Bereits über 140.000 Fahranfänger haben Erfahrung mit Mehrphasenaus-bildung - Bewertung
mit "Gut" - Gesetzliche Fristen jedoch kaum eingehalten
Wien ((kfv) - Seit 1. Januar 2003 hält man nach der Fahrprüfung den begehrten rosa Schein
zwar in Händen - um ihn zu behalten, müssen Führerscheinneulinge jedoch noch Einiges tun: Zwei Perfektionsfahrten
mit einem Fahrlehrer (für B: erste Fahrt 2-4 Monate, zweite Fahrt 6-12 Monate nach der Prüfung) und ein
Fahrsicherheitstraining inklusive verkehrspsychologischem Gruppengespräch (für A und B, 3-9 Monate nach
der Prüfung) sollen die angelernten Fehler der ersten Monate ausmerzen und auf Risiken aufmerksam machen.
Jede Einheit muss innerhalb der vorgesehen Frist absolviert werden. Nach Ablauf der letzten Frist beginnt die Behörde
zu mahnen. Im schlimmsten Fall drohen dem Neuling Probezeitverlängerung und Führerscheinentzug.
So gut das System in der Theorie klingt - die Praxis sieht leider anders aus. Die gesetzlichen Fristen werden kaum
eingehalten. 73 Prozent der B-Neulinge erfüllen die zweite Phase derzeit fristgerecht, bei Klasse A sind es
lediglich 50 Prozent. Der Rest lässt sich Zeit, bis die Behörden eingreifen.
Doch: "Nur der zeitlich richtig abgestimmte Ablauf der Mehrphasenausbildung garantiert einen positiven Einfluss
auf das Verhalten im Straßenverkehr", erklärt Dr. Othmar Thann, Direktor des Kuratorium für
Verkehrssicherheit. Das Problem bei den Nachzüglern: Falsche Verhaltensmuster im Straßenverkehr haben
sich nach so langer Zeit meist bereits gefestigt, Fahrabläufe und eventuelle Fehler sind bis dahin automatisiert
und verinnerlicht. Mit einem Wort: Eine Korrektur des Verhaltens ist fast nicht mehr möglich - die Ausbildung
verfehlt somit ihren Zweck.
Thann: "Die Behörden müssen bereits viel früher in einen möglichen Verzögerungsprozess
eingreifen." Eine Verbesserung der derzeitigen Situation sei nicht möglich, wenn erst nach Ablauf der
offiziellen Frist eine Verständigung erfolgt - Neulinge müssten bereits viel früher auf mögliche
Konsequenzen hingewiesen werden, so die Forderung des Verkehrsexperten. Weiters sollte die Fristeinhaltung besser
überprüft werden.
Oberösterreich vorbildlich - Vorarlberg: mangelnde Infrastruktur
Oberösterreich liegt bei der gesamten Ausbildung in puncto zeitgerechte Durchführung an der Spitze.
Drei von vier Führerscheinneulingen halten sich an die vorgesehenen Fristen. Besonders weit hinten sind die
Vorarlberger: Hier zählt fast jeder Zweite zur Gruppe der Säumigen. Experten führen diese Ergebnisse
vor allem auf die bis Mitte 2004 fehlende Infrastruktur zurück.
Wiener besonders faul
Fast jeder dritte Wiener durchlief seit Einführung der Mehrphasenausbildung die weiterführenden
Schulungen zu spät. Ein Erklärungsmodell geht davon aus, dass Stadtkinder aufgrund der öffentlichen
Verkehrsmittel nicht vom Führerschein abhängig sind. Das Bundesrechenzentrum musste im vergangenen Jahr
2.278 Verständigungen an säumige B-Neulinge verschicken, Tendenz steigend. Heuer rechnet die Behörde
bereits mit 2.976 Mahnbriefen. "Alleine diesen Jänner wurden 248 Lenker verständigt - verglichen
mit der Zahl der ausgestellten Führerscheine ein Jahr zuvor haben rund 56 Prozent die zweite Ausbildungsphase
gar nicht oder nur einzelne Module innerhalb der vorgesehenen Zeit absolviert", mahnt Dr. Bernhard Wesiak,
stellvertretender Leiter des Verkehrsamtes Wien.
Säumige Motorradfahrer kämpfen mit der Winterpause
Die Zahlen zeigen: Motorradfahrer haben zwar das geringste Pensum zu erfüllen (ein Fahrsicherheitstraining),
brauchen dafür aber die meiste Zeit: Fast jeder Zweite verpasste die gesetzliche Frist, durchschnittlich lassen
sich Biker 263 Tage Zeit, um das Modul zu absolvieren, und reizen damit die Zeit bis zur gesetzlichen Intervention
fast völlig aus. Auch hier sehen Verkehrsexperten Verbesserungsmöglichkeiten. Thann: "Die Zahlen
zeigen, dass eine Frist von längstens neun Monaten für Motorradfahrer keinen Sinn macht. Vielen mangelt
es aufgrund der Winterpause, die Biker üblicherweise einlegen, an Fahrpraxis - das ist wahrscheinlich auch
die Erklärung für die hohe Säumigkeit." Aus diesem Grund fordert das KfV eine Anhebung des
gesetzlichen Zeitraums auf zwölf Monate.
Durchwegs gute Noten für Mehrphasen-Ausbildung
Trotz anfänglicher Skepsis seitens der Fahrschüler - viele versuchten mit einer rechtzeitigen
Anmeldung bis Ende 2002 dem neuen System zu entkommen - erhält die Mehrphasen-Ausbildung jetzt durchwegs gute
Noten. Beliebtestes Modul bei den Neulingen ist das Fahrsicherheitstraining. Allein schon aufgrund der Möglichkeit,
das Auto anders zu erleben als im regulären Straßenverkehr, erhielt es die Note 1,6. Das verkehrspsychologische
Gruppengespräch sorgte mit einer glatten Zwei für positive Überraschung. Mit einer Note 2,2 Schlusslicht
in der Bewertung und damit verbesserungswürdig ist die Perfektionsfahrt. Viele Führerscheinneulinge erwarten
sich mehr von diesem Modul, beispielsweise ein detailliertes Feedback zur Aufarbeitung der gesammelten Erfahrung.
Doch was bleibt, ist meist nur eine normale Fahrstunde.
Mehrphase: Nicht Schikane, sondern Sicherheitsgewinn!
"Es ist wichtig, immer wieder zu betonen, dass die jungen Fahrer selbst vom Mehrphasenführerschein
profitieren", appelliert Thann. Kennt man die eigenen Stärken und Schwächen sowie die Grenzen des
Fahrzeugs, ist das Risiko geringer, einen vielleicht sogar tödlichen Unfall zu erleiden. |