Gedanken zur Bedeutung des österreichischen Widerstands
Wien (pk) - In Abrundung der wissenschaftlichen Tagung zum Thema "Widerstand in Österreich
1938-1945" kam am Mittwoch (19. 01.) Abend eine Gruppe von Wissenschaftlern und Zeitzeugen zu einer Podiumsdiskussion
zusammen, um die zuvor in den Vorträgen und Referaten aufgeworfenen Fragen einer eingehenden und vertiefenden
Debatte zu unterziehen.
Die wissenschaftliche Leiterin des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstandes Brigitte Bailer-Galanda
wies darauf hin, dass derzeit ein Projekt zur namentlichen Erfassung der Opfer des Widerstandes durchgeführt
werde, sodass man hoffe, bald konkrete Daten und Zahlen zu diesem Thema vorlegen zu können.
Sodann ging sie auf die Widerstandsrezeption in der Zweiten Republik ein. Dabei sei festzustellen, dass die Republik
lange Zeit einen sehr engen Widerstandsbegriff hochhielt, wodurch viele Personen nach dem Opferfürsorgegesetz
nicht anerkannt wurden. Zudem sei bemerkenswert, dass die Politik bei jeder Maßnahme, die zugunsten der Opfer
gesetzt wurde, auch den ehemaligen Nationalsozialisten Bonitäten zukommen ließ. Schließlich betonte
Bailer-Galanda, dass die Widerstandsforschung unterfinanziert sei und hier entsprechende Verbesserungen wünschenswert
wären.
Kurt Scholz, Restitutionsbeauftragter der Stadt Wien, ging darauf ein, wie sich die Thematik Widerstand an den
Bildungseinrichtungen der Republik durchgesetzt habe. Hier könne man von einer Erfolgsgeschichte sprechen,
wofür nicht unmaßgeblich das DÖW und sein Gründer Herbert Steiner sowie das Engagement der
Zeitzeugen verantwortlich gewesen seien. Zudem habe die österreichische Politik Worte zu diesem Thema gefunden
habe, die einen stolz machten.
Bei den Taten sehe es freilich noch etwas "durchwachsen" aus, sodass gesagt werden müsse, hier könne
weit mehr geschehen. Konkret kritisierte Scholz, dass die Arbeit des DÖW von der Politik in völlig ungenügender
Weise finanziell unterstützt werde. Nur 0,002 Prozent des heimischen Bildungsbudgets würden für
das Dokumentationsarchiv aufgewendet, hier müsse also dringend eine Kurskorrektur vorgenommen werden, forderte
Scholz.
Der Verleger Fritz Molden ging auf sieben Jahre des Kampfes um die Freiheit und die Wiedererrichtung Österreichs
ein und dankte allen an dieser Veranstaltung Beteiligten für ihre Arbeit und Mühe. Die Widerstandskämpfer
seien keine Opfer, sondern vielmehr Täter gewesen, denn sie wollten etwas tun, um den NS-Terror zu beenden.
Hier müsse man also zwischen den Opfern der Nazis und jenen, die aktiv gegen den Nationalsozialismus gekämpft
hätten, unterschieden werden.
Der Widerstand, den er kennen gelernt habe, sei keineswegs parteipolitisch motiviert gewesen, vielmehr sei man
von dem Willen getragen gewesen, "Hitler loszuwerden". Dieser aktive Widerstand habe zwei Phasen gehabt:
jene der Wut und der Verzweiflung über den Anschluss und jene, die der Moskauer Deklaration zu verdanken sei,
durch die man wieder Hoffnung schöpfen und glauben durfte, man könne einen Beitrag zur Befreiung leisten.
Sektionschef Bernhard Stillfried schilderte seine Erfahrungen in der Zeit des Nationalsozialismus und ging dabei
besonders auf die Aktivitäten seines Vaters ein, der aktiv Widerstand geleistet und sich für die Wiedererrichtung
Österreichs eingesetzt habe, wofür er auch entsprechend verfolgt worden sei. Besonders setzte sich Stillfried
dabei mit den Ereignissen des Juli 1944 in Wien und mit der Gründung der O5 auseinander, wobei er auch die
Rolle seines Onkels würdigte.
General Hubertus Trauttenberg fokussierte auf die Rolle der österreichischen Armee zu Beginn des Jahres 1938.
Das Bundesheer wäre zum Widerstand gegen die Deutschen bereit gewesen, wenn die Politik diesen zugelassen
hätte. Einem solchen Widerstand wäre eine wichtige Bedeutung zugekommen, wie auch den Aussagen von Admiral
Canaris zu entnehmen sei.
Weiters thematisierte Trauttenberg den militärischen Widerstand während des Juli 1944 und im Rahmen der
O5. Der Widerstand des Militärs gipfelte dabei in den Handlungen zu Kriegsende, so namentlich in Wien, in
Innsbruck und in der Steiermark. Die Republik habe fast 60 Jahre gebraucht, um diesen Widerstand anzuerkennen,
beklagte der General. Erst jetzt habe man Oberstleutnant Robert Bernardis ein Denkmal gesetzt und nach Major Carl
Szokoll einen Hof im Verteidigungsministerium benannt.
Gerhard Vogl sprach gleichfalls über den militärischen Widerstand und warf dabei die Frage auf, weshalb
sich das Heer nach 1945 so schwer getan habe, die Aktivitäten von Bernardis, Szokoll und anderen entsprechend
zu würdigen. Dabei wies Vogl auf die besonderen Schwierigkeiten hin, vor denen der militärische Widerstand
von österreichischer Seite gestanden sei. Es sei zu hoffen, dass im Bundesheer künftig mit Aspekten des
Widerstandes offener umgegangen werde.
Steiner: Tagung war klares Bekenntnis der Republik zum Widerstand
Botschafter a.D. Ludwig Steiner würdigte in seiner abschließenden Rede das Symposion als klares Bekenntnis
der Republik zum Widerstand und als Ausdruck des Respekts gegenüber den Frauen und Männern, die diesen
Widerstand getragen haben; ein so klares Bekenntnis habe es in den 60 Jahren der II. Republik noch nicht gegeben.
Die Diskussion über dieses Thema könne damit aber nicht abgeschlossen sein, sondern müsse weiter
geführt werden. Dafür müssten allerdings die Voraussetzungen - auch materieller Art - geschaffen
und eingefordert werden, betonte Steiner.
Steiner nannte dann einige Punkte, die weiterer Betrachtung bedürften: So habe die Haltung der Staatenwelt
beim Anschluss Österreichs an Hitlerdeutschland bei vielen Österreichern den Eindruck hinterlassen, das
Großdeutsche Reich habe Österreich und später das Sudetenland "legal erworben" und "die
ganze Welt" habe das so zur Kenntnis genommen. Weiter zu untersuchen gelte es auch, weshalb keine wirkliche
Exilregierung zu Stande gekommen sei. Schließlich müsse man bedenken, dass man vor dem Jahr 1938 ansetzen
müsse, nämlich beim Jahr 1918 und den Umständen, unter denen die Republik entstanden sei.
Der Weg zum heutigen österreichischen Selbstverständnis sei weit gewesen, sagte Steiner. Es gehe darum,
"die Dinge darzustellen, wie sie sind", bei moralischen Bewertungen aber Zurückhaltung zu üben. |