Budgetkapitel Justiz mit Koalitionsmehrheit beschlossen  

erstellt am
04. 04. 05

Debatte um Situation in den österreichischen Gefängnissen
Wien (pk) - Nach den Budgets für Oberste Organe und Bundeskanzleramt sowie für das Bildungsressort debattierte das Plenum des Nationalrats das Budgetkapitel Justiz. Der Voranschlag wurde am Freitag (01. 04.) mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen.

Abgeordneter Dr. JAROLIM (S) sah mit dem vorliegenden Budgetkapitel auch ein dunkles Kapitel in der österreichischen Justizgeschichte eröffnet. Die Regierung wolle der Bevölkerung vorgaukeln, etwas für die Sicherheit zu tun, höhle aber gleichzeitig die für Sicherheit zuständigen Ministerien finanziell aus. Jarolim kritisierte die „Einsperrpolitik“ der Regierung, die dazu führe, dass die Gefängnisse „übergehen“. Die Ministerin sollte sich ihrer Verantwortung besinnen und ihre Haltung zum Amnestiegesetz und gegenüber den Deserteuren des Zweiten Weltkriegs überdenken. An Ausschussobfrau Fekter appellierte Jarolim, sie möge in der Frage der eingetragenen Partnerschaft der Vernunft eine Chance geben.

Abgeordnete Dr. FEKTER (V) registrierte ein Fortschreiben der Budgetzahlen des Jahres 2005, aber ein starkes Plus gegenüber 2004. Die Obfrau des Justizausschusses konzentrierte sich auf das Thema Patientenverfügung und bat um den Konsens der Fraktionen in dieser heiklen Materie. Ihre Haltung sei bei allem Respekt vor dem Patientenwillen sehr zurückhaltend, die Entwicklung dürfe nicht in Richtung Euthanasie führen, denn es drohe die Gefahr, dass Druck auf alte Menschen ausgeübt werde, auf teure Behandlungen zu verzichten. Patientenverfügungen brauchten eine hohe Zugangsschwelle, weil sie missbrauchsanfällig seien, zeigte sich Abgeordnete Fekter überzeugt.

Abgeordnete Mag. STOISITS (G) wertete die Fortschreibung des Budgets als ein Alarmsignal und wies darauf hin, dass der Regierung als Antwort auf die wachsende Kriminalität nichts anderes einfalle als immer mehr Menschen einzusperren. Dies sei oft kontraproduktiv, sagte Stoisits und überdies wisse jeder, dass Alternativen zum Einsperren billiger seien. Die Umschulung von Schaffnern zu Justizwachebeamten wertete die Rednerin als Zeichen justizpolitischer Hilflosigkeit, denn im Strafvollzug mangle es an spezialisiertem Personal. Weiters drängte die Rednerin auf eine Amnestiegesetz-Novelle und hoffte, dass es im Rahmen der Jubiläen der nächsten Wochen gelingen werde, sich auf gesetzliche Maßnahmen zur Rehabilitierung der Deserteure im Zweiten Weltkrieg zu besinnen. Das könnte ein Meilenstein des Gedankenjahres sein, schloss Stoisits.

Abgeordneter Dr. BÖHMDORFER (F) erinnerte seine Vorrednerin dran, dass es das von ihr verlangte Gesetz für Weltkriegs-Deserteure bereits gebe. Es sei nicht sinnvoll, ein bestehendes Gesetz zweimal zu beschließen. Böhmdorfer zeigte sich überzeugt, dass das Justizministerium die Frage der Patientenverfügung gut lösen werde und lehnte eine Federführung des Gesundheitsressorts in dieser Frage ab. Hinsichtlich des finanziellen Bedarfs der Justizanstalten hielt Böhmdorfer eine Verbesserung der Budgetziffern und Nachverhandlungen für notwendig und trat angesichts steigenden Zahlen ausländischer Häftlinge für mehr internationale Solidarität bei der Finanzierung der Kosten ein. Maßnahmenhäftlinge, also geistig kranke Rechtsbrecher könnten vom Gesundheitsressort übernommen werden. Kürzere Verfahren würden die Volkswirtschaft in Milliardenhöhe entlasten, dafür wären lediglich 10 bis 15 Mill. € an Investitionen in das Justizpersonal erforderlich. Eine weitere Einsparungsmöglichkeit ortete Böhmdorfer in der Zusammenlegung der Vollstreckungsdienste von Justiz und Finanz.

Justizministerin Dr. MIKLAUTSCH bezeichnete das Ergebnis der Budgetverhandlungen zum Kapitel Justiz als einen guten Kompromiss. Stolz zeigte sie sich auf den hohen Eigendeckungsgrad ihres Ressorts von 74,5 %. Die steigenden Häftlingszahlen entsprechen einer mitteleuropäischen Entwicklung und seien auch Folge der steigenden Ausländerkriminalität. Dieses Phänomen werde aber infolge des verstärkten Kampfes gegen die organisierte Kriminalität in den nächsten Jahren zurückgehen.

Die Entscheidung über die viel diskutierte bedingte Entlassung obliege den Gerichten, beim Thema elektronische Fussfessel kündigte die Ministerin ein Pilotprojekt im Herbst an. Eine andere Alternative sei der Strafvollzug im Heimatland, auch diese Möglichkeit wolle sie weiter verfolgen. Der Einsatz von Eisenbahnern, die bei den ÖBB keine Beschäftigung mehr haben, in der Justiz sei sinnvoll, die dabei auftretenden Probleme lösbar, sagte die Ministerin. Auch die in den Justizdienst übernommenen ehemaligen Soldaten leisten gute Arbeit, berichtete die Ressortleiterin.
   

Abgeordnete Mag. WURM (S) bezeichnete es als absurd, in den Bereichen Sicherheit und Justiz zu sparen, wenn man gleichzeitig Law and Order-Konzepten anhänge. Die Ministerin sei zu bedauern, mit einem Finanzminister, dem die Sicherheit so wenig bedeute, über ihr Budget verhandeln zu müssen. Auch Wurm ging auf die für sie dramatische Situation in den Strafanstalten ein und wollte noch nicht beurteilen, ob die Heranziehung von Eisenbahnern zur Lösung der Personalprobleme beitragen könne. Eines sei aber klar: Die SPÖ würde eine bessere Justizpolitik machen.

Abgeordneter Mag. DONNERBAUER (V) sprach von einem Verhandlungserfolg der Bundesministerin und erinnerte an das Plus von 11 % sowie hundert Richterplanstellen mehr in Budget und Stellenplan für die Justiz im Jahr 2005. Eine Fortschreibung der Budgetansätze 2005 sei daher ein Verhandlungserfolg der Justizministerin. Der Redner lobte den Versuch, Bedienstete aus anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes in der Justiz einzusetzen und drängte darauf, den Personaleinsatz mit Hilfe technischer Mittel weiter zu optimieren. Es sei nicht notwendig immer nur nach mehr Geld zu rufen, meinte Abgeordneter Donnerbauer.

Abgeordnete Dr. MOSER (G) meinte hingegen, die Justizmittel seien zu knapp budgetiert. Inhaltlich auf die Justizpolitik eingehend, sagte die Rednerin, sie warte auf einen Vorschlag der Regierungsparteien zugunsten gleichgeschlechtlicher Paare. Auch im Wohnrechtsbereich warte sie auf einen Novellenentwurf. Es sei notwendig, Maßnahmen gegen überhöhte Mieten zu setzen. Auch das Justizressort müsse den eklatanten Mietensteigerungen entgegensteuern. Das würde im Budget nichts kosten, aber den Mietern aber sehr viel bringen. Auch im Konsumentenschutz könnte das Justizressort das Leben der einzelnen Menschen wesentliche erleichtern.

Abgeordnete Dr. PARTIK-PABLE (F) zeigte sich erfreut darüber, dass Justizministerin Miklautsch nicht aufgegeben habe, um mehr Personal zu kämpfen. Immerhin habe die Ministerin Teilerfolge erzielt, betonte sie. Dass zu viele Menschen in Haft seien, wies Partik-Pable mit dem Argument zurück, dass heutzutage ohnehin nur noch jemand eine Gefängnisstrafe bekomme, der "etwas Ordentliches ausgefressen hat". Für geringfügige Delikte gebe es lediglich Geldstrafen oder bedingte Freiheitsstrafen.

Abgeordneter Mag. MAIER (S) betonte, im Bereich des Konsumentenschutzes gebe es noch sehr viel zu tun, nicht zuletzt was den Bereich des Zivilrechts betreffe, etwa hinsichtlich des Schadenersatzes. Ausdrückliches Lob äußerte er für die Haltung von Justizministerin Miklautsch zu einer geplanten EU-Richtlinie in Bezug auf die "Vorratshaltung" von Verkehrsdaten. Die Richtlinie sei datenschutzrechtlich bedenklich, bekräftigte er.

Abgeordnete Dr. BAUMGARTNER-GABITZER (V) hielt fest, Justizministerin Miklautsch habe gut verhandelt. Das vorgesehene Budget ermögliche es der Justiz, ihre Aufgaben adäquat zu erfüllen. Zustimmend äußerte sich Baumgartner-Gabitzer auch zum geplanten Stellenpool, der ihrer Meinung nach einen flexiblen Personaleinsatz im Justizbereich ermöglicht.

Abgeordnete STADLBAUER (S) nannte drei Beispiele, bei denen das Justizministerium aus ihrer Sicht säumig ist. Sie kritisierte unter anderem, dass die Frauen-Helpline im Gegensatz zum Opfer-Notruf keine Förderung seitens des Justizressorts erhalte, obwohl dort vier Mal so viele Frauen anrufen würden. Weiters urgierte sie strengere Maßnahmen gegen Stalking und eine Neuregelung des Unterhaltsvorschusses.

Abgeordneter DI HOFMANN (F) teilt, wie er sagte, den Standpunkt von Abgeordneter Stoisits nicht, wonach jede Alternative zum Einsperren billiger wäre. Er gab zu bedenken, dass die Kostendeckung im Strafvollzug ohnedies sehr hoch sei. Hofmann sprach sich aber dafür aus, dass ausländische Straftäter ihre Strafe in ihrem Heimatland absitzen und "Schlupflöcher zum Asylmissbrauch" geschlossen werden, um die Häftlingszahlen in Österreich zu senken.

Abgeordneter Dr. PUSWALD (S) begann seine Rede mit längeren Schweigen und meinte, die "unsägliche Arbeit" der Koalition könne man am besten mit Stillstand beschreiben. Der Justizministerin dankte er für ihr Engagement.

Justizministerin Mag. MIKLAUTSCH wies darauf hin, dass die Kosten für den Strafvollzug jährlich 300 Mill. € betragen, dem stehen ihr zufolge 50 Mill. € jährlich an Einnahmen durch die Wirtschaftsbetriebe der Justizanstalten gegenüber. Die bevorzugte Behandlung der Opfer-Hotline gegenüber der Frauen-Helpline durch das Justizressort begründete sie damit, dass diese nicht nur Frauen zur Verfügung stehe und man dort auch Rechtsauskünfte durch Rechtsanwälte erhalte. Zum Thema Stalking kündigte Miklautsch gesetzliche Maßnahmen an.

Abgeordneter MIEDL (V) hob die hohe Qualität des Strafvollzugs in Österreich hervor und regte an, in Österreichs Justizanstalten Blindenhunde gemeinsam von Justizwachebeamten und Häftlingen ausbilden zu lassen. Miedl zufolge könnten damit zwei positive Effekte gleichzeitig erzielt werden. Zum einen wirke sich, wie Erfahrungen in den USA gezeigt hätten, die Arbeit mit Tieren positiv auf die Häftlinge aus, zum anderen könnte damit der Mangel an Blindenhunden beseitigt werden.

Abgeordnete Mag. BECHER (S) befasste sich mit dem Mietrecht und kritisierte unter anderem die intransparenten Zu- und Abschläge, die ihrer Ansicht nach die Wohnkosten in die Höhe treiben. Auch die Maklerprovision sei in keinem anderen Land so hoch wie in Österreich, beklagte sie.

Abgeordnete FRANZ (V) wertete es als positiv, dass 2005 und 2006 je 2 Mill. € für Opferhilfeeinrichtungen zur Verfügung stünden. Das sei gegenüber 2004 eine Budgetverdoppelung, skizzierte sie. Franz zufolge muss die Politik dafür sorgen, dass den Opfern Sicherheit gegeben wird und sie in ihrer oft verzweifelten Situation nicht allein gelassen werden.

Abgeordneter PENDL (S) äußerte großes Lob für die Arbeit der Justizwachebeamten. Seiner Meinung nach herrscht im Strafvollzug eine dramatische Situation. Skepsis zeigte er hinsichtlich des geplanten Stellenpools, er sagte der Justizministerin jedoch Unterstützung zu.

Die Beratungsgruppe V - Justiz - wurde vom Nationalrat bei der Abstimmung mehrheitlich angenommen.

Der Nationalrat wird seine Budgetberatungen am 5. April fortsetzen.
     
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