Alle für Schulgeldfreiheit, trotzdem Uneinigkeit zwischen Parteien
Wien (pk) - Die Zweidrittelmehrheit als Beschlusserfordernis für Schulgesetze soll nun
endgültig abgeschafft werden. Darüber bestand im parlamentarischen Unterrichtsausschuss am Donnerstag
(10. 03.) ein Grundkonsens aller vier Fraktionen. Die Abstimmung darüber wurde jedoch vertagt, da derzeit
eine diesbezügliche Initiative der Bundesregierung in Begutachtung steht und man die Stellungnahmen abwarten
möchte.
Während der der Debatte zu Grunde liegende Antrag von ÖVP und FPÖ zur Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes
(531/A) die ersatzlose Streichung von Art. 14 Abs. 10 B-VG betreffend das Schulwesen und Art. 14a Abs. 8 B-VG betreffend
das land- und forstwirtschaftliche Schulwesen vorsieht, brachte die SPÖ einen Antrag ein, in dem explizit
verlangt wird , dass der Besuch öffentlicher Schulen mit Ausnahme eines Beitrages zu den Kosten der Verpflegung
unentgeltlich ist, die Republik ein öffentliches Schulwesen in bestmöglicher Qualität zu gewährleisten
hat und die Schulpflicht zumindest bis zum Ende der Lehrzeit dauert.
Bundesministerin Elisabeth Gehrer zeigte dafür kein Verständnis, zumal die SPÖ mehrmals
dafür eingetreten sei, die Zweidrittelmehrheit bei Schulgesetzen "ohne Wenn und Aber" abzuschaffen,
und nun plötzlich Bedingungen stelle. Dem hielt Abgeordnete Andrea Kuntzl (S) entgegen, dass damit nicht gemeint
gewesen sei, die SPÖ stimme jeder Formulierung zu.
Schulgeldfreiheit – trotz Konsens Dissens
Eine intensive Debatte entbrannte über das Thema der Schuldgeldfreiheit. Dazu gab nicht nur der oben erwähnte
vertagte Antrag Anlass, sondern auch der umfassende Entschließungsantrag von ÖVP und FPÖ, der auf
die Ergebnisse des Reformdialogs reagiert und deren rasche Umsetzung fordert (543/A[E]), sowie der Antrag der Grünen
betreffend "Garantie der Schulgeldfreiheit" (557/A[E]).
Während es SPÖ und Grüne darauf beharrten, die Schulgeldfreiheit in der bestehenden Verfassung zu
verankern, argumentierten ÖVP und FPÖ, die neue Verfassung mit dem Grundrechtskatalog abwarten zu wollen.
Der Vorsitzende des Unterrichtsausschusses Werner Amon (V) meinte, es mache wenig Sinn, nun einzelne
Bereiche aus dem geplanten Grundrechtskatalog punktuell herauszunehmen. Die Abgeordneten Mares Rossmann und
Barbara Rosenkranz (beide F) stellten aus ihrer Sicht klar, dass die Frage des Schulgeldes kein Thema sei
und keine Partei es sich leisten könne, Schulgeld einzuführen. Die SPÖ versuche aus Parteitaktik,
Angst zu schüren und die Eltern zu verunsichern.
Bundesministerin Elisabeth Gehrer versicherte, niemand denke an die Einführung eines Schulgeldes. Sie verwies
auch auf die UN-Kinderrechtskonvention, in der es heiße, kein Staat dürfe unter das bereits erreichte
Ziel zurücktreten, und das sei bindend.
Um ihr klares Ja zur Schulgeldfreiheit in der derzeit bestehenden Form zu unterstreichen, brachten die Abgeordneten
Werner Amon (V) und Mares Rossmann (F) seitens der ÖVP und FPÖ einen eigenen Entschließungsantrag
ein, in dem die Bundesregierung ersucht wird, ihre ablehnende Haltung zur Einführung von Schulgeld beizubehalten
und weiterhin dafür einzutreten, dass im Grundrechtskatalog der neuen Verfassung das Recht auf Bildung und
die Schulgeldfreiheit verankert werden.
In diesem Antrag wird auch auf die geltenden Bestimmungen des § 5 Schulorganisationsgesetz und des §
14 Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz sowie auf internationale Verträge verwiesen. So stelle nicht nur
die UN-Kinderrechtskonvention die Schulgeldfreiheit sicher, sondern diese werde auch mit dem Inkrafttreten der
EU-Verfassung auf europäischer Ebene festgeschrieben. Darüber hinaus habe man im Österreich-Konvent
eine Formulierung zu einem Grundrecht auf Bildung eingebracht.
Das war jedoch der Opposition zu wenig. Abgeordneter Erwin Niederwieser, Abgeordneter Josef Broukal (beide
S) und Abgeordneter Dieter Brosz (G) betonten, dass inhaltlich zwar keine Differenzen bestünden, man
aber das Bekenntnis der Regierung glauben könne oder auch nicht. Die Ministerin und Abgeordnete der Regierungsfraktionen
seien anfangs auch gegen die Einführung von Studiengebühren gewesen, und dann hätten sie diesen
doch zugestimmt. Daher sei man nun sensibilisiert. Auch sei der Hinweis auf die UN-Kinderrechtskonvention zu wenig.
Diese hätte längst in den Verfassungsrang gehoben werden müssen, meinten die Abgeordneten
Beate Schasching und Elisabeth Grossmann (beide S). Abgeordneter Kurt Gaßner (S) stellte in diesem
Zusammenhang die Frage in den Raum, ob es sinnvoll sei, Privatschulen als Konkurrenz zum öffentlichen Schulwesen
aufzubauen.
Abgeordneter Broukal äußerte auch die Befürchtung, die Regierung wolle die Schulgeldfreiheit
nur für die Zeit der Schulpflicht festlegen, womit die AHS-Oberstufe und die BHS nicht mehr erfasst wären.
Dem wurde von den Abgeordneten der Regierungsfraktionen heftig widersprochen. Abgeordnete Corinna Felzmann
(V) stellte auch aus der Sicht der Wirtschaft klar, dass man in keiner Weise für die Einführung
von Schulgeld eintrete. Eine diesbezügliche Falschmeldung über die Aussage von Christoph Leitl sei von
der APA selbst korrigiert worden. Ihm sei es lediglich um eine leistungsbezogene Bezahlung von LehrerInnen und
um eine Kostenbeteiligung für die Nachmittagsbetreuung gegangen.
Abgeordneter Dieter Brosz (G) trat dafür ein, die Schulgeldfreiheit auch für ganztägige
Schulformen vorzusehen, da man sonst nicht von Wahlfreiheit sprechen könne. Bundesministerin Elisabeth Gehrer
hatte in ihrer Stellungnahme unterstrichen, dass sich die Bundesregierung nicht zur Schulgeldfreiheit für
die Nachmittagsbetreuung bekenne. Der Unterricht selbst sei und bleibe selbstverständlich unentgeltlich, erläuterte
die Ministerin, darüber hinaus würden auch zehn Lernstunden bezahlt. Für zusätzliche Freizeitangebote
und das Mittagessen müssten jedoch die Eltern einen Beitrag leisten, und das sei auch in Finnland so.
Bei der Abstimmung wurde der Antrag der Grünen betreffend Schulgeldfreiheit mit den Stimmen von ÖVP und
FPÖ mehrheitlich abgelehnt. Der von den Regierungsfraktionen vorgelegte Antrag zu diesem Thema wurde von diesen
mehrheitlich angenommen.
PISA und die Folgen
Der von ÖVP und FPÖ eingebrachte umfassende Antrag betreffend Umsetzung der Ergebnisse des Reformdialogs
wurde mit ÖVP-FPÖ-Mehrheit angenommen.
Zur Abschaffung der Zweidrittelmehrheit bei Schulgesetzen hält dieser Antrag dezidiert fest, dass damit die
Schule sicherlich kein Experimentierfeld werde. Das zeigten auch die Erfahrungen aus anderen europäischen
Ländern. Grundlegende Änderungen erforderten nämlich einen Zeitrahmen von 10 Jahren. Schule brauche
Sicherheit und Kontinuität. Gerade bei Fragen der Schulentwicklung im Organisationsbereich sei die Einbindung
der Schulpartner besonders wichtig. Die Verfassungsmehrheit habe sich in der Vergangenheit bei der Weiterentwicklung
des Schulwesens als nicht zielführend erwiesen und zu Reformstau und Blockade geführt.
Die beiden Regierungsfraktionen sprechen sich im gegenständlichen Antrag auch für die Beibehaltung des
differenzierten Schulsystems, für die Wahlfreiheit der Eltern bei der Tagesbetreuung und für die Beibehaltung
des Religionsunterrichts aus. Weitere Punkte des Forderungskatalogs betreffen die Einführung der Fünf-Tage-Woche
und die Tagesbetreuung als Angebot. Hinsichtlich einer besseren Orientierung an den Bedürfnissen der Kinder
fordern die V-F-Abgeordneten die Schuleinschreibung ein Jahr vor Schuleintritt und eine verpflichtende Teilnahme
an Sprachförderung für Kinder mit Sprachmängeln, einen flexiblen Förderunterricht über
das Unterrichtsjahr hinweg, den Ausbau der Aktion "Lesefit" und den Ausbau des Angebots in Mathematik
und Naturwissenschaften. Um den Lehrberuf zu professionalisieren, soll es eine verpflichtende Lehrerfortbildung
grundsätzlich in der unterrichtsfreien Zeit geben. Die Pädagogischen Akademien sollen in Pädagogische
Hochschulen umgewandelt werden, Führungskräfte sollen besser qualifiziert und die Schulaufsicht neu strukturiert
werden.
Die Opposition begründete ihre Ablehnung damit, dass der Bericht der Zukunftskommission noch nicht vorliege.
Abgeordneter Erwin Niederwieser (S) bezeichnete die Vorgangsweise als eine Desavouierung der Kommission
und deponierte mit seinem Klubkollegen Josef Broukal den Wunsch der SPÖ, sich ernsthaft mit den Ergebnissen
der Kommission im Parlament auseinanderzusetzen, um gemeinsame Standpunkte erarbeiten zu können. Mit einigen
Punkten des Antrags könne die SPÖ durchaus mitgehen, merkten beide an. Außerdem meinte Niederwieser,
die Themen des Reformgipfels seien andere gewesen als die im Antrag angeführten. Abgeordneter Robert
Rada (S) stieß sich vor allem an der Aussage des Antrags, die Zweidrittelmehrheit sei schuld an der
Blockade, und zählte einige Bereiche, wie Schulautonomie, Schulpartnerschaft, Schulversuche auf, wofür
keine Zweitdrittelmehrheit notwendig sei.
Die Abgeordneten Andrea Kuntzl und Beate Schasching (beide S) traten vehement für die Einführung
ganztägiger Schulformen ein, Beate Schasching hielt in diesem Zusammenhang auch ein Plädoyer für
die Ausweitung des Turnunterrichts im Hinblick auf den schlechten Gesundheitszustand der SchülerInnen.
Abgeordneter Christian Faul (S) vermisste die Ansätze im Budgetentwurf für die vorgeschlagenen
Maßnahmen.
Für Abgeordneten Dieter Brosz und Abgeordnete Sabine Mandak (beide G) weist der Antrag zu große
Lücken auf. Es fehle beispielsweise die soziale Problematik und eine ausreichende Budgetierung für die
darin vorgeschlagenen Maßnahmen. Beide sahen in dem vorliegenden Antrag durchaus einige positive Ansätze,
an keiner Stelle werde aber über die finanzielle Bedeckung gesprochen. Die Aktion "Lesefit" sei
zwar richtig, aber eine zu schwache Antwort auf die Leseschwäche. Vor allem müsste man bei der Ausbildung
der LehrerInnen auf eine entsprechende Vorbereitung für den Unterricht von Kindern mit nicht deutscher Muttersprache
Wert legen.
Im Gegensatz zu diesen kritischen Äußerungen wurde der Antrag von den Abgeordneten der Regierungsfraktionen
begrüßt. So meinte etwa Abgeordneter Werner Amon (V), dass darin wesentliche Anliegen
der ÖVP enthalten seien, und Abgeordnete Mares Rossmann (F) unterstrich die Bedeutung der Beibehaltung
des differenzierten Schulsystems, das auch die Umsetzung des Kärntner Modells einer inneren Differenzierung
möglich mache. Abgeordneter Alfred Brader (V) begrüßte insbesondere den Plan einer
frühen Diagnose und Förderung als eine große Chance für benachteiligte Kinder. Abgeordnete
Gertrude Brinek (V) wies darauf hin, dass das finnische Schulsystem nicht mit dem in Österreich diskutierten
Gesamtschulsystem zu tun habe, und verlangte insbesondere eine Evaluation der in den Schulen eingesetzten Förderungsmittel.
Auch sie hielt es für notwendig, möglichst früh die Schulfähigkeit von Kindern festzustellen.
Bundesministerin Gehrer hielt fest, dass die Zukunftskommission eine breite Diskussion im Rahmen einer offenen
Plattform geführt habe. Sie werde in Kürze ihren Endbericht vorlegen. Für die Umsetzung gebe es
kurz-, mittel- und langfristige Ziele. Vieles sei bereits im Laufen, in einzelnen Bereichen gebe es eine Weiterentwicklung.
Zwei Anträge der Grünen vertagt
Im weiteren Verlauf des Ausschusses wurde der Antrag der Grünen betreffend Nachmittagsbetreuung für SchülerInnen
mit sonderpädagogischem Förderbedarf und außerordentliche SchülerInnen mit den Stimmen von
ÖVP und FPÖ vertagt, obgleich sich die Abgeordneten der beiden Regierungsfraktionen positiv dazu äußerten.
(528/A[E])
Franz-Josef Huainigg (V) monierte eine entsprechende Schulung der BetreuungslehrerInnen und Mares
Rossmann (F) wollte vor einer Abstimmung eine Bedarfserhebung abwarten. Dieser Argumentation konnten sich
die Abgeordneten Dieter Brosz (G) und Erwin Niederwieser (S) nicht anschließen.
Die Bildungsministerin wird in dem Antrag aufgefordert, die notwendige Anzahl der LehrerInnen zur Verfügung
zu stellen.
Ein völlig anderes Thema behandelt der dritte Antrag der Grünen, der heute auf der Tagesordnung stand.
Die Grünen thematisieren darin die Probleme, welche bei der Einvernahme von SchülerInnen als ZeugInnen
im Rahmen von Disziplinarverfahren auftreten. Sie verlangen daher entsprechende Änderungen im Beamten-Dienstrechtsgesetz
und im Landeslehrer- Dienstrechtsgesetz. Insbesondere soll die Anwesenheit von Vertrauenspersonen und die Vernehmung
in Abwesenheit des/der Beschuldigten analog der Strafprozessordnung ermöglicht werden.
Dieser Antrag wurde ebenfalls mit ÖVP-FPÖ-Mehrheit vertagt. Abgeordneter Fritz Neugebauer (V) unterstützte
jedoch grundsätzlich auch diesen Antrag. Man sei derzeit mit dem zuständigen Bundeskanzleramt im Gespräch,
das Disziplinarrecht zu verhandeln und er erwarte sich einen Abschluss Mitte des Jahres. Dabei gehe es insbesondere
auch um Probleme in Zusammenhang mit einem Autoritätsverhältnis. |