Die Effekte von Ecstasy - Proteine im Pas de deux
Wien (fwf) - Amphetamin-Derivate wie die Modedroge "Ecstasy" bewirken die Freisetzung
von Neurotransmittern durch ein ausgeklügeltes Zusammenspiel zellulärer Komponenten: Ein Enzym bewirkt
dabei, dass zwei an sich gleichartige Transportproteine gegenläufig arbeiten. Diese neue Erkenntnis steht
im Kontrast zu bisherigen Annahmen, dass einzelne Transportproteine im Alleingang für die Freisetzung von
Neurotransmittern durch derartige Drogen verantwortlich seien. Die aktuell veröffentlichten Ergebnisse einer
Gruppe der Medizinischen Universität Wien wurden mit Unterstützung des Wissenschaftsfonds FWF erzielt.
Sie liefern nun wichtige Grundlagen für ein besseres Verständnis der Wirkungsweise von bestimmten Neurotransmittern
und Drogen.
Ecstasy, Ice und Speed sind moderne Abwandlungen der ursprünglich als Appetitzügler entwickelten Amphetamine.
Auf Grund ihres Potenzials, Sucht und Schizophrenie zu verursachen, sind sie gesetzlich verboten. Sie finden aber
seit Anfang der 1990er Jahre Anwendung als Modedrogen. Ihr Effekt beruht u. a. darauf, dass ihre chemische Struktur
jener von Botenstoffen des menschlichen Nervensystems ähnelt.
Paradoxe Wirkung
Diese als Neurotransmitter bezeichneten Botenstoffe werden über zelluläre Proteine transportiert,
die sich quer durch die Zellmembran erstrecken. Diese Proteine transportieren die Botenstoffe im Regelfall in die
Zelle zurück, um die Signalübertragung zwischen den Nervenzellen zu beenden. Bei Proteinen, die für
den Transport von Serotonin zuständig sind (SERT - Serotonin-Transporter), greifen Amphetamine auf interessante
Weise in den biologischen Transportprozess ein. Dazu die Projektleiter Prof. Harald Sitte und Prof. Michael Freissmuth
vom Pharmakologischen Institut der Medizinischen Universität Wien: "Auf Grund ihrer ähnlichen Struktur
konkurrieren die Amphetamine mit Neurotransmittern um den Platz an den Transportproteinen. Paradoxerweise ist es
aber nicht diese Konkurrenz, die für die Wirkung der Amphetamine verantwortlich ist, sondern ein anderes,
bisher wenig verstandenes Phänomen - die Amphetamine bewirken die Freisetzung von natürlichen Neurotransmittern,
also eine Umkehr der Transportrichtung." Zur Erklärung dieses Phänomens haben nun Prof. Sitte und
Prof. Freissmuth gemeinsam mit ihren KollegInnen ein viel beachtetes Modell veröffentlicht.
Zelluläres Teamwork
Zentraler Aspekt des Modells ist die Kooperation von zwei aneinander gebunden vorliegenden Serotonin-Transportern.
Trotz Gleichartigkeit der Proteine - so das Modell - sind deren Transportrichtungen gegenläufig. Ein Umstand,
dessen Ursache die Regulierung durch das zelluläre Enzym Proteinkinase C ist.
Das Modell geht davon aus, dass bei geringer Konzentration an Amphetaminen nur einer der beiden Serotonin-Transporter
damit befasst ist, Amphetamine in die Zelle hineinzuschleusen. Ein Prozess, der eine Strukturänderung des
Proteins erfordert. Der andere Transporter bleibt zunächst inaktiv und behält damit seine ursprüngliche
Struktur. Dies erlaubt in der Folge der in der Zelle vorkommenden Proteinkinase C den Zugang zu einer wichtigen
Aktivierungsstelle.
Bei dieser Aktivierung spielen die Amphetamine eine Schlüsselrolle. Dazu Prof. Sitte: "Damit die Proteinkinase
C an der Aktivierungsstelle des zweiten Serotonin-Transporters wirken kann, muss das Enzym erst selbst aktiviert
werden. Genau dies schafft das in die Zelle aufgenommene Amphetamin. In einer Art Kettenreaktion aktiviert die
nun aktive Proteinkinase C den bis dahin inaktiven Serotonin-Transporter. Jener Transporter aber, der das Amphetamin
ursprünglich in die Zelle transportiert hat, kann auf Grund seiner Strukturänderung keinen Zugang zur
Aktivierungsstelle bieten und somit auch kein Serotonin hinaustransportieren. Die Wirkung der Amphetamine ist also
quasi auf ein Pas de deux von zwei Proteinen angewiesen."
Dieses international beachtete Modell steht im deutlichen Kontrast zu bisherigen Vorstellungen, dass ein und dasselbe
Transportprotein sowohl Amphetamine in die Zelle hinein- als auch Neurotransmitter hinaustransportiert. Das Modell
der Wiener Gruppe bietet nun neue Ansatzpunkte - z. B. die Regulierung der Proteinkinase C - für optimierte
Therapien von psychischen Störungen wie Depression oder Angstzuständen. Das vom FWF unterstützte
Projekt ist damit ein hervorragendes Beispiel für Translational Research - das Finden neuer Anwendungsmöglichkeiten
durch die Beantwortung grundlegender Phänomene. |