Kardinal Schönborn: "Solidarität verbindet alle"  

erstellt am
20. 01. 04

Wiener Erzbischof betont bei Interreligiöser Gedenkstunde für die Tsunami-Opfer das "hoffnungsvolle Zeichen" der Solidarität der "Menschheitsfamilie"
Wien (stephanscom.at) - Es sei ein "hoffnungsvolles Zeichen", dass nach der Flutkatastrophe in Südasien so etwas wie "Menschheitsfamilie" spürbar geworden ist, betonte Kardinal Christoph Schönborn am Mittwoch (19. 01.) bei der Interreligiösen Gedenkstunde im Redoutensaal der Wiener Hofburg. Wörtlich sagte der Wiener Erzbischof, der bei seiner Indonesien-Reise selbst die Not der Tsunami-Opfer in Aceh erlebt hatte: "Allen Opfern gilt unser Gedenken, allen Hinterbliebenen unser herzliches Beileid. Nun verbindet die Solidarität alle. Möge es so bleiben! Dass nicht gleich wieder örtliche, religiöse, politische oder wirtschaftliche Interessen und Konflikte die Oberhand gewinnen und die Solidarität abbröckeln lassen".

Kardinal Schönborn nahm bei der Gedenkfeier auch zu der viele Menschen bewegenden Frage Stellung, wie Gott ein solches Unglück habe zulassen können. In diesem Zusammenhang betonte der Kardinal: "Ich habe in Banda Aceh viel Leid und die unvorstellbare Verwüstung gesehen. Diese Frage habe ich von den Überlebenden im Spital, in den Begegnungen, nicht gehört. Ist es die andere Lebenseinstellung der Menschen dort? Ich weiß es nicht. Ich weiß auch nicht, ob es eine wirklich schlüssige Antwort auf die Frage gibt: Warum das Leid? Oft ist das Verstummen, das stille Mitgefühl die einzig passende Haltung angesichts großen Leides".

Er habe in Banda Aceh zwei der Nachbeben erlebt, berichtete der Wiener Erzbischof. Dort sei ihm die Zerbrechlichkeit und Gefährdung der Erde und des Lebens in neuer Weise bewusst geworden; viel zu oft werde vergessen, "dass wir nur Gast auf Erden sind".

Abschließend sagte Kardinal Schönborn: "Pilger sind gemeinsam auf dem Weg zum großen Ziel. Sie helfen einander. Sie teilen Freude und Leid. Möge die Welle der Solidarität, des tätigen Mitgefühls, die in diesen Tagen die Welt erfasst hat, nicht verebben".

Gleixner: Zusage der Präsenz Christi gilt auch jetzt
Die Vorsitzende des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ), Oberin Christine Gleixner, erinnerte daran, dass Christen seit dem 26. Dezember auf vielfache Weise an der Flutkatastrophe Anteil genommen, gebetet und gespendet hätten. Auch die 14 christlichen Kirchen in Österreich wollten in der Gedenkstunde ihre tiefe Trauer ausdrücken und sich zur weltweiten Solidarität bekennen
- getragen von der Gewissheit, die der auferstandene Christus im Matthäusevangelium zugesagt habe: "Ich bin bei euch alle Tage, bis zum Ende der Welt".

Die Fürbitten leitete der evangelisch-lutherische Bischof Herwig Sturm ein. Gesprochen wurden sie von Repräsentanten der im ÖRKÖ vertretenen Kirchen, eingeleitet jeweils von einer vom früheren methodistischen Superintendenten Helmut Nausner verlesenen Seligpreisung aus der Bergpredigt; es sprachen der russisch-orthodoxe Bischof Hilarion, der serbisch-orthodoxe Bischofsvikar Drago Govedarica, der bulgarisch-orthodoxe Bischofsvikar Iwan Petkin, der altkatholische Bischof Bernhard Heitz, der syrisch-orthodoxe Chorbischof Emanuel Aydin, Sally Wells von der anglikanischen Kirche, der rumänisch-orthodoxe Bischofsvikar Nicolae Dura, Thomas Hennefeld von der evangelisch-reformierten Kirche, P. Avedis Sahakyan von der armenisch-apostolischen Kirche. Der koptisch-orthodoxe Bischof Mar Gabriel rezitierte das Vaterunser, der griechisch-orthodoxe Metropolit Michael Staikos schloss mit der Bitte um Gottes Erbarmen die Reihe der christlichen Vertreter.

Auch Vertreter der buddhistischen, jüdischen und islamischen Glaubensgemeinschaften gedachten mit Gebeten und Fürbitten der Toten. Oberrabbiner Chaim Eisenberg zitierte eine Szene aus der Genesis, in der das Meer und das Wasser als Leben spendende und zugleich zerstörerische Kraft dargestellt werden. Der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, Anas Schakfeh, betonte, dass keine Gedenkstunde und kein Gebet die Katastrophe ungeschehen machen könnten, dennoch habe die Versammlung in der Hofburg eine große Bedeutung: Die hier versammelte "solidarische Familie" in Österreich könne als Zeichen verstanden werden, Weltverantwortung und Hilfsbereitschaft in den Vordergrund zu rücken.

Fischer würdigt Gleixner
Sehr persönliche Worte fand auch Bundespräsident Heinz Fischer: Auf die Frage nach dem "Warum" gebe es angesichts der Katastrophe keine Antwort, es gebe nur das Vertrauen und die Hoffnung darauf, "dass die Zeit den Schmerz des Abschieds in dankbare Erinnerung verwandeln wird". Umso mehr gelte es jetzt "zusammenzurücken und einander beizustehen". Das gelte sowohl für Österreich als auch für die von der Flutkatastrophe betroffenen Länder, wo alles wieder aufgebaut werden müsse.

Ausdrücklich würdigte Fischer auch Oberin Christine Gleixner, die Vorsitzende des Ökumenischen Rates der Kirchen, die die Anregung für diese Gedenkstunde gegeben hatte.

"Nicht der Tod, sondern ewige Hoffnung hat das letzte Wort": Dieses Bekenntnis legte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel ab. Man sei in der gemeinsamen Trauer und im gemeinsamen Gebet bei den Menschen, die Angehörige verloren haben. Die Trauer sei grenzenlos, Menschen aller Kulturen seien betroffen. Grenzenlos sei auch die Solidarität, mit der man versuchen werde, die zerstörte Infrastruktur wieder aufzubauen. Besonders berührend sei auch die Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft jener Menschen in den betroffenen Gebieten gewesen, die selbst alles verloren hatten und trotzdem noch anderen halfen, so der Bundeskanzler.

An der Gedenkveranstaltung nahmen die Bundesregierung, Mitglieder des Nationalrats, des Bundesrats und die Landeshauptleute teil. Auch die Botschafter der betroffenen Länder sowie Vertreter von NGOs waren anwesend. Unter den Gästen waren zudem Angehörige der Opfer und das gesamte Diplomatische Corps mit dem Apostolischen Nuntius, Erzbischof Georg Zur, an der Spitze.
     
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