Österreichische Erstaufführung in den Kammerspielen des Salzburger
Landestheaters
Salzburg (landestheater) - Entfremdung - von sich selbst und vom Partner - ist ein zentrales Thema.
Ich habe in Lantana eine Reihe von Charakteren entworfen, deren vertraute Beziehungen mehr oder minder in einer
Krise stecken. Zur gleichen Zeit verknüpfe ich ihre Geschichten miteinander. Sie gehen Verbindungen ein und
messen Begegnungen mit Fremden schicksalhafte Bedeutung bei. (Andrew Bovell)
Lantana
Vier Paare, ein dubioser Nachbar, neun Schicksale - alle irgendwie miteinander verbunden: Es beginnt mit
Ehebruch über Kreuz, einem One-Night-Stand, der zwei Paare in Beziehung zueinander setzt; es endet mit einer
Verschwundenen, von der nichts bleibt als ihre Stimme auf dem Anrufbeantworter. Eigentlich sind es drei Stücke,
die scheinbar nichts miteinander zu tun haben und doch: alltägliche Beziehungskatastrophen ziehen den Krimi
um einen weggeworfenen Damenschuh nach sich bis hin zum Drama eines Mannes, dessen unheimlicher, leidenschaftlicher
Wunsch in Erfüllung geht.
Immer klarer wird, dass ein Fall zu klären ist, der an Tempo gewinnt - immer rätselhafter, immer packender,
immer intensiver. Neun Personen sind durch ihre Geschichte miteinander verbunden; einigen wird manches klar, andere
rätseln über den Schluss hinaus. Neun Menschen, die von fünf Schauspielern verkörpert werden.
Alle auf der Suche heraus aus diesem Urwald aus Lantana, dieser wild wuchernden australischen Buschpflanze. Und
nicht umsonst lautet der Untertitel des Spiels "Speaking in Tongues" - in diesem emotionalen Labyrinth
wird heftig gelogen.
Andrew Bovell
Der international erfolgreiche Drehbuchautor und Dramatiker Andrew Bovell wurde 1962 in Kalgoorlie, Australien,
geboren. Er studierte Drama am Victorian College of the Arts in Melbourne. Bekannt wurde Bovell als Drehbuchautor
der Filme "Strictly Ballroom" (mit Baz Luhrmann, für den er u.a. 1992 in Cannes den Prix de Jeunesse
erhielt), "Fisherman's Wake" und "Head On" (Regie: Ana Kokkinos/Filmfestival Cannes 1998).
Für die Bühne schrieb Bovell die Stücke "After Dinner" (1987), "Ship of Fools"
(1988), "The Ballad of Lois Ryan" (1987), "Scenes from a Seperation (1995), "Who's Afraid of
the Working Class" (gewann wie Speaking in Tongues den Australians Writer's Guild Award AWGIE) oder "Holy
Days".
Andrew Bovell lebt mit seiner Familie in Adelaide.
Aus den eigenständigen Kurzdramen "Like Whiskey on the Breath of a Drunk You Love" (1992) und "Distant
Lights From Dark Place" (1994) entstand das Stück "Speaking in Tongues". Es wurde 1996 im
Stables Theatre in Sydney uraufgeführt und seitdem u.a. in New York, London und Paris gespielt. Im Oktober
2003 erfuhr es seine deutschsprachige Erstaufführung am Thalia Theater in Hamburg. Für die Kinofassung
von 2o01 (u.a. mit Barbara Hershey, Anthony LaPaglia, Geoffry Rush) hat Bovell, der das Drehbuch verfasste, Figuren
hinzugefügt und Geschlechter geändert. Lantana wurde weltweit von den Kritikern umjubelt und erhielt
in Australien viele Auszeichnungen, unter anderem für das beste Drehbuch und die beste Regie (Ray Lawrence).
Andrew Bovell über "Lantana – speaking in tongues"
Das Stück hat drei Teile.
Teil eins: Wir begegnen Pete und Jane, und Leon und Sonja. Pete ist mit Jane verheiratet, Sonja ist
mit Leon verheiratet. Pete lernt Sonja in einer Bar kennen. Anschließend gehen sie in ein billiges Hotel.
Leon lernt Jane in einer Bar kennen. Auch sie gehen anschließend in ein billiges Hotel: Ein doppelter Seitensprung
also. Sonja verlässt Leon. Pete verlässt Jane. Pete begegnet Leon in einer Bar. Jane begegnet Sonja in
einer Bar. Als Pete nach Hause kommt, erzählt ihm Jane die Geschichte mit dem Nachbarn, der einen Damenschuh
auf ein unbebautes Grundstück wirft. Als Sonja nach Hause kommt, erzählt ihr Leon die Geschichte von
einem Mann, der braune Budapester trägt.
Teil zwei: Wir begegnen Neil, Sarah, Valerie und Nick. Nick schreibt einen Brief an eine ehemalige
Geliebte. Sarah spricht mit ihrer Psychotherapeutin. Valerie steht in einer Telefonzelle an einer verlassenen Straße
und ruft ihren Mann an, Nick macht eine Aussage bei der Polizei. Alles unbeantwortete Hilferufe. Die Sache hat
einen Haken. Sarah ist Neils ehemalige Geliebte. Valerie ist Sarahs Psychotherapeutin. Nick nimmt Valerie im Auto
mit. Sie kommt zu Hause nie an.
Teil drei: Wir begegnen John Knox. Als er eines Nachts nach Hause kam, war seine Frau nicht da. Alle
anderen kennen wir bereits.
Mein Stück zeigt Menschen, die einen Punkt in ihrem Leben erreicht haben, an dem sie ihr Leben, ihre Vorstellungen
von Liebe und Partnerschaft, neu hinterfragen. Es geht um richtige und falsche Gefühle. Verträge zwischen
Vertrauten werden gebrochen, während zwischen Fremden enge Banden geknüpft werden. Das Stück gleicht
einer emotionalen Landschaft, geprägt durch ein Klima der Isolation und Trennung und durch sich verändernde
Wertesysteme. Es erzählt von Menschen, die sich nach Bedeutung sehnen. Angestrengt greifen sie nach kleinen
Momenten der Hoffnung und des Humors, um ein zunehmendes Gefühl von Entfremdung zu bekämpfen.
Es gibt in dem Stück zwei unterschiedliche Welten und jede hat ihren charakteristischen Ton. Es wurde für
vier Schauspieler geschrieben, doch es gibt neun Figuren. Es hat drei Teile. Jeder untersucht die Beziehungen zwischen
vier Menschen. Es bestehen Verbindungen zwischen den Personen über die einzelnen Teile hinaus. Charaktere
verschwinden, andere tauchen auf. Geschichten, die in einem Teil erzählt wurden, gewinnen an anderer Stelle
an Bedeutung. Es bleibt ein Gefühl von Rätselhaftigkeit. Zwar existieren Antworten, doch sie sind trügerisch.
Die Handlung schreitet nicht immer voran: sie geht Umwege, springt zurück und greift schon gesehene Momente
auf, zeigt sie jedoch aus einem anderen Blickwinkel. Lantana ist ein emotionales Labyrinth; wie ein zart verwobenes
Gewebe. Nimm zwei beliebige Stränge, folge ihnen und du wirst an sehr verschiedenen Stellen herauskommen.
Ich bin mir bewusst, dass das Stück strukturell schwierig ist. Es folgt nicht den gängigen dramaturgischen
Regeln.
Ich vertraue darauf, dass die Zuschauer auf unterschiedliche Erzählformen und neue dramatische Formen neugierig
sind. Denn über all den formalen und gestalterischen Ideen steht der Gedanke, die beklemmende und quälende
Geschichte menschlicher Fehlbarkeit zu erzählen.
For me, Speaking in Tongues reveals something about the moral weakness to which we are all susceptible simply by
virtue of being human. The tragic consequences of such weakness are what this story is about.
Lantana camara ist eine Wildpflanze, die undurchdringliches, meterhohes Gestrüpp bildet. Gelegentlich wird
sie gezüchtet wegen ihrer farbenfrohen und duftenden Blüten, die mehrfach die Farbe wechseln, je nach
Art z.B. von orange über gelb nach rot. Der deutsche Name "Wandelröschen" täuscht: Alle
Teile der Pflanze sind giftig.
"Lantana – speaking in tongues"Von Andrew Bovell
Deutsche Übersetzung von Terence French
Österreichische Erstaufführung
am 11. Februar 2005
Kammerspiele des Salzburger Landestheaters
Teil 1:
Leon, Sonjas Mann Gerhard Hermann
Sonja, Leons Frau Franziska Sörensen
Jane, Petes Frau und Nachbarin von Nick Britta Bayer
Pete, Janes Mann und Nachbar von Nick Hans Jürgen Bertram
Teil 2:
Valerie, Johns Frau und Sarahs Psychotherapeutin Franziska Sörensen
Sarah, Valeries Patientin und Neils ehemalige Freundin Britta Bayer
Nick, Nachbar von Jane und Pete Gerhard Hermann
Neil, Sarahs ehemaliger Freund Gerhard Peilstein
Teil 3:
John, Valeries Mann Gerhard Peilstein
Leon Gerhard Hermann
Sarah Britta Bayer
Valerie Franziska Sörensen
Inszenierung Johannes Zametzer
Bühnenbild und Kostüme Martin Käser
Dramaturgie Gaby Berginz-Plank
Weitere Vorstellungen: 16., 21., 22., 23., 24.2. 2005 |