Einhellige Zustimmung zu Ermächtigungsgesetz im Verfassungsausschuss
Wien (pk) - Der Verfassungsausschuss des Nationalrats setzte am Donnerstag (17. 02.) einen ersten
Schritt zur Ratifikation der neuen EU-Verfassung. Einhellig stimmten die Abgeordneten einem Bundesverfassungsgesetz
zu, das die Voraussetzung für die eigentliche Ratifikation der EU-Verfassung von Seiten Österreichs bildet.
Darin wird festgelegt, dass die Genehmigung der neuen EU-Verfassung einer Zweidrittelmehrheit im Nationalrat und
einer Zustimmung des Bundesrats - ebenfalls mit Zweidrittelmehrheit - bedarf. Ausdrücklich normiert wird zudem,
dass Bestimmungen des Vertrags, durch die Verfassungsrecht geändert oder ergänzt wird, nicht ausdrücklich
gekennzeichnet werden müssen. Diese Vorgangsweise wurde bereits bei anderen EU-Verträgen - etwa bei der
Genehmigung des EU-Beitrittsvertrags oder der EU-Erweiterung - gewählt.
Im Rahmen der Diskussion wurde das Bundesverfassungsgesetz von allen vier Fraktionen begrüßt. Sowohl
Abgeordneter Caspar Einem (S) als auch Abgeordnete Eva Glawischnig (G) betonten, es sei wünschenswert, dass
Österreich die EU-Verfassung zügig und ohne unnötige Verzögerung ratifiziere. Beide werteten
die EU-Verfassung zwar als in einigen Bereichen ungenügend, allerdings würden, so Einem, die Vorteile
deutlich überwiegen. Abgeordnete Glawischnig erklärte, es gebe zur EU-Verfassung keine Alternative, sie
mahnte allerdings, wie auch ihre Fraktionskollegin Terezija Stoisits, eine breite Information der Bevölkerung
über die EU-Verfassung ein.
Zur Frage der Abhaltung einer Volksabstimmung über die EU-Verfassung in Österreich merkte Abgeordnete
Ulrike Baumgartner-Gabitzer (V) an, ihrer Ansicht nach sei eine solche nicht notwendig, weil die neue EU-Verfassung
keine Gesamtänderung der österreichischen Verfassung bewirke, eine Meinung, die auch Bundeskanzler Wolfgang
Schüssel teilte. Er wies darauf hin, dass ein einziger Experte die gegenteilige These vertrete, und auch das
nur in Bezug auf eine einzige Passage. Abgeordnete Helene Partik-Pable (F) wollte sich in dieser Frage noch nicht
festlegen und hielt fest, die FPÖ werde die Volksabstimmungen in anderen EU-Ländern genau beobachten.
Was die Information der Bevölkerung betrifft, wies Bundeskanzler Schüssel auf zahlreiche Informationsveranstaltungen
und die Auflage einer Broschüre mit den Eckpunkten der neuen EU-Verfassung hin.
Die neue EU-Verfassung bringt unter anderem eine Erweiterung der Kompetenzen der Europäischen Union, mehr
Rechte für das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente - diese werden in Form eines Frühwarnsystems
früher in EU-Vorhaben eingebunden -, eine verstärkte Zusammenarbeit in allen Bereichen der Gemeinsamen
Außen- und Sicherheitspolitik sowie ab 2014 eine Verkleinerung der Europäischen Kommission. Nur noch
jeweils zwei Drittel der EU-Mitgliedsländer werden künftig - nach einem Rotationsprinzip - einen EU-Kommissar
stellen können. Zudem wird das Amt eines ständigen Präsidenten des Europäischen Rates geschaffen,
der von den Staats- und Regierungschefs für zweieinhalb Jahre gewählt wird, eine einmalige Wiederwahl
ist möglich.
Das Einstimmigkeitsprinzip wird in zahlreichen Politikbereichen durch qualifizierte Mehrheitsentscheidungen abgelöst,
wobei ein Beschluss nur dann zustande kommt, wenn zumindest 55 % der EU-Länder (mindestens 15 Mitgliedstaaten)
zustimmen und diese zumindest 65 % der EU-Bevölkerung repräsentieren. Für eine Sperrminorität
sind mindestens vier Mitgliedsländer erforderlich. Direkte Auswirkungen auf die Bürgerinnen und Bürger
der Europäischen Union haben die Aufnahme der Europäischen Grundrechtscharta in die Verfassung und die
Möglichkeit zu EU-weiten Volksbefragungen. Neu ist auch die Aufnahme einer Austrittsklausel in die EU-Verfassung.
Die neue EU-Verfassung kann nur dann in Kraft treten, wenn sie von allen Mitgliedsländern der Europäischen
Union und vom Europäischen Parlament ratifiziert wird.
Zu Beginn der Sitzung war ein Antrag der SPÖ von den Koalitionsparteien abgelehnt worden, die Tagesordnung
des Verfassungsausschusses um die Bürgerinitiative Nr. 21 zu ergänzen. Darin wird die Abhaltung Volksabstimmung
über die neue EU-Verfassung gefordert. |