Expertenhearing im Landwirtschaftsausschuss  

erstellt am
21. 02. 05

Wie schaut die Förderung des ländlichen Raumes 2007 bis 2013 aus?
Wien (pk) - Der Landwirtschaftsausschuss hielt in seiner Sitzung am Freitag (18. 02.) zunächst ein Expertenhearing zur Programmplanung der Europäischen Union und über die Vorbereitung eines neuen österreichischen Programms zur Entwicklung des ländlichen Raumes 2007 bis 2013 ab. Grundlage der Debatte unter der Leitung von Ausschussobmann Fritz Grillitsch bildete ein Entschließungsantrag der Koalitionsparteien ( 467/A[E]), die auf ein „impulskräftiges Programm“ drängen, sowie ein Antrag der Grünen (462/A[E]), die das Parlament laufend über die Arbeit am neuen Programm informiert sehen wollen. Die Debatte wird fortgeführt; die Anträge wurden mit den Stimmen aller Fraktionen vertagt.

Experten zum Thema Förderung der ländlichen Entwicklung
Eingeleitet wurde das Hearing von Sektionschef Reinhard Mang, der Erfolge des laufenden österreichischen Landentwicklungsprogramms darstellte und Zukunftsperspektiven aus der Sicht des Ressorts beleuchtete. Alle Experten unterstrichen unisono die Bedeutung von Ausgleichszahlungen für Bergbauern, des Österreichischen Programms für eine umweltgerechte Landwirtschaft, die Notwendigkeit der Bildungs- und Ausbildungsförderung sowie von Maßnahmen zur Attraktivierung des ländlichen Raums. Dabei konzentrierte sich Iris Strutzmann (Grüne) auf die Themen Biobauern, Gentechnikfreiheit im ÖPUL und Frauenförderung. Andreas Schellnegger (F) regte ein ÖPUL-Forst, die verstärkte Förderung von Kooperationen kleiner Betriebe sowie Maßnahmen gegen die Abwanderung an und stellte die Region steirisches Almenland als Musterbeispiel des LEADER+-Programms dar. Robert Zehentner problematisierte Steigerungen der Wettbewerbsfähigkeit nach dem Motto „Mehr Milch pro Kuh“ mit Hilfe von „Soja aus Brasilien“ und wollte Maßnahmen gegen die Abwanderung junger Leute, die viel zu oft sagten: „Matura und dann tschüss!“ Rupert Huber (V) warnte davor, Landwirte als "Kulissenbauern" zu sehen, plädierte für die Erhaltung einer produzierenden Landwirtschaft und unterstrich berufliche Qualifikation und Weiterbildung.
   

Die Referate
Sektionschef Reinhard Mang gab einen Rückblick über die österreichische Politik zur Entwicklung des ländlichen Raumes und belegte seine Aussage, dass Österreich zu den Vorreitern bei der Entwicklung des ländlichen Raumes zähle, mit Daten: Der Anteil der EU-Mittel am österreichischen Programm für die Entwicklung des ländlichen Raumes 2000 bis 2006 sei wesentlich höher als Österreichs Anteil an Fläche, Tieren und BIP der EU. Die Summe aller Förderungsmittel für die ländliche Entwicklung beträgt 2000 bis 2006 5,9 Mrd. €.

Der von der EU-Kommission angenommene Vorschlag für die Landentwicklungspolitik der EU zielt auf die Stärkung von Umwelt, Lebensmittelsicherheit und Lebensqualität in der gemeinsamen Agrarpolitik ab. Nach dem Motto: „Ein Fonds, ein Programm, eine Kontrolle“ soll ein einziges Finanzierungs- und Programmplanungsinstrument geschaffen werden. Der Programmentwurf verfolgt drei „Achsen“: Erstens Maßnahmen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Land- und Forstwirtschaft mit Investitionen in Infrastruktur, Verbesserung der Lebensmittelqualität, Unterstützung von Junglandwirten und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit von Neben- und Zuerwerbsbetrieben.

Zweitens geht es unter dem Titel „Umwelt und Landmanagement“ um Programme zur Unterstützung benachteiligter Regionen, Naturschutz, Umwelt- und Tierschutz.

Achse 3 beinhaltet ein neues Konzept für das LEADER-Programm zur Förderung regionaler und lokaler Entwicklungsstrategien.

Sektionschef Mang erinnerte an den Start der österreichischen Vorbereitung auf das neue Programm am 2. November 2004 in Waidhofen an der Ybbs und informierte darüber, dass in der Achse 1 Anreize für Investitionsförderungen in innovativen Betrieben, Schwerpunktförderungen für Humanressourcen und die Förderung von Bildung, Ausbildung und Wissensmanagement im Vordergrund stehen. Dazu komme ein Schwerpunkt Forstwirtschaft.

Im Hinblick auf die Achse 2 sah der Experte die Förderung der Berggebiete auch im neuen Programm gut abgesichert. Das ÖPUL bleibe ein Schwerpunkt, soll aber in Zukunft einfacher verwaltet werden.

In der Achse 3 ist ein vielfältiges Maßnahmenbündel weit über den Bereich der Landwirtschaft hinaus und Sektor übergreifende Initiativen für Branchen und Regionen sowie die Integration des LEADER+-Programms vorgesehen.

Von Seiten des Ministeriums wurden Arbeitsgruppen für die einzelnen Themen der verschiedenen Achsen eingesetzt. In Folgeveranstaltungen nach Waidhofen/Ybbs werden Interessierte gemeinsam mit NGOs informiert, eine Internetplattform wurde eingerichtet und zudem sei ein Begleitausschuss für die Erarbeitung des österreichischen Programms vorgesehen. Der Zeitplan sehe vor, das österreichische Programm im Februar 2006 auf EU-Ebene einzubringen, die Genehmigung im Herbst 2006 zu erlangen und mit der Umsetzung ab 1.1.2007 zu beginnen.

Iris Strutzmann (Österreichische Bergbauernvereinigung) gab ihrem Vorredner darin Recht, dass die EU in der Entwicklung des ländlichen Raumes viel von Österreich lernen könne und unterstrich die Notwendigkeit, sich seitens Österreichs auf EU-Ebene für Mindestmittel, Umweltschutz, Konsumentenschutz und Qualitätssicherung bei Lebensmitteln einzusetzen. Die Expertin begrüßte ausdrücklich die Absicht, mehr Geld in die Bildungsförderung zu investieren, dies sei insbesondere auch für Bergbauern wichtig. Der Kreis der Bildungseinrichtungen sei auszuweiten und ein Bildungsausschuss zu gründen, der Bildungsaufträge auf Bezirksebene vergibt.

In der Investitionsförderung sei es wichtig, die seit Inkrafttreten des Tierschutzgesetzes verstärkte Förderung tiergerechter Ställe aufrecht zu erhalten. Dasselbe gelte für die Förderung des biologischen Landbaus.

Die Ausgleichszahlungen sollten beibehalten werden, die Modulation allerdings nach Maßgabe der Evaluierung des Programms für die Entwicklung des ländlichen Raums tiefer gehen.

Die Ziele des ÖPUL sollten genauer definiert, die Biolandwirtschaft gestärkt und die Gentechnikfreiheit im ÖPUL verankert werden. Bei der Förderung nicht landwirtschaftlicher Bereiche wie Tourismus und Gewerbe sei es wichtig, auf die Verbindung zur Landwirtschaft zu achten. Und nicht zuletzt machte die Expertin darauf aufmerksam, dass der Förderung der Frauen eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung des ländlichen Raums zukomme.

Andreas Schellnegger (Freiheitliche Bauernschaft) fand lobende Worte für das Programm zur Entwicklung des ländlichen Raums, das es etwa der steirischen Almenregion ermöglicht habe, von einer völlig vergessenen Gegend zu einer Musterregion aufzusteigen. Der Experte unterstrich die Bedeutung der Investitionsförderung sowie die Niederlassungsprämie für Jungbauern und drängte darauf, Gemeinschaftsinvestitionen, die für kleine Betriebe immer wichtiger werden, speziell zu unterstützen. Bedauerlich fand Schellnegger, dass es für die Forstwirtschaft kein ÖPUL gebe, weil in den österreichischen Wäldern viele ungepflegte Flächen bestehen. Auch in der Forstwirtschaft drängte Schellnegger auf die Förderung von Bildungsmaßnahmen.

In der zeitintensiven Verarbeitung und Vermarktung bäuerlicher Produkte habe das Kooperationsmodell besonders bei Nebenerwerbsbetrieben große Bedeutung. Die Ausgleichszahlungen haben sich laut dem Experten gut bewährt und sollen aufrecht bleiben. Das selbe gelte für das ÖPUL, das es erlaubt habe, Überschüsse zu vermindern, bei den Konsumenten gut ankomme und für den Tourismus wichtig sei – es dürfe nicht aufgeweicht werden.

Die steirische Almlandregion sei ein gutes Beispiel für ein erfolgreiches LEADER-Projekt. Es musste dort nichts Neues erfunden werden: Natur, Kultur und geistige Vielfalt waren vorhanden, sie mussten nur noch in Kooperationen zur Geltung gebracht werden. Man müsse verhindern, dass Akademiker aus ländlichen Regionen abwandern.

Robert Zehentner (SPÖ) ging zunächst auf die von allen beschworene Erhaltung einer flächendeckenden Landwirtschaft ein und knüpfte daran die Frage, mit wie vielen Bauern man diese Landwirtschaft betreiben wolle. Denn einerseits würde der Rückzug staatlicher Einrichtungen (Post, Gendarmerie, Eisenbahn) aus dem ländlichen Raum auch die Bauern treffen, die immer weniger Lehrplätze für ihre Kinder finden, andererseits wisse man, dass die oft angesprochene Förderung der Wettbewerbsfähigkeit viel mit der Betriebsgröße zu tun habe. Damit ein Bauer wettbewerbsfähiger werde, müsse er mehr Hektar haben, also ein anderer aufhören. Eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit bei gleich bleibender Fläche nach dem Motto „Mehr Milch pro Kuh“ oder „Soja aus Brasilien“ sei sowohl ökonomisch als auch ökologisch problematisch.

Zehentner wies auf das hohe Ansehen des ÖPUL in der Gesellschaft hin und warnte davor, das Programm für Leistungen außerhalb des Umweltschutzes zu verwenden. Auch bei den Ausgleichszahlungen sollte man darauf achten, dass das ein Programm für Bergbauern bleibe. Man müsse überlegen, wie man den ländlichen Raum lukrativ mache, damit es unter jungen Leuten nicht länger heiße: „Matura und dann tschüss“.

Der Experte der ÖVP, Rupert Huber (PRÄKO), stellte einleitend fest, dass die ländliche Entwicklungspolitik als zweite Säule der GAP primär auf die Land- und Forstwirtschaft ausgerichtet ist und eine wichtige Brückenfunktion innehabe. In einem liberalisierten marktwirtschaftlichen Umfeld seien spezifische Instrumente notwendig, um eine multifunktionale Landwirtschaft abzusichern, war Huber überzeugt. Das Programm der ländlichen Entwicklung sei dabei nur ein Instrument von vielen und es dürfe nicht dazu führen, dass damit andere Politiken ersetzt werden. Huber warnte auch davor, die Landwirte als "Kulissenbauern" zu sehen; es müsse eine unternehmerische und produzierende Landwirtschaft erhalten werden. Was die thematischen Schwerpunkte anbelangt, so halte er die berufliche Qualifikation und die Weiterbildung für sehr wichtige Bereiche. Hinsichtlich der benachteiligten Gebiete merkte der Agrarexperte an, dass die Konstruktion "Bindung an naturbedingte Nachteile" für Österreich eine interessante Perspektive darstelle.

Die Politik des ländlichen Raums sei eine Erfolgsgeschichte, meinte Abgeordneter Georg Keuschnigg (V). Das, was jetzt in Brüssel diskutiert werde, sei kein Paradigmenwechsel, sondern die Fortführung einer bewährten Linie mit einer gewissen Nachjustierung der Ziele, wie z.B. der Stärkung des Bildungsbereiches. Nun gelte es, dem Minister den Rücken zu stärken für die Verhandlungen in der EU.
   

An die Referate der Experten schloss im Landwirtschaftsausschuss die Debatte der Abgeordneten an.

Abgeordneter Christian Faul (S) gab - ebenso wie Kurt Gassner - zu bedenken, dass der ländliche Raum gesamtwirtschaftlich betrachtet werden müsse. Man dürfe nicht auf die Interessen der kleinen und mittleren Unternehmen vergessen, die viele Arbeitsplätze, u.a. auch für Nebenerwerbsbauern, schaffen. Denn wenn es nicht ausreichend Jobs gibt, dann gebe es auch keine Konsumenten für die agrarischen Produkte. Ihre Fraktionskollegin Heidrun Walther wies darauf hin, dass es regional betrachtet sehr unterschiedliche Bedürfnisse gibt, auf die man eingehen müsse. Ihrer Meinung nach müsste die dritte Säule ausgebaut und erweitert werden, vor allem hinsichtlich der Investitionen in die Infrastruktur (z.B. ländliches Wegenetz). Abgeordneter Werner Kummerer (S) wünschte sich, dass bei der Entwicklung des Programms alle Akteure einbezogen und dass die Auswirkungen der Maßnahmen auf die KMU noch mehr berücksichtigt werden.

Es sei völlig klar, dass auch die KMU gestärkt werden sollen, meinte Abgeordneter Franz Essl (V), aber dafür müsse es zusätzliche Mittel geben. Für wichtig erachtete er die Verzahnung von Wirtschaft und Landwirtschaft, um sowohl Arbeitsplätze zu schaffen als auch die Bauern abzusichern.

Auch Abgeordneter Jakob Auer (V) plädierte für eine ganzheitliche Sicht. Gleichzeitig solle man aber bedenken, dass landwirtschaftliche Betriebe durch ihre Aufträge dazu beitragen, Arbeitsplätze zu sichern. Ein wichtiges Anliegen war ihm, dass auch im Übergangszeitraum 2006 finanzielle Mittel zur Verfügung stehen. Insgesamt glaube er, dass das Konzept sehr positive Auswirkungen haben könne, wenn es gelingt, die Ziele zu verwirklichen.

Abgeordneter Uwe Scheuch (F) plädierte für eine Öffnung der Förderungen, wodurch der gesamte ländliche Raum einbezogen werden könne. Weiters interessierte er sich für das von Pröll angesprochene Fördermodell für Bäuerinnen. Er hoffe zudem, dass die ÖPUL-Modalitäten vereinfacht werden.
   

Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) zeigte sich erfreut darüber, dass diese Diskussion rechtzeitig geführt werde. Positiv sei, dass ein begleitender Beirat eingerichtet werden soll. Was die Investitionen in den Tierschutz angehen, so sei er dagegen, dass nur die betriebswirtschaftliche Kalkulation als Fördergrundlage herangezogen wird. Die Erhaltung der Kulturlandschaft sei von vorrangigem volkswirtschaftlichen Interesse, zeigte sich Pirklhuber überzeugt. Weiters sprach er die Gentechnikfreiheit in der Landwirtschaft sowie den Schutz der Biodiversität im Alpenraum an. Seine Klubkollegin Heidemarie Rest-Hinterseer kam insbesondere auf die Bildungssituation auf dem Land zu sprechen, wo u.a. interessante Angebote für Frauen und Mädchen fehlen.

Es geht ums Geld, schickte Landwirtschaftsminister Josef Pröll voraus. Die finanzielle Dotierung, ob auf EU- oder auf nationaler Ebene, sei der zentrale Aspekt bei der Entwicklung des ländlichen Raumes, betonte er. Für Österreich gelte es darüber hinaus, einerseits die europäischen Vorgaben zu berücksichtigen, andererseits aber auch auf die eigenen Erfahrungen, auf die eigenen Stärken und Schwächen des ländlichen Raums Bedacht zu nehmen. Klar war für Pröll dabei, dass in dieser Frage Platz sein müsse für alle, die im ländlichen Raum leben, arbeiten und wirtschaften. Die ländliche Entwicklung werde aber nicht allein von Verordnungen und Geldleistungen abhängen, entscheidend sei auch, dass sie durch Impulse von unten getragen wird. Das Rückgrat für den ländlichen Raum seien die Gemeinden, unterstrich der Minister.

Hinsichtlich der Finanzierung gab Pröll zu bedenken, die einzelnen Säulen würden wie kommunizierende Gefäße wirken. Eine Aufstockung der dritten Säule etwa, wie dies von SP-Abgeordneten gefordert wurde, hätte deshalb automatisch Kürzungen bei den anderen Säulen zur Folge.

Die ländliche Entwicklung sei zwar integrativ zu sehen, sie komme aber aus der Agrarpolitik und könne Schulpolitik oder Arbeitsmarktpolitik nicht ersetzen. Nach Einschätzung des Ministers ist die Investitionsförderung am stärksten geeignet, den ländlichen Raum zu sichern. Jeder, der investiert, bleibe auch auf dem Lande, argumentierte er.
     
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