Forscher des Max-Born-Instituts und der University of Toronto weisen extrem schnelle Fluktuationen
in flüssigem Wasser nach - Publikation in Nature
Berlin (idw) - Einen Forscherteam des Max-Born-Instituts in Berlin-Adlershof und der University of Toronto
ist es erstmals gelungen, ultraschnelle Fluktuationen in der Struktur von flüssigem Wasser nachzuweisen. Die
Wissenschaftler nutzten dazu neue Methoden der Femtosekunden- Schwingungsspektroskopie. Wie sie in der aktuellen
Ausgabe von Nature (Bd. 434, Seite 199) berichten, geht in dem fluktuierenden Netzwerk gekoppelter Wassermoleküle
das strukturelle Gedächtnis innerhalb von 50 Femtosekunden verloren, schneller als in jeder anderen Flüssigkeit.
Eine Femtosekunde ist ein Millionstel einer Milliardstel Sekunde.
Wasser (H2O) ist eine der Grundlagen des Lebens auf der Erde. Es dient als Medium für die wichtigsten biologischen
Vorgänge, sei es als "Lösungsmittel" für Biomoleküle, sei es als Lieferant von Protonen
für den Transport von Ladungen. Flüssiges Wasser besteht aus einem ungeordneten Netzwerk von Molekülen,
das durch schwache chemische Bindungen (die so genannten Wasserstoffbrücken) zusammengehalten wird. Dieses
Netzwerk unterliegt ständigen Fluktuationen, das heißt, die Anordnung der Wassermoleküle und ihre
Wechselwirkung ändern sich ständig. Dabei werden Wasserstoffbrücken immer wieder gebrochen und neu
geformt. Trotz intensiver Forschung ist die strukturelle Dynamik des Wassers, die wesentlich im Femtosekundenbereich
abläuft, erst in Ansätzen bekannt.
In den in Berlin durchgeführten Experimenten regt ein Lichtimpuls in einem extrem dünnen Wasserfilm lokal
eine molekulare Schwingung an: die Streckschwingung eines Wassermoleküls (siehe auch Animation 1). Der Wasserfilm
ist 0,5 Mikrometer dünn. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar ist hundertmal dicker. Der infrarote Lichtimpuls
(Wellenlänge: 3 Mikrometer) dauert 70 fs.
Das von dem Lichtimpuls zum Schwingen angeregte Molekül dient als Sonde für die Fluktuationen des molekularen
Netzwerks, die zu einer Veränderung der Schwingungsfrequenz und -phase führen. Mit dem Verfahren der
"zweidimensionalen Schwingungsspektroskopie" machen die Wissenschaftler am MBI diese Änderungen
in Echtzeit sichtbar und bestimmen daraus Zeitskala und Mechanismus der Fluktuationen. Dabei zeigt sich, dass die
zum Zeitpunkt der Schwingungsanregung vorliegende Struktur des Netzwerks innerhalb von zirka fünfzig Femtosekunden
verloren geht, einem Zeitintervall, das viel kürzer ist als die Lebensdauer einer Wasserstoffbrücke von
ungefähr tausend Fentosekunden.
Ursache des schnellen Strukturverlusts sind gehinderte Kipp- und Rotationsbewegungen der gekoppelten Moleküle,
die Wissenschaftler sprechen von "Librationen" der Wasserstoffbrücken. Diese verändern die
relative Orientierung der Wassermoleküle zueinander und tragen so zum Verlust des strukturellen Gedächtnisses
in der Flüssigkeit bei (Animation 2). Gleichzeitig wird auf einer etwas langsameren Zeitskala von 100 fs die
anfänglich lokalisierte Schwingungsanregung auf die Nachbarmoleküle übertragen. Die ultraschnelle
strukturelle Dynamik und der extrem schnelle Zerfall lokaler Anregungen sind entscheidend für die Stabilisierung
von biologischen Systemen in wässriger Umgebung.
Die Ergebnisse der deutsch-kanadischen Zusammenarbeit, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (Sonderforschungsbereich
450) und der Alexander-von-Humboldt-Stiftung (Humboldt-Preis für R.J.Dwayne Miller) gefördert wurden,
zeigen erstmals das extrem kurze strukturelle Gedächtnis von reinem Wasser. Die Analyse dieses Verhaltens
in ähnlichen Systemen, zum Beispiel in wässrigen Lösungen, und seine Bedeutung für biologische
Funktionen werden Gegenstand weiterer gemeinsamer Untersuchungen sein. |