Gusenbauer: "Endlich Nägel mit Köpfen machen" - Drei Forderungen zum Bildungsdialog
SPÖ zu echten Reformen bereit - ÖVP betreibt "verantwortungslose Blockadepolitik
auf dem Rücken der Kinder"
Wien (sk) - Für SPÖ-Vorsitzenden Alfred Gusenbauer gibt alles, was man im Vorfeld des Bildungsdialogs
von der ÖVP hört, Anlass zur Besorgnis; es herrsche eine umfassende Orientierungslosigkeit. "Die
Regierung bringt keinen einzigen konkreten Vorschlag, wie das Bildungssystem verbessert und wie ein weiteres Abdriften
Österreichs nach unten verhindert werden kann. Jetzt müssen endlich Nägel mit Köpfen gemacht
werden. Die SPÖ hat eine Reihe von Vorschlägen bereits präsentiert", betonte Gusenbauer Montag
(07. 02.) in einer Pressekonferenz. Konkret habe die SPÖ vorgeschlagen, bei den Schulgesetzen - außer
bei grundsätzlichen Fragen wie der Schulpflicht - auf die Zwei-Drittel-Mehrheit zu verzichten, die ÖVP
blockiere das aber. Weiters fordert die SPÖ eine bundesweite Erhebung des Bedarfs an Ganztagsschulen sowie
die Führung des letzten Kindergartenjahres als Vorschuljahr.
Der SPÖ-Vorsitzende warf Bildungsministerin Gehrer vor, nach dem Absturz Österreichs bei PISA II keinen
Handlungsbedarf gesehen zu haben. "Alle waren schuld, die Eltern, die Lehrer, nur sie selbst nicht",
so Gusenbauer, der daran erinnerte, dass sich Gehrer erst nach massivem Druck der Öffentlichkeit bewegt und
den SPÖ-Vorschlag für die Ganztagsschule aufgegriffen habe. Nun rudere die ÖVP aber bereits wieder
zurück, sei doch nicht mehr von Ganztagsschule, sondern nur mehr von ganztägiger Betreuung die Rede,
was jedoch kein pädagogisches Instrument sei.
"Die SPÖ ist zu einer echten Reform bereit. Es ist nur mehr eine Woche Zeit bis zum Bildungsdialog, und
es gilt daher, endlich den Weg frei für eine echte Bildungsreform zu machen", erklärte der SPÖ-Vorsitzende,
der in einer Pressekonferenz mit der Elternvertreterin Andrea Fraundorfer und VSStÖ-Vorsitzender Andrea Brunner
für den Bildungsgipfel drei zentrale Vorschläge machte.
Erstens soll der Kindergartenbereit in die Schulreform einfließen. Tatsache sei, dass immer mehr Kinder die
Unterrichtssprache nicht beherrschen und daraus ein für die Lehrer schwer zu bewältigendes Problem entstehe.
Ein Problem, auf das er, Gusenbauer, bereits vor einem Jahr hingewiesen habe, das die Regierung aber verschlafen
habe. Die SPÖ schlage deshalb vor, das letzte Kindergartenjahr als "eine Art Vorschuljahr" zu führen,
um Defizite - etwa in der Sprache - frühzeitig zu erkennen und die Kinder entsprechend fördern zu können.
Der SPÖ-Vorsitzende wies darauf hin, dass dort, wo das Kindergartenangebot ein ausreichendes ist, 95 Prozent
der Kinder das Jahr vor der Volksschule im Kindergarten verbringen. Migrantenkinder würden jedoch sehr oft
die Zeit bis zur Schule zu Hause verbringen. Die Gemeinde Wien habe genau aus diesem Grund vor eineinhalb Jahren
eine sehr erfolgreiche Kampagne geführt, bei der MigrantInnen motiviert wurden, ihre Kinder in den Kindergarten
zu geben. Danach gefragt, ob das Vorschuljahr verpflichtend sein solle, antwortete der SPÖ-Vorsitzende, dass
es gut wäre, sich die Verpflichtung zu ersparen, da sich die öffentliche Hand dadurch auch Kosten ersparen
würde. Es gehe darum, das letzte Kindergartenjahr als Vorschuljahr umzuformulieren und das Angebot so zu erweitern,
dass es alle in Anspruch nehmen können.
Zweites Thema für den Gipfel sei, dass es eine enorme Nachfrage nach Ganztagsschulen gebe, und daher das anspruchsvolle
pädagogische Konzept der Ganztagsschule auch verwirklicht werden müsse. Der Wunsch aller Beteiligten
sei, dass das Thema Schule bis 15.30 oder 16.30 erledigt sein soll und es dann echte Freizeit gibt. Um die tatsächliche
Nachfrage zu erheben, gebe es in sozialdemokratisch regierten Bundesländern bereits Bedarfserhebungen. Die
SPÖ fordert nun, dass es eine solche Erhebung auch bundesweit geben soll. Mit den Ausflüchten Gehrers,
es gebe keine Daten, gebe man sich nicht zufrieden.
Der SPÖ-Vorsitzende betonte weiters, dass in Österreich jedes Jahr zumindest 300 Millionen Euro in die
Schulrenovierung fließen. Dies sei ein enormes Budget, das genützt werden könne, um die Schulen
ganztagsschultauglich zu machen. Wo die Nachfrage groß ist und wo Renovierungsbedarf besteht, sollen die
Ganztagsschulen sofort verwirklicht werden, so Gusenbauer, der wiederholte, dass bis 2010 100.000 zusätzliche
Ganztagsschulplätze geschaffen werden sollen.
Drittens gehe es darum, die Bildungsblockade zu beenden. Die SPÖ habe darum den Vorschlag gemacht, die für
Schulgesetze notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit abzuschaffen, außer bei den grundsätzlichen Fragen Schulpflicht,
Schule als öffentliche Aufgabe und unentgeltlicher Schulbesuch. Alle Fragen der Schulorganisation könnten
dann mit einfacher Mehrheit beschlossen werden. Die SPÖ werde einen entsprechenden Antrag im Parlament einbringen.
Die Angst der ÖVP vor einer Abschaffung der Zwei-Drittel-Mehrheit sieht Gusenbauer darin begründet, dass
die ÖVP davon ausgeht, dass sie bei der nächsten NR-Wahl nicht gewinnen wird. "Die ÖVP ist
keine selbstbewusste Partei. Sie will keine Reform, und sie will auf ihr Blockade-Mittel nicht verzichten."
Die Gefahr, die drohe, sei, dass die ÖVP die nächste Wahl verliert und die Zwei-Drittel-Mehrheit vorher
nicht abgeschafft wird, wodurch die ÖVP ihre Blockadepolitik auch nach der nächsten Wahl fortsetzen könnte.
"Österreichs Kinder haben sich ein besseres Bildungssystem verdient", so Gusenbauer, der abschließend
betonte, dass diese "verantwortungslose Blockadepolitik und der Zick-Zack-Kurs der ÖVP auf dem Rücken
der Kinder und Jugendlichen" nicht weitergehen dürfe. "Die SPÖ ist zu echten Reformen bereit
und braucht keine Versicherungen." |
Amon: SPÖ führt Hü und Hott in Bildungsreform weiter fort
SPÖ hat bei Bildung drei Stimmen, drei Meinungen, aber keine Linie
Wien (övp-pk) - Wer in der Bildungsreformdiskussion wirklich einen Zick-Zack-Kurs fahre, beweise
am Montag (07. 02.) die SPÖ aufs Neue: "Zwischen den Meldungen von SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer bei
seiner Pressekonferenz und SPÖ- Bildungssprecher Erwin Niederwieser in einem APA-Interview liegen nur wenige
Minuten. Fazit: Niederwieser spricht sich für, Gusenbauer gegen ein verpflichtendes Vorschuljahr aus",
führte ÖVP- Bildungssprecher Abg.z.NR Werner Amon aus. "Was die SPÖ wirklich will, steht nur
bei dogmatischen Modellen fest, die die Zerschlagung unseres Systems bedeuten. Ansonsten herrscht hoffnungsloses
Chaos", so Amon.
Im Gegensatz dazu verfolge die ÖVP eine klare Linie in der Frage der Bildungsreform. "Im Gegensatz zu
den Sozialdemokraten haben wir uns mit den anstehenden Herausforderungen seriös auseinandergesetzt, anstatt
mit Schnellschüssen, die dann wieder verworfen werden müssen, vorzupreschen", sagte der ÖVP-
Bildungssprecher. Die ÖVP und ihre Bildungsministerin hätten stets ein Ja zu ganztägiger Betreuung,
aber ein Nein zu Verpflichtungen gesagt. "Die Wahlfreiheit muss bei den Eltern bleiben", so Amon. Bereits
nach PISA I habe Bildungsministerin Elisabeth Gehrer einen Ausbau der Nachmittagsangebote um 10.000 Plätze
initiiert. "Nun sind wir bereit, noch einen Schritt weiter zu gehen", so der ÖVP- Bildungssprecher.
Die SPÖ sei aufgefordert, endlich einen einheitlichen Kurs in der Bildungspolitik zu finden. "Die SPÖ
hat in dieser Frage drei Sprecher, drei Meinungen, aber keine Linie", so Amon. Die Reformunwilligkeit werde
von SPÖ-Bildungssprecher Niederwieser heute wiederum klar offen gelegt: "Die SPÖ nimmt den Reformdialog
und die Zukunft unserer Schülerinnen und Schüler offenbar nicht Ernst. Springen Sie über Ihren Schatten
und arbeiten Sie konstruktiv mit an der Zukunft unseres Landes!", schloss Amon. |
Brosz: Sprachkurse für Fünfjährige nur zweitbeste Lösung
Beste Sprachförderung ist Besuch von Kindergarten
Wien (grüne) - "Der Besuch von Kindergärten ist die beste Sprachförderung und
Deutschkursen für Fünfjährige vorzuziehen. Gerade die Kommunikation mit Gleichaltrigen fördert
den Spracherwerb. Innerhalb von drei Jahren erlernen fast alle Kinder problemlos die deutsche Sprache", so
Dieter Brosz, Bildungssprecher der Grünen. Der Vorschlag von Innenministerin Prokop, Sprachtests bei fünfjährigen
durchzuführen und anschließend Sprachkurse anzubieten, mag zwar gut gemeint sein, sei aber mit Sicherheit
nicht der beste Weg. Erst wenn alle Hürden für den Kindergartenbesuch abgebaut seien, könne man
über weitere Maßnahmen nachdenken. "Einjährige Kurse sind dafür sicher nicht ausreichend,"
so Brosz.
Nach wie vor bestünden aber Hürden für den Kindergartenbesuch. Wenn es zu wenig Plätze gibt,
würden zunächst jene Kinder bevorzugt, bei denen beide Eltern berufstätig sind. Gerade in Wien gäbe
es immer wieder Fälle, bei denen MigrantInnenkinder abgewiesen werden, weil sie von ihren Müttern zu
Hause betreut werden. "Die soziale Staffelung der Beiträge lässt ebenfalls zu wünschen übrig,
wenn bereits ab 1.000 Euro Haushaltseinkommen beträchtliche Beiträge zu zahlen sind," so Brosz. |