasten, hat sich in den vergangenen Jahren eine kräftige Ausweitung des negativen Saldos dieser Teilbilanz
ergeben. Von knapp 1,5 Prozent des BIP im Jahr 1995 verdoppelte sich der Fehlbetrag auf mehr als 3 Prozent des
BIP im Vorjahr. Ein erheblicher Teil der Gewinne wird jedoch in den Ländern weiter investiert und gibt dem
Wirtschaftswachstum damit langfristig Schwung.
"Mit der Veränderung der strukturellen Zusammensetzung hat sich an den allgemein hohen Leistungsbilanzdefiziten
in Zentral- und Osteuropa nichts geändert und auch auf absehbare Zeit wird das ein Charakteristikum der dynamisch
wachsenden Volkswirtschaften der Region bleiben. Allerdings verlegt sich diesbezüglich das Schwergewicht von
den neuen EU-Mitgliedsländern stärker auf die südosteuropäischen Länder", fasst BA-CA-Chefökonomin
Marianne Kager zusammen. In den drei südosteuropäischen Kandidatenländern betrug das Leistungsbilanzdefizit
2004 im Durchschnitt geschätzte 6,2 Prozent des BIP. Bis 2006 ist ein Anstieg auf 6,8 Prozent des BIP zu erwarten. |