Buchpräsentation im Vorarlberger Landesarchiv
Bregenz (vlk) - Das Vorarlberger Landesarchiv startete am Mittwoch (26. 01.) ins österreichische
Jubiläumsjahr. Viele Geschichtsinteressierte, darunter LTP Gebhard Halder, folgten der Einladung zur Buchpräsentation
von Peter Melichar. Der Autor ist Historiker und Lektor am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte
der Universität Wien und forschte im Auftrag der Österreichischen Historikerkommission. Ein Ergebnis
dieser Forschungen ist die Studie über Vermögensentziehungen und Rückstellungen in Vorarlberg.
Wie Melichar berichtete, kam es während der NS-Diktatur
auch in Vorarlberg zu Verfolgungen und Vermögensentziehungen. Vorarlberger Unternehmen waren aktiv und passiv
an Enteignungen und Arisierungen beteiligt. Melichar erörterte auch regionale Besonderheiten, etwa die Schweizer
Firma Wild in Heerbrugg, die Firma Ferdinand Scheffknecht in Lustenau oder das Schmelzkäsewerk der Firma
Rupp, das im Juni 1938 an die Bauerngenossenschaft Alma verkauft wurde.
Die Firma Wild beschloss 1938 ihren Zweigbetrieb in Lustenau aus wirtschaftlichen Gründen zu verkaufen. Sie
stieß auf das Problem, dass sie weder verkaufen konnte, an wen sie wollte, noch einen entsprechenden Preis
für den Betrieb erzielen konnte. Die Firma war gezwungen, weit unter dem Wert an eine bestimmte deutsche Firma
zu verkaufen. Ein zweiter Fall betraf die Firma Ferdinand Scheffknecht in Lustenau, die ihrem Eigentümer auf
Grund wirtschaftskrimineller Machenschaften (Devisenvergehen, Steuerhinterziehung, Betrug in relativ großer
Höhe) entzogen wurde. Interessant war die Tatsache, so Melichar, "dass Scheffknecht die Firma entzogen
wurde, obwohl er bereit gewesen wäre, seine Schulden zu tilgen." Der dritte Fall zeigte deutlich, so
Melichar, wie schwierig es war, entzogenes Eigentum zurückzubekommen. Dem Antragsteller Josef Rupp wurde nach
drei Jahren von der obersten Rückstellungskommission bestätigt, dass es sich um keinen "redlichen
Erwerb", sondern um eine Vermögensentziehung gehandelt habe.
Laut Melichar wurden von den etwas über 4.000 auf dem Gebiet des heutigen Österreich arisierten Betrieben,
mit wenigen Ausnahmen, alle im Rahmen eines Restitutionsverfahrens behandelt. Tatsächlich mussten alle Personen,
die ihr entzogenes Eigentum wieder zurückbekommen wollten, das Risiko und die Kosten eines Verfahrens, das
sich oft über Jahre hinzog und die unternehmerische Handlungsfähigkeit beeinträchtigten oder gar
lähmte, auf sich nehmen, so Melichar.
Es sage viel über eine Gesellschaft aus, wie sie mit ihrer Geschichte umgeht, betonte Melichar abschließend.
Er erinnerte daran, "dass es, vor Einsetzung der Historikerkommission, häufig wissenschaftliche Außenseiter
waren, die sich mit der NS-Geschichte auseinander gesetzt haben. Das war auch in Vorarlberg nicht anders."
Aus der Sicht Melichars machten sie den von unerträglicher Verstockung gekennzeichneten Umgang mit der Vergangenheit
irgendwie erträglicher. |