Erfolgreiche Kooperation von Jenaer Wissenschaftlern mit der Industrie. Neues Verfahren zur raschen
Erkennung von Verunreinigungen in Reinräumen
Jena (idw) - In einer erfolgreichen Zusammenarbeit mit der Industrie haben Prof. Dr. Jürgen
Popp und seine Mitarbeiter vom Institut für Physikalische Chemie der Universität Jena die Grundlagen
für eine neuartige Technologie erforscht und umgesetzt, die gefährliche Keime in der Luft oder im Wasser
vor Ort und ohne Zeitverlust erkennen kann. In Kooperation mit der Universität Freiburg, der Berliner Schering
AG und den Firmen Kayser-Threde GmbH (München) und rapID Particle Systems GmbH (Berlin) entstand ein Gerät,
das Luftverunreinigungen schnell und eindeutig identifizieren kann.
Verschiedene Bakterienarten rasch unterscheiden
Die wissenschaftlichen Grundlagen für diese technische Innovation wurde von den Jenaer Forschern jetzt in
der neuesten Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift "Applied Enviromental Microbiology" veröffentlicht.
Darin beschreiben die Physikochemiker eine spezielle Spektroskopiemethode zur Unterscheidung und Identifizierung
einzelner Bakterienzellen, die z. B. als Verunreinigung in Reinräumen in der Lebensmittel- oder Medikamentenproduktion
großen Schaden anrichten können. "Wir sind mit dieser Methode und deren computergestützter
Auswertung in der Lage, verschiedene Bakterienarten mit einer Trefferquoten von bis zu 93 Prozent zu unterscheiden",
berichtet Dr. Petra Rösch aus der Arbeitsgruppe von Prof. Popp.
Bakterien sind allgegenwärtig - auf unserer Haut, auf Oberflächen, im Boden, in Lebensmitteln und in
der Raumluft. Da sie sehr klein sind, nehmen wir sie in der Regel nicht wahr - es sei denn, sie lösen zum
Beispiel bei Lebensmitteln einen Fäulnis-Prozess aus oder führen beim Menschen zu einer Krankheit wie
etwa einer Blasen- oder Lungenentzündung. Während wir also im Großen und Ganzen mit den Winzlingen
leben können, gibt es Bedingungen, in denen schon die Anwesenheit mikrobieller "Einzeltäter",
also einzelner Bakterienzellen fatal ist, zum Beispiel in Operationssälen oder Reinräumen. Dort darf
die Luft keinerlei Verunreinigungen enthalten, weder Staub noch Keime wie Bakterien oder Pilzsporen. Dennoch können
solche Verschmutzungen auftreten - so gelangen durch Abrieb feinste Metall- oder Kunststoffteilchen in die Luft
oder Mitarbeiter tragen trotz spezieller Kleidung Haar- oder Hautpartikel in den Raum. Diese schnell und eindeutig
zu identifizieren ist von entscheidender Bedeutung: Nur so kann die Quelle der Verunreinigung zeitnah gefunden
und das Problem rasch gelöst werden. Ein teurer Produktionsausfall kann so vermieden werden.
Fingerabdruck mit Raman-Spektroskopie
"Bisher konnte man Bakterien meist nur nach einer Kultivierung auf Nährböden unterscheiden",
erläutert Prof. Popp. "Das nahm mindesten einen, in der Regel aber mehrere Tage in Anspruch". In
seiner Arbeitsgruppe wird dagegen die nach einem indischen Physiker benannte Raman-Spektroskopie verwendet. Sie
beruht auf der Wechselwirkung von Licht und Materie: Bestrahlt man Moleküle mit Licht, so wird dieses in ganz
charakteristischer Weise gestreut. Man erhält so Informationen über die Schwingungen eines Moleküls,
deren Streuungsmuster eine Art Fingerabdruck liefern, der eindeutig dem Molekül zuzuordnen ist. Da jede Bakterienoberfläche
eine ganz spezielle Zusammensetzung hat, kann man mit Raman-Spektroskopie auch "Fingerabdrücke"
der Mikroben erhalten. "Die Unterschiede sind allerdings so gering, dass die Spektren nicht mit bloßem
Auge ausgewertet werden können", betont Dr. Rösch.
Datenbank mit "Täterprofilen"
Hier kommen die Wissenschaftler vom Lehrstuhl für Mustererkennung und Bildverarbeitung der Uni Freiburg ins
Spiel. Sie haben eine computergestützte Rechenmethode, die normalerweise dazu verwendet wird, von Sicherheitskameras
aufgezeichnete Fotos zu analysieren, an die speziellen Anforderungen der Spektrenauswertung angepasst. Mit ihrer
Hilfe können nach den Prinzipien der Mustererkennung die einzelnen Spektren einer Bakterienart zugewiesen
werden. "Allerdings müssen wir dazu den Computer erst einmal mit einer großen Menge Daten füttern,
damit er Vergleichsmöglichkeiten hat", erläutert Dr. Rösch. "Denn die Bakterien können
sich geringfügig verändern, je nachdem, auf welchen Nährböden und bei welcher Temperatur sie
wachsen." Langfristiges Ziel der Arbeiten ist der Aufbau einer Datenbank, in die Spektren möglichst vieler
unter unterschiedlichen Bedingungen gewachsener Organismen eingehen. "Dann werden Probennahme, Spektroskopievorgang
und Auswertung direkt vor Ort stattfinden können", betont Rösch.
Testung geplant
Ab kommenden Frühjahr wird die Berliner Schering AG die Methode in ihren Reinräumen testen. Das
entsprechende Gerät haben die Firmen Kayser-Threde GmbH (München) und rapID Particle Systems GmbH, Berlin,
gebaut und in enger Abstimmung mit den Wissenschaftlern in Jena und Freiburg weiterentwickelt. "Dies ist ein
Beispiel für eine äußerst gelungene Zusammenarbeit zwischen Forschung und Industrie", freut
sich Prof. Dr. Jürgen Popp, "und dafür, wie anwendungsorientiert Grundlagenforschung sein kann."
Das Gerät wird ab morgen abend auf dem Symposium "Struktur und Dymanik biologischer Zellen mit optischen
Methoden auf der Spur" auf dem Campus am Ernst-Abbe-Platz der Öffentlichkeit vorgestellt.
Die Untersuchungen fanden im Rahmen des Projektes "OMIB" ("Online Monitoring und Identifizierung
von Bioaerosolen") statt, das Teil des bundesweiten Forschungsschwerpunktes Biophotonik ist. In diesem vom
Bundesforschungsministerium (BMBF) und dem Verband Deutscher Ingenieure (VDI) geförderten Schwerpunkt arbeiten
zahlreiche Wissenschaftler aus Forschung und Industrie an innovativen optischen Technologien zur Lösung aktueller
Probleme aus Medizin, Biotechnologie und Umweltwissenschaften. |