Neues "Christian Doppler-Labor für Proteomanalyse" - Christian Doppler-Gesellschaft
und Institut für Molekulare Pathologie fördern neues Labor am Vienna Bio Center
Wien (cdg) - Nach der Entschlüsselung des Genoms konzentriert sich das Interesse der Forschung
zunehmend auf das "Proteom", die Protein-Ausstattung eines Organismus, und sein Verhalten. Denn es sind
die Proteine, welche fast alle Vorgänge des Lebens steuern. Das Zusammenspiel zehntausender verschiedener
Eiweiße in den Zellen zu ergründen, ist die nächste große Herausforderung. Diesem Ziel hat
sich das neue "Christian Doppler-Laboratorium für Proteomanalyse" verschrieben, das vom Kuratorium
der Christian Doppler-Gesellschaft (CDG) genehmigt wurde und in Kürze seine Arbeit aufnehmen wird.
Eingerichtet wird das CD-Labor am Department für Biochemie der Universität Wien, einem Mitglied der Max
Perutz Laboratorien am Vienna Bio Center (VBC). Industriepartner ist das ebenfalls am VBC situierte Forschungsinstitut
für Molekulare Pathologie (IMP), eine Tochter des Pharmakonzerns Boehringer Ingelheim. Dem Labor - insgesamt
bereits das 38. CD-Labor der Christian Doppler-Gesellschaft - stehen jährlich 500.000 Euro zur Verfügung.
Die aus verschiedenen Aminosäuren aufgebauten Proteine sind die Arbeiter in den Zellen, sie bewerkstelligen
alle Aufgaben, die in und außerhalb der Zelle anfallen. Bei der Erforschung des Proteoms stellen sich dabei
für jedes Protein Fragen wie: Welche Aufgaben hat es in der Zelle? Mit welchen anderen Proteinen arbeitet
es zusammen? Wann und unter welchen Bedingungen wird es gebildet? Wie wird es noch nachträglich verändert?
Ein entscheidendes Verfahren zur Beantwortung dieser Fragen ist die Massenspektrometrie, eine Analysemethode, die
es erlaubt, aus kleinsten Probenmengen die Masse verschiedener Moleküle zu bestimmen und damit Rückschlüsse
auf ihre chemische Struktur zu ziehen.
Massenspektrometrie "Nobelpreiswürdige Analysemethode"
Im Jahr 2002 wurden der US-Forscher John Fenn und der Japaner Koichi Tanaka für die Entwicklung neuer
Methoden zur Analyse großer Biomoleküle mit dem Chemie-Nobelpreis geehrt. Sie haben die Massenspektrometrie
so weiterentwickelt, dass damit auch Proteinfragmente bzw. ganze Proteine analysiert werden können. Nun soll
in dem neuen CD-Labor das Verfahren so optimiert werden, dass auch die dynamischen biologischen Vorgänge in
der Zelle untersucht werden können.
"Unser Ziel ist es, quantitative Methoden zur Massenspektroskopie auszuarbeiten, die dazu geeignet sind, die
genaue Zusammensetzung und den Zustand von Multiproteinkomplexen und den mit ihnen wechselwirkenden Partnerproteinen
zu bestimmen", erklärte der Leiter des neuen CD-Labors, Univ.-Prof. Dr. Gustav Ammerer. Das ist nicht
einfach, denn die Proteine sind nicht nur ungebunden und frei beweglich in der Zelle zu finden, sondern gehen komplizierte
Wechselwirkungen und Verbindungen ein - manche Forscher sprechen sogar von einem "sozialen Verhalten"
der Proteine.
Soziales Verhalten der Proteine
Um funktionierende Werkzeuge zu formen, schließen sich mehrere Proteine in dynamischer und komplizierter
Weise zusammen. So entstehen regelrechte Proteinmaschinerien für die verschiedenen biologischen Prozesse.
Zusätzlich werden oft noch chemische Veränderungen an den Proteinmolekülen vorgenommen, etwa durch
Anfügen von Phosphat-, Methyl- oder Acetylgruppen, die bestimmen, mit welchen Partnern dieses Eiweiß
dann interagieren kann.
Die Wissenschafter am CD-Labor wollen nun wissen, wieviel des Gesamtproteins einer Zelle frei vorhanden ist, wieviel
davon in Proteinkomplexen eingebunden ist, wie das Verhältnis der verschiedenen Komponenten zueinander ist,
und wie es sich ändert, wenn sich beispielsweise eine Zelle differenziert oder veränderten Umweltbedingungen
ausgesetzt ist. Und sie wollen feststellen, welche chemischen Gruppen zu welcher Zeit an ein Protein angehängt
werden und welche Funktionen diese Anhängsel dann haben.
Ein Problem, mit dem die Wissenschafter dabei konfrontiert werden ist, dass es sich um überaus dynamische
Systeme handeln kann. Viele wichtige Wechselwirkungen sind nur flüchtiger Natur und von relativ schwacher
Bindung bestimmt. Um ein möglichst realistisches Bild dieser Prozesse zu erhalten, sollen an dem neuen CD-Labor
die massenspektroskopischen Methoden so verbessert werden, dass entsprechende Messungen mit weniger Material, dafür
häufiger und trotzdem mit erhöhter relativer Genauigkeit durchgeführt werden können.
Labor-Leiter Ammerer geht dabei primär von zwei biologischen Fragestellungen aus, die auch schon bisher Schwerpunkte
der Arbeit des Uni-Instituts und des IMP waren: einerseits die Untersuchung von Stressantworten und Wachstumssignalen
von Zellen, andererseits die Frage, wie bestimmte Proteinkomplexe das Teilungs- und Entwicklungsmuster von Zellen
beeinflussen (z.B wie wird bestimmt, ob eine Zelle zur Haut- oder Nervenzelle wird?).
Medikamentenentwicklung als Fernziel
Solche Fragestellungen sind nicht nur für die biologische und biomedizinische Grundlagenforschung
von zentraler Bedeutung, der sich das CD-Labor primär widmen wird. Auch die pharmazeutische Forschung interessiert
sich brennend dafür, entstehen doch viele Krankheiten, wenn das Wechselspiel der Proteine gestört ist
oder Eiweiß-Stoffe nicht in der richtigen Menge zur Verfügung stehen.
Massenspektroskopische Methoden können hier zur Identifizierung neuer potenzieller Zielmoleküle für
die Medikamentenentwicklung (drug targets) eingesetzt werden. Umgekehrt ist es denkbar, dass diese Analyse-Methoden
auch vermehrt dazu verwendet werden, die Wirkungen von pharmazeutischen Wirkstoffen auf Protein-Ebene zu untersuchen,
um dadurch möglichen Nebenwirkungen auf die Spur zu kommen.
Die Christian Doppler-Gesellschaft
Die Christian Doppler-Gesellschaft (CDG) hat eine in Österreich einzigartige Position zwischen Wissenschaft
und Wirtschaft. Ihr vorrangiges Ziel ist die Förderung der anwendungsorientierten Grundlagenforschung. Dazu
werden nach Begutachtung im Rahmen eines Peer-Review-Verfahrens vor allem an Universitäten CD-Laboratorien
für maximal sieben Jahre eingerichtet. Die Finanzierung der einzelnen CD-Labors erfolgt durch die CDG, die
wiederum ihre Mittel je zur Hälfte von den Mitgliedsfirmen und öffentlichen Fördergebern, allen
voran dem Wirtschaftsministerium, bezieht.
Das Forschungsinstitut für molekulare Pathologie (IMP)
Das IMP betreibt in Wien Grundlagenforschung für den internationalen Firmenverband Boehringer Ingelheim.
Seit 1988 bildet es den Kern des heutigen Campus Vienna Biocenter. Mit über 200 Mitarbeitern aus 28 Nationen
widmet sich das IMP der Aufklärung von molekularen Vorgängen bei der Entwicklung von Organismen und der
Entstehung von Krankheiten. |