Verfassung: Kirchen legen Präambel-Entwurf mit Gottesbezug vor  

erstellt am
31. 01. 05

Oberin Gleixner präsentiert im Konventsplenum den von allen Kirchenleitungen gebilligten Textvorschlag
Wien (stephanscom.at) - Die christlichen Kirchen haben nun offiziell einen gemeinsamen Textvorschlag für einen Gottesbezug in der Präambel einer neuen österreichischen Bundesverfassung vorgelegt. Der Text wurde in der "Ökumenischen Expertengruppe" zum Verfassungskonvent erarbeitet und von den Kirchenleitungen bereits gebilligt. Die Vorsitzende des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich, Oberin Christine Gleixner, die Mitglied des Verfassungskonvents ist, legte den Text am Freitag (28. 01.) beim Konventsplenum vor.

Der Entwurf der Kirchen für eine Präambel lautet: "Wir, die Bürgerinnen und Bürger Österreichs in den Ländern Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol, Vorarlberg und Wien geben uns in den kulturellen, religiösen und humanistischen Traditionen Österreichs, in Erkenntnis der Grenzen menschlicher Macht und der Freiheit des Gewissens, in Verantwortung vor Gott, vor den Menschen und vor der Schöpfung, in freier Selbstbestimmung und kraft unserer verfassungsgebenden Gewalt als Fundament für die demokratische Regierungsform, für die Rechtsstaatlichkeit und die Bundesstaatlichkeit unserer Republik diese Bundesverfassung: ...".

"Textvorschlag grenzt niemanden aus"
Die "nach wie vor gegenwärtige" Erinnerung an manche "wenig sensible Anrufungen" des Gottesnamens in der Zwischenkriegszeit verleihe der Frage eines Gottesbezugs in der Verfassung ein hohes Maß an Sensibilität, betonte Oberin Gleixner im Gespräch mit "Kathpress". Die Ökumenische Expertengruppe empfehle "in Würdigung der unleugbar christlichen Geschichte Österreichs" den Gottesbezug in einer Form, "die es jedem ermöglichen sollte, sich ungeachtet seiner Weltanschauung mit einer solchen Verfassungspräambel zu identifizieren".

Der vorgeschlagene Text verletze keineswegs die religiöse Neutralität der Verfassung, sondern resultiere aus der Verpflichtung des politischen Gemeinwesens, in religiös-weltanschaulichen Fragen nicht Partei zu sein, stellte Christine Gleixner fest. Ein Konzept, das die "totale Ausgrenzung des Religiösen" als Voraussetzung neuzeitlicher Staatlichkeit sieht, "sollte wohl der Vergangenheit angehören". Die notwendige institutionelle Trennung von Staat und Kirche dürfe gerade nicht zum Abdrängen religiöser Aktivitäten aus dem öffentlichen Raum führen. Ein Staat, der in altliberaler Berührungsangst vor der religiösen Dimension seine Neutralität "zu Ungunsten der Religion" aufgibt, sei nicht neutral, "sondern zu Lasten von Religion parteiisch".

Der erste Teil des von den Kirchen vorgeschlagenen Textes trage nicht nur den religiösen Strömungen Rechnung, sondern beziehe sich ausdrücklich auch auf die humanistischen Traditionen der Aufklärung. Christine Gleixner verwies darauf, dass dieser Textteil wörtlich dem ersten Halbsatz der Präambel der neuen EU-Verfassung entspricht. Der zweite Teil erwähne die Grenzen menschlicher Macht, die jedem Demokraten ein Anliegen sein müssen. Aus dieser Erwägung sei eine solche Formel auch einstimmig in den neuen Verfassungsentwurf des Kantons Zürich aufgenommen worden. Der dritte Teil rufe den Bürger in eine dreifache Verantwortung gegenüber Gott, der mitmenschlichen Gemeinschaft und der Schöpfung.

Der Textvorschlag der Kirchen entspreche der Verfassungstradition und der Realverfassung Österreichs, grenze niemanden aus und stille die Sehnsucht jener vielen Menschen, "die davon ausgehen, dass an Gottes Segen alles gelegen ist", betonte die Vorsitzende des Ökumenischen Rates.

"Geeignete Grundlage, aber Mankos"
In ihrer Wortmeldung beim Konventsplenum ging Christine Gleixner im Namen der Ökumenischen Expertengruppe ausführlich auf den Verfassungs-Entwurf von Konvents-Präsident Franz Fiedler ein. Dieser sei, so Gleixner, eine geeignete Grundlage für weitere Beratungen, obwohl die Kirchen dem Entwurf in einigen wichtigen Passagen inhaltlich nicht zustimmen könnten. So bleibe der Fiedler-Entwurf im Bereich der Grundrechte in einzelnen Punkten hinter dem erzielten Konsens im zuständigen Ausschuss zurück. Insbesondere sei die Einigung der Sozialpartner zu wesentlichen sozialen Grundrechten nicht aufgenommen worden.

Bei den Volksgruppenrechten habe Einhelligkeit über Grundsätze bestanden, erinnerte Christine Gleixner. Diese Grundsätze fehlten aber jetzt im Entwurf. Der Abschnitt scheine eher die Entwicklung der letzten Jahre zu verdrängen statt die österreichische Wirklichkeit zukunftweisend zu gestalten.

Fehlende Rechte der Kirchen
Im Namen der Ökumenischen Expertengruppe kritisierte Oberin Gleixner auch das Fehlen staatskirchenrechtlich verbürgter Rechte der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften im Entwurf. Das betreffe den Status der Kirchen und Religionsgemeinschaften als Körperschaften öffentlichen Rechts, die Rechte des konfessionellen Privatschulwesens und dessen Förderung sowie den Religionsunterricht und die damit zusammenhängenden Bildungs- und Schulfragen.

Gleixner unterstrich die Bereitschaft der Kirchen, die begonnenen "transparenten Beratungsvorgänge" mit der Politik fortzusetzen. Das Angebot, dies in einer dem Art. 52, Abs. 3 der Europäischen Verfassung nachgebildeten Bestimmung zu verankern, habe bisher keine Mehrheit gefunden, sollte aber in den parlamentarischen Beratungen "wieder erwogen" werden, so Gleixner.

Die Ökumenische Expertengruppe werde auch den parlamentarischen Prozess zur Reform der Bundesverfassung begleiten und dabei das Wort ergreifen, "ob gelegen oder ungelegen", kündigte die Vorsitzende des Ökumenischen Rates der Kirchen an. Die Kirchen würden zwar auch ihre eigenen Belange ansprechen, sie wollten aber vor allem "für jene sprechen, die keine Stimme haben oder deren Stimme in der Politik nicht ausreichend gehört wird". Die Beiträge der Kirchen würden sich in erster Linie auf die Grundwerte beziehen, die Staatsziele und -aufgaben, die Grundrechte, insbesondere die sozialen Grundrechte, die individuellen und korporativen Religionsrechte, das Asylrecht und das Volksgruppenrecht sowie die Grundrechte in Schule und Bildung.
     
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