Bank haftet für Schaden aus Raubüberfall auf Kundin
Wien (vki) - In seiner Berufungsentscheidung erklärte das OLG Wien die Bank für eine auf
eine Kundin getätigten Überfall für haftbar, da die Bank vertragliche Verkehrssicherungspflichten
nicht erfüllte. Das Erstgericht hatte der Kundin noch ein Mitverschulden angelastet, das Berufungsgericht
verwarf jedoch diese Rechtsansicht.
Eine junge Frau benötigte für einen Hauskauf EUR 28.000 in bar. Nach Vorsprache in einer Filiale der
Bank wurde der Frau mitgeteilt, sie könne das Geld in zwei Tagen beheben. Bei der Transaktion wurde die Frau
offenbar von einem Mann beobachtet, welcher Mitglied einer Bande für "Bankanschlussdelikte" war
und der über ein Handy seine drei Komplizen über den Vorfall informierte. Kurz nach Verlassen der Bank
wurde die junge Frau überfallen und der Geldbetrag entwendet.
Das Erstgericht beanstandete die mangelnden Sicherheitsvorkehrungen in der entsprechenden Filiale - die Filiale
bestand im wesentlichen aus einem einzigen, offenen Raum mit zwei Schaltern, die keinerlei Sichtschutz aufwiesen,
sodass es prinzipiell jeder in der Bank aufhältigen Person möglich gewesen wäre, die Transaktionen
im Schalterbereich einzusehen. Ebenfalls hätte die Frau - auch aufgrund der Tatsache, dass es in dieser Filiale
bereits mehrfach zu ähnlichen "Bankanschlussdelikten" gekommen war - auf die drohende Gefahrenlage
aufmerksam gemacht werden müssen. Dennoch sah das Erstgericht auch ein Mitverschulden der jungen Frau darin,
dass sie für den Weg nach Hause nicht ein Auto bzw Taxi verwendete, weshalb ihr nur die Hälfte des Klagsbetrages
zugesprochen wurde.
Das OLG Wien stellte zunächst klar, dass die Bank eine allgemeine bzw im konkreten Fall eine vertragliche
Verkehrssicherungspflicht treffe, welche auch unerlaubte und vorsätzliche Eingriffe Dritter umfasse. Voraussetzung
ist jedoch, dass die Möglichkeit der Verletzung von Rechtsgütern Dritter bei objektiver sachkundiger
Betrachtung zu erkennen ist und dass der Gefahr durch zumutbare Maßnahmen begegnet werden kann. So hätte
die Frau bereits beim ersten Vorsprechen in der Filiale auf die Sicherheitsgefährdung hingewiesen bzw hätten
ihr entsprechende Sicherheitsvorkehrungen - etwa die Behebung in einem abgetrennten Raum - angeboten werden müssen.
Dabei hat die Bank sowohl für die Verletzung der Aufklärungspflicht ihrer Mitarbeiter als auch für
die Organisation des Geschäftsablaufes - die mangelnde Ausstattung der Filiale - einzustehen.
Ein Mitverschulden der jungen Frau verneinte das OLG Wien: Zum einen konnte im Verfahren nicht gezeigt werden,
dass etwa die Verwendung eines Taxis zum Entfall des Überfalls geführt hätte. Zudem erscheine es
nicht gerechtfertigt, der Frau zuzumuten Kosten aufzuwenden um sich vor einem Überfall zu schützen, dessen
Ursache darin liegt, dass ein allfälliger Täter von der Bargeldabhebung Kenntnis erlangt, weil die Bank
nicht entsprechende Schutzmaßnahmen trifft. Weiters transportierte die Frau das Geld in einem Umschlag, den
sie sich in den Hosenbund steckte und ihr T-Shirt darüber gezogen hat. Ein Transport des Geldes unmittelbar
am Körper sei die sicherste Möglichkeit, so das OLG Wien. Nach Abwägung erweise sich daher das Verschulden
der Bank als derartig überwiegend, dass ein allfälliges Mitverschulden der Frau vernachlässigt werden
könne.
Das Urteil ist rechtskräftig.
OLG Wien 19.1.2005, 2 R 270/04x
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Klagsvertreter: Dr. Eduard Wegrostek, Rechtsanwalt in Wien |