Erklärung von Bundeskanzler Schüssel
Wien (pk) - Im Anschluss an die Aktuelle Stunde zum Thema Bildungspolitik gab Bundeskanzler Wolfgang
Schüssel eine Erklärung zur Regierungsumbildung ab: Ursula Haubner folgt auf Herbert Haupt als Sozialministerin,
Abgeordneter Sigisbert Dolinschek übernimmt das Amt eines Staatssekretärs im Sozialministerium.
Bundeskanzler Dr. SCHÜSSEL dankte vorerst dem scheidenden Sozialminister Haupt für seine „Weichenstellungen
seit dem Jahr 2000“. Er listete die Erfolge Haupts auf: die Valorisierung des Pflegegeldes, die erstmals seit acht
Jahren erfolgt, das Kindergeld für alle Österreicher drei Jahre hindurch, das bundeseinheitliche Tierschutzgesetz
bis hin zur Behindertenmilliarde und die Pensionssicherungsreform. Haupt habe sich nie geschont und müsse
jetzt ein bisschen „auf sich schauen“. Unter dem Beifall der Abgeordneten aller Fraktionen wünschte ihm der
Regierungschef alles Gute und viel Glück.
Mit Ursula Haubner sei eine bewährte Sozialpolitikerin Ministerin und mit Sigisbert Dolinschek ein langjähriger
Verhandler und Sozialsprecher Staatssekretär geworden. Beide seien Politiker mit Handschlagqualität und
alle Abgeordneten könnten mit ihnen zusammen arbeiten.
Abgeordneter Dr. GUSENBAUER (S) stellte die Frage, welches Regierungsmitglied als Nächstes die Regierung
verlassen werde: Ministerin Gehrer, die einen Bildungsstillstand beschworen habe, oder Minister Grasser, bei dem
man sich frage, wann er in den letzten sechs Monaten die Wahrheit gesagt habe. Der positiven sozialpolitischen
Bilanz, die Schüssel gezogen hat, konnte sich Gusenbauer nicht anschließen, immerhin suchen über
350.000 Menschen Arbeit, 300.000 Menschen leben in Armut und 58 Belastungsmaßnahmen trafen die Bevölkerung.
Eine „Bilanz der sozialen Kälte“ wurde aufgebaut, schloss der Sprecher und meinte zudem, jeder „Meilenstein“
sei ein „Stolperstein“ für die Lebensqualität und die Einkommen gewesen. Wenn es schon Änderungen
in der Regierung gebe, dann sollten diese auch zu einem Umdenken und zur Beendigung der Politik der sozialen Kälte
führen, so Gusenbauer.
Abgeordneter Mag. MOLTERER (V) dankte gleichfalls Herbert Haupt, der aus gesundheitlichen Gründen sein
Amt zurückgelegt habe. Auch er betonte, Haupt habe sich nicht geschont und habe es sich und auch den anderen
nicht leicht gemacht. Dank seiner Durchschlagskraft sei die BSE-Krise gut bewältigt worden. Zu der Kritik
von Gusenbauer an der Sozialpolitik meinte Molterer, mit der Pensionsreform habe man die Lasten auf Alt und Jung
verteilt, zudem habe man die Altersvorsorge auf drei Säulen gestellt: 1,3 Millionen Arbeitnehmer können
die Abfertigung neu in Anspruch nehmen, 360.000 Österreicher zahlen in eine Pensionskasse ein und 450.000
Österreicher haben sich für die Zukunftsvorsorge, die moderne Form der eigenen Altersvorsorge, entschieden.
An diesem Weg werde man auch in Zukunft festhalten. Das sozialdemokratische sozialpolitische Konzept stamme aus
der Vergangenheit und entspreche daher nicht den modernen Gegebenheiten.
Abgeordnete Dr. GLAWISCHNIG (G) sprach die „vorläufige Bilanz von ÖVP und FPÖ“ auf der Regierungsebene
in den letzten fünf Jahren an: 3 Verkehrsminister, 3 Sozialminister, 3 Justizminister, 3 Vizekanzler. Eine
kontinuierliche Arbeit und soziale Gerechtigkeit gebe es nicht. Auch kritisierte sie, dass sich die Situation der
Frauen nicht verbessert habe. Im Zusammenhang mit der Flutkatastrophe kündigte die Rednerin einen Entschließungsantrag
betreffend Absetzbarkeit von Spenden an und hoffte, dass er die Mehrheit finden möge, zumal F-Abgeordneter
Walch und auch Nationalratspräsident Khol dieses Anliegen befürworten.
Abgeordneter SCHEIBNER (F) gab bekannt, Haupt werde nicht in den Ruhestand treten, sondern auch in Zukunft
werde man mit ihm in der Politik rechnen können. Auch Scheibner dankte Haupt, der – so der Redner – mit dem
Kinderbetreuungsgeld einen Meilenstein in der Familienpolitik gesetzt habe, für Behinderte mehr als die SPÖ
gemacht habe, das Pflegegeld spürbar erhöht habe und gemeinsam mit dem Sozialsprecher der FPÖ Sigisbert
Dolinschek ein „faires und harmonisiertes Pensionssystem“ geschaffen habe. Einmal mehr wies Scheibner darauf hin,
dass – in Anspielung auf die Ausführungen von Gusenbauer – deshalb kein einheitliches System zu Stande gekommen
sei, weil sich die SPÖ weigerte, mitzustimmen, dass die ÖBBler nicht mehr mit 47 Jahren in Pension gehen
können.
Vizekanzler GORBACH unterstrich, das neue Führungsteam im Sozialressort brauche keine Vorschusslorbeeren,
denn man wisse, dass beide ein soziales Herz haben. Mit Ursula Haubner gebe es eine Frontfrau, die Menschlichkeit,
Sensibilität und Durchsetzungskraft mitbringe. Der Sozialpolitiker Dolinschek werde sie unterstützen;
dieses Duo werde die Sozialpolitik auch weiterhin zu einer Vorzeige-Sozialpolitik machen, zeigte sich Gorbach überzeugt.
Mit Herbert Haupt verlasse ein langjähriger Spitzenpolitiker die „oberste politische Liga“. Er werde weiterhin
„mitspielen“, wenn man ihn braucht, betonte der Vizekanzler.
Abgeordnete SILHAVY (S) meinte, auch in der Sozialpolitik werde keine Frauenpolitik gemacht, die ältere
Generation und die jüngeren Menschen werden von der Regierung in Stich gelassen. Einer solchen Politik könne
die SPÖ nicht folgen, so die S-Sozialsprecherin. Sie warf der Regierung auch vor, dialogunfähig zu sein
und keine zukunftsweisende moderne Sozialpolitik zu betreiben.
Abgeordneter NEUGEBAUER (V) zeigte sich überzeugt, dass es mit einer Ministerin Haubner möglich
sein werde, Maßnahmen für die Schwerarbeiter im Rahmen der Pensionsreform zu treffen und über die
Vereinbarkeit von Familie und Beruf beraten zu können. Außerdem wolle man das soziale Netz enger knüpfen
und der Schattenwirtschaft den Kampf ansagen. Herbert Haupt attestierte Neugebauer u.a. soziales Engagement.
Abgeordneter ÖLLINGER (G) meinte, er wolle Haupt dessen Engagement nicht absprechen, seit einem Jahr
habe der nun abgelöste Sozialminister aber keinerlei Initiativen mehr gesetzt, die freiheitliche Sozialpolitik
sei kläglich gescheitert. Auf der einen Seite werden nun großen Konzernen die Auslandsschulden erlassen,
auf der anderen Seite besteuert diese Regierung aber das Trinkgeld der Kellner, brachte Öllinger seine Kritik
auf den Punkt.
Abgeordnete Dr. PARTIK-PABLE (F) bezeichnete die kritischen Bemerkungen Gusenbauers als "Pflichtübung
eines erfolglosen Oppositionspolitikers" und meinte überdies, einsamer Rekordhalter bei Ministerwechseln
bleibe nach wie vor die SPÖ, die allein in der Ära Vranitzky mehr als 20 Regierungsmitglieder "verbraucht"
habe. Die Rednerin dankte Herbert Haupt vor allem für sein Engagement in der Behindertenpolitik und stellte
fest, auch in diesem Bereich habe sich der Minister positiv von seinen SP-Vorgängern im Sozialressort unterschieden.
Bundesministerin HAUBNER kündigte an, den von Haupt vorgezeichneten Weg fortzusetzen. Jene, die Unterstützung
benötigen, sollen diese auch bekommen. Um dies sicherzustellen, sei aber jeder Form von Sozialmissbrauch ein
Riegel vorzuschieben. Als besondere Anliegen nannte die neue Ministerin die Weiterführung der Behindertenmilliarde,
ein gutes Miteinander der Generationen sowie den nationalen Aktionsplan für Kinderrechte. Vorrangiges Ziel
werde auch die Umsetzung einer guten Schwerarbeiterregelung sein.
Abgeordneter VERZETNITSCH (S) dankte Haupt für die immerwährende Dialogbereitschaft und bedauerte,
wegen des Einstimmigkeitsprinzips in der Bundesregierung sei es in vielen Fragen nicht gelungen, zu einer gemeinsamen
Lösung mit der SPÖ zu finden. Ministerin Haubner und Staatssekretär Dolinschek gab der Redner als
Arbeitsaufträge vor allem die Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten, die Verbesserung der Anrechnung
von Kindererziehungszeiten für die Pension sowie eine Regelung der Elternteilzeit für alle mit auf den
Weg.
Abgeordnete STEIBL (V) erwartete sich von Haubner eine Stärkung der Frauenangelegenheiten und zeigte
sich weiters überzeugt, dass es der Ministerin gelingen werde, das Kindergeld weiterzuentwickeln, Maßnahmen
zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu setzen sowie die Generationensolidarität zu forcieren.
Abgeordnete HAIDLMAYR (G) appellierte an Haubner, die Behindertenpolitik zur Chefsache zu machen. Es gebe
in diesem Bereich noch zu viele offene Punkte, vom Behindertengleichstellungsgesetz bis zum Anspruch auf Unterstützung,
um diese wichtigen Agenden in ein Staatssekretariat abzuschieben.
Abgeordneter SCHEUCH (F) diagnostizierte bei Haubner eine Mischung aus Fachwissen, Erfahrung, Kompetenz
und Menschlichkeit und erwartete sich von ihr die Fortführung der erfolgreichen Sozialpolitik ihres Vorgängers.
Mit scharfen Worten wies Scheuch Kritik an der Regierungsumbildung zurück, wobei er bemerkte, Dolinschek als
Fehlbesetzung zu bezeichnen, nur weil dieser Kärntner ist, sei nicht fair. |