Berlin / Wien (bmlfuw) - Im Jahr 2005 kann es in der Agrarpolitik nur eine Devise geben: Mit Volldampf
arbeiten. Denn es wäre ein Irrtum zu glauben, dass nach der EU-Erweiterung im vergangenen Jahr sowie der Implementierung
der Agrarreform heuer agrarpolitisch leiser getreten werden kann. Im Gegenteil, wir müssen in den kommenden
Monaten wichtige Pflöcke für Absicherung der Zukunft unserer bäuerlichen Betriebe einschlagen. Das
erklärte Landwirtschaftsminister Josef Pröll in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Vorsitzenden
der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs, Präsident Rudolf Schwarzböck
und Bauernbundpräsident Fritz Grillitsch anlässlich der „Grünen Woche“ in Berlin.
Pröll weiter: "Die agrarpolitische Arbeit des Jahres 2005 wird durch drei wesentlichen Herausforderungen
geprägt sein:
Erstens gilt es die Stärkung der Exportorientierung der österreichischen Landwirtschaft weiter zu forcieren
sowie das agrarische Handelsbilanzdefizit noch weiter zu verringern. Was einerseits bedeutet, die Agrar-Export-Offensive
zu vertiefen und zu erweitern. Andererseits heißt das aber auch, den heimischen Konsum vor allem über
die Genuss-Offensive, die Regionalisierung der Vermarktung sowie eine branchenübergreifende Kooperation anzukurbeln.
Zweitens muss die Diskussion über die europäischen und internationalen Rahmenbedingungen des globalen
Wettbewerbs vorangetrieben und die österreichische Position offensiv dabei vertreten werden. Auf der europäischen
Agenda stehen vor allem die Zukunft der ländlichen Entwicklung als zweite Säule der Agrarpolitik, die
Reform der Zuckmarktordnung sowie die Frage der Gentechnik. Auf internationaler Ebene werden in den nächsten
Monaten zudem die Verhandlungen der aktuellen WTO Runde in die Zielgrade kommen.
Schließlich gilt es erfolgreich neue Absatzchancen für die österreichische Landwirtschaft zu erschließen.
Die Verstärkung der Synergien von Landwirtschaft und Umwelt, etwa im Bereich der nachwachsender Rohstoffe,
soll dabei einen Schwerpunkt bilden.
Die Exportorientierung der Österreichischen Landwirtschaft hat in den vergangenen 10 Jahren seit dem EU-Beitritt
eine beispiellose Aufwärtsentwicklung genommen. So konnte das – für hoch entwickelte Industriestaaten
mit einem hohen Importanteil von Rohwaren aus dem Süden (Kaffee, Tee, Südfrüchte, Kakao, etc…) an
sich typische – agrarische Handelsbilanzdefizit von 1,35 Mrd. Euro im Jahr 1995 um mehr als zwei Drittel auf nunmehr
rund 420 Mio. Euro reduziert werden.
Besonderes Augenmerk müssen wir in dieser Entwicklung klarerweise auf die Länder Mittel und Osteuropas
legen. Mit der Agrar-Export-Offensive 1-24 haben wir hier – rechtzeitig vor der Erweiterung – einen notwendigen
und richtigen Schritt gesetzt.
Wir können heute für das Jahr 2004 eine erste vorläufige Bilanz über den Erfolg dieser Initiative
1-24 ziehen: Der Exportwert des agrarischen Außenhandels mit den MOEL hat sich für Österreich von
2003 auf 2004 um 82,3 Mio. Euro verbessert. Das ist mit 17 Prozent eine deutliche Steigerung gegenüber 2003.
Demgegenüber betrug das Wachstum von 2001 auf 2002 lediglich 2 Prozent.
Betrachtet man einzelne Produktgruppen, so ergibt sich folgendes Bild:
- für Milch, Milchprodukte und Käse konnte von 2003 auf 2004 eine wertmäßige Exportsteigerung
von 43 Prozent auf 15,2 Mio. Euro aus Österreich in die neuen EU Mitgliedsstaaten erzielt werden.
- bei Fleisch gelang eine Steigerung von 64 Prozent auf rund 33 Mio. Euro.
- Demgegenüber stehen Importsteigerungen bei Milch, Milchprodukten und Käse aus den neuen Mitgliedsstaaten
nach Österreich von nur 24 Prozent sowie bei Fleisch von 7 Prozent im Vergleich im Vergleich zum Vorjahr.
Zu den wichtigsten agrarischen Exportländern zählen Ungarn mit einer Steigerung von 19 Prozent gegenüber
2003 (+ 16 Millionen Euro), Tschechien mit einer Steigerung von 15 Prozent gegenüber 2003 (+ 14 Millionen
Euro), die Slowakei mit einer Steigerung von 29 Prozent (+ 11 Millionen Euro) sowie Slowenien mit einer Steigerung
von 8 Prozent (+8 Millionen Euro).
Diese Zahlen machen deutlich: wir haben die richtigen Schritte gesetzt und müssen auf diesem Weg konsequent
weitergehen. Dazu werden wir
- die Export-Offensive 1-24 zu den MOEL weiter vertiefen,
- die Export-Offensive 1-24 um Russland und Kroatien erweitern,
- innerhalb des Ressorts eine organisatorische und personelle
Schwerpunktsetzung in Richtung der neuen Zielmärkte in Osteuropa vornehmen.
Ein weiterer wichtiger Eckpunkt der Arbeit 2005 wird die intensive Diskussion über die europäischen und
internationalen Rahmenbedingungen des globalen Wettbewerbs sein.
In der ländlichen Entwicklung geht es um viel. In Europa beginnt mit der Diskussion um die Neuorientierung
der ländlichen Entwicklung auch der Wettbewerb um die Neuverteilung der Geldmittel der Zweiten Säule
der Agrarpolitik. Es muss dabei klar sein, dass die Kernpunkte der ländlichen Entwicklung – aus denen wir
Umweltprogramm, Ausgleichszulage sowie die sonstigen Maßnahmen bereitstellen – auch zukünftig erhalten
bleiben müssen. Darüber hinaus werden wir neben der europäischen Diskussion vor allem auch in Österreich
gemeinsam über neue Schwerpunktsetzungen und Strategien zu diskutieren haben.
In der Reform der Zuckermarktordnung stehen wir vor harten Verhandlungen. Die Kommission hat Mitte 2004 einen Vorschlag
vorgelegt, den wir so nicht akzeptieren können, denn er sieht drastische Preis- und Quotensenkungen vor, die
so nicht erforderlich sind und die Zukunft unserer Zuckerwirtschaft gefährden würden. Maßstab für
meine Verhandlungsführung ist die Zukunft der über 10.000 bäuerlichen Familienbetriebe, die ein
wichtiges Einkommensstandbein in der Zuckerwirtschaft gefunden haben.
Nach den jüngsten Aussagen der neuen Agrarkommissarin zur Koexistenz und zu den Schwellenwerten beim Saatgut
sowie angesichts des ungarischen Importverbots für MON810 sehe ich eine neue Dynamik in der europäischen
Diskussion rund um die Gentechnik. Wir werden unseren Bedenken gegenüber den Anwendungen der Gentechnik in
der Landwirtschaft weiterhin klar machen und auf eindeutige Regelungen zum Schutz auch der bäuerlichen Interessen.
Es bleibt das Ziel der österreichischen Landwirtschaft, gemeinsam mit den Ländern, dem Lebensmittelhandel
und den Konsumenten Wege zu finden, die den Anbau von Gentechnik hintanhalten. Die österreichische Charta
für Gentechnikfreiheit wird Basis für das politische Handeln bleiben.
Schließlich gilt es auch erfolgreich neue Absatzchancen für die österreichische Landwirtschaft
zu erschließen. Durch die Synergien von Landwirtschafts- und Umweltinteressen im Bereich der nachwachsender
Rohstoffe und der Bioenergie eröffnen sich neue Perspektiven. Im Oktober 2005 beginnt mit der Beimischung
von 2,5 Prozent eine neue Ära in der Treibstoffpolitik für Österreich. Wenn im Oktober 2008 diese
Entwicklung mit 5,75 Prozent verpflichtender Beimischung vollständig umgesetzt ist, werden auch viele bäuerliche
Familien mit ihrer Produktion neue Einkommensperspektiven erschlossen haben. Um dieses Ziel zu erreichen, sind
jetzt Mineralölwirtschaft, landwirtschaftliche Verarbeiter sowie Interessensvertreter gefordert, eine Rohstoffaufbringung
aus Österreich optimal zu gewährleisten."
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