Opposition fordert Maßnahmen, Minister Pröll appelliert an
Länder
Wien (pk) - Die Grünen nutzten die Aktuelle Stunde zu Beginn der Plenarsitzung am Donnerstag
(31. 03.), um das umweltpolitische Hauptthema der letzten Wochen im Nationalrat zu diskutieren. Abgeordnete
Dr. GLAWISCHNIG (G) wies darauf hin, dass die hohen Feinstaubwerte keineswegs überraschend seien. Schon
seit 2002 hätten die Grenzwertüberschreitungen laufend zugenommen. Im heurigen Jahr wurde das gesamte
gesetzlich zulässige Kontingent an Grenzwertüberschreitungen bereits in wenigen Monaten ausgeschöpft.
Die gesundheitlichen Auswirkungen sind laut Glawischnig dramatisch: Die Weltgesundheits- organisation beziffere
die Auswirkungen der Feinstaubbelastungen mit 4.600 zusätzlichen Todesfällen pro Jahr, wobei Kinder besonders
betroffen seien, weil deren Lungen vom Feinstaub für ein ganzes Leben geschädigt werden.
Dazu falle dem Umweltminister nicht mehr ein als zu sagen: „Neun Landeshauptleute sind verantwortlich“, kritisierte
Glawischnig und hielt fest, dass es sich beim „Immissionsschutzgesetz- Luft“ um ein Bundesgesetz handle, das dem
Umweltminister ermögliche, Weisungen an die Landeshauptleute zu erteilen und sie zu Maßnahmen zu zwingen.
Länder wie Niederösterreich und Kärnten ignorierten die Feinstaubbelastung aber komplett. Eltern,
die mehrmals pro Woche mit ihren asthmakranken Kindern zur Behandlung ins Krankenhaus fahren müssten, interessiere
nicht, wofür der Bundesminister und wofür die Landeshauptleute zuständig seien, sagte die Umweltsprecherin
der Grünen pointiert und fügte hinzu: „Wir erwarten echte Maßnahmen.“
Umweltminister DI PRÖLL bezeichnete die Feinstaubbelastung in Österreich und in der EU als ein
wichtiges Thema, das er sehr ernst nehme. Österreich habe mit dem „Immissionsschutzgesetz- Luft“ jedenfalls
ein ambitionierteres Schutzgesetz als die anderen EU-Länder und verfüge auch über eine gute diesbezügliche
Aufgabenverteilung. Er handle, hielt Pröll fest und nannte die Einführung schwefelfreier Kraftstoffe
seit 2004 sowie von Dieselpartikelfiltern ab 1. Juli 2005, eine Maßnahme mit der Österreich die deutsche
Autoindustrie in Zugzwang gebracht habe. Bereits 1998 seien strengere LKW-Abgasnormen durchgesetzt worden. Und
Österreich kämpfe weiter für die schnelle Einführung noch strengerer EU-Standards.
Der Umweltschutz sei aber keine One-Man-Show des Umweltministers. Beim Thema Feinstaub liege es an den Bundesländern,
die Verantwortung wahrzunehmen, die ihnen aufgrund des „Immissionsschutzgesetzes-Luft“ zukomme. Tirol etwa habe
ein Nachtfahrverbot verhängt und die Stadt Graz ein Tempolimit eingeführt. In Wien komme aber die zuständige
Stadträtin, eine ehemalige Umweltaktivistin, bei der Feinstaubbekämpfung „nicht in die Aktion“, klagte
Pröll.
Maßnahmen gegen die Feinstaubbelastung ließen sich wegen der oft punktuell auftretenden Spitzenbelastungen
nicht bundeseinheitlich regeln, sagte der Minister und rief die Bundesländer auf, alle gesetzlichen Möglichkeiten
auszuschöpfen, um Schritte in Richtung Abbau der Feinstaubbelastung zu setzen.
In der Debatte zeigte sich Abgeordneter MISSETHON (V) überrascht vom Versuch der Abgeordneten Glawischnig,
ihrer Freundin, der Wiener Umweltstadträtin Ulrike Sima, zu Hilfe zu eilen. Anders als die Wiener Grünen,
die die völlig überforderte Sima kritisierten, habe Glawischnig kein Wort über die Feinstaubbelastung
in Wien verloren.
Umweltminister Pröll hingegen sorge für eine gute Umweltpolitik in der Europäischen Union und mache
damit den Grünen ihre ökologische Kompetenz streitig. Beim Kampf gegen die Feinstaubbelastung seien die
Kompetenzen klar verteilt, sagte Missethon und lobte die Bundesregierung für ihr umfassendes Maßnahmenbündel
mit der Einführung schwefelfreier und Biokraftstoffe, der Förderung alternativer Fahrzeugtechnik, Sprit-Sparinitiativen
und nicht zuletzt durch die Einführung des Partikelfilters. Erst gestern habe die Regierung mit ihren Beschlüssen
zugunsten des Ausbaus der Summerauer Bahn und für den Semmering-Basistunnel wesentliche Weichenstellungen
zugunsten des umweltfreundlichen Verkehrsträgers Schiene gesetzt. Diese Bundesregierung betreibe eine vorbildliche
Umweltpolitik auf Basis einer ökosozialen Marktwirtschaft.
Abgeordneter KRAINER (S) warf dem Umweltminister vor, es sich beim Thema Feinstaubbelastung sehr leicht
zu machen. Es sei der Bevölkerung zu wenig, wenn sie höre, der Bund tue seine Schuldigkeit. Krainer verlangt
Maßnahmen nach dem Vorbild der Wiener Umweltpolitik, wobei er darauf aufmerksam machte, dass Wien nur Maßnahmen
gegen jene 25 % des Feinstaubs setzen könne, die aus Wien stammen, die restlichen 75 % stammten nämlich
aus Niederösterreich und Bratislava. Keine andere Stadt in Österreich habe die Fernwärme- und Erdgasversorgung
so ausgebaut wie Wien, der Anteil des Hausbrandes liege nur noch bei 4 %, keine Millionenstand der Welt habe ein
so gut ausgebautes Netz an öffentlichen Verkehrsmitteln wie Wien, was dazu führe, dass in keiner vergleichbaren
Stadt so wenig Auto gefahren werde wie in Wien. Dazu komme, dass kein einziger Autobus in Wien mit Diesel, sondern
alle mit Flüssiggas betrieben werden. Abschließend drängte Abgeordneter Krainer auf die Umsetzung
eines SPÖ-Antrages zur Einführung von Partikelfiltern auch für LKW, strengere Normen für Industrieabgase
und für eine vernünftige Umweltpolitik in der EU.
Abgeordneter WITTAUER (F) wies die Aussagen seines Vorredners als falsch zurück. Seiner Meinung nach
liegt die Verantwortung für die Feinstaubreduktion in vielen Ländern und Gemeinden bei SPÖ-Politikern.
Unter anderem kritisierte er die Ausbringung hoher Streusplittmengen in Wien und gab zu bedenken, dass nicht die
Regierung, sondern die Bundesländer für die Verhängung von Fahrverboten in Städten zuständig
seien. Generell bezeichnete Wittauer Österreich in vieler Hinsicht als Vorbild bei der Bekämpfung von
Feinstaub und wies u.a. auf die Förderung von Rußpartikelfiltern für Diesel-Pkw und die verpflichtende
Beimengung von Bio-Sprit hin.
Abgeordnete Dr. MOSER (G) warf der Koalition vor, Kompetenzstreitigkeiten auf dem Rücken der Kinder
auszutragen. Der Umweltminister lehne sich zurück und schaue tatenlos der Tatsache zu, dass die Länder
nichts oder zu wenig zur Reduzierung der Feinstaubbelastung unternehmen würden, kritisierte sie. Moser forderte
von Umweltminister Pröll, koordinierend tätig zu werden und beispielsweise die Länder zu einem Feinstaub-Gipfel
nach Wien zu rufen. Überdies verlangte sie verpflichtende Dieselpartikelfilter auch für Lkw und Busse.
Abgeordnete MAREK (V) wandte sich gegen den "Zick-Zack-Kurs der Grünen". Diese wollen ihrer
Meinung nach die Zuständigkeiten, so wie es ihnen gerade passe, von den Ländern zum Bund und umgekehrt
hin- und herschieben. Marek zufolge hat der Bund "seine Hausaufgaben gemacht" und bereits zahlreiche
Maßnahmen zur Reduktion der Feinstaubbelastung umgesetzt. Unter anderem verwies sie auf die Einführung
von schwefelfreiem Benzin und schwefelarmem Diesel sowie das Bonus-Malus-System für Dieselpartikelfilter.
Für die Bundeshauptstadt Wien forderte die Abgeordnete die Vorlage eines konkreten Maßnahmenplans durch
Umweltstadträtin Sima, wobei sie etwa die Gratisbenützung öffentlicher Verkehrsmittel an Tagen mit
besonders hoher Feinstaubbelastung anregte.
Abgeordnete SILHAVY (S) machte geltend, dass Feinstaub keine Gemeinde-, Landes- und Staatsgrenzen kenne.
Jeder müsse in seinem Bereich alles tun, was möglich sei, unterstrich sie. In Graz seien, so Silhavy,
beispielsweise vom Umweltstadtrat 20 Mill. € für Maßnahmen zur Reduktion der Feinstaubbelastung zur
Verfügung gestellt worden. Graz habe sich auch bereits zwei Mal mit der Bitte um Fahrverbote für Fahrzeuge
ohne Dieselpartikelfilter an die Landesregierung gewandt, diese habe jedoch nicht reagiert. Statt dessen würden
Landespolitiker für die Anhebung der Grenzwerte eintreten, kritisierte die Abgeordnete.
Abgeordneter Mag. HAUPT (F) machte darauf aufmerksam, dass es der Wunsch der Landeshauptleute gewesen sei,
die Zuständigkeit für die Luftreinhaltung zu übernehmen. Wenn die Landeshauptleute die Verantwortung
übernehmen wollten, dann hätten sie auch die Verpflichtung, diese wahrzunehmen, bekräftigte er.
Haupt ist überzeugt, dass mit lokalen Maßnahmen eine maßgebliche Reduktion der Feinstaubbelastung
möglich wäre. So würden ihm zufolge bestimmte Straßenbeläge die Feinstaubmengen massiv
verringern. Haupt forderte überdies die bevorzugte Behandlung umweltbewusster Autofahrer.
Abgeordnete REST-HINTERSEER (G) erachtet es, wie sie sagte, für nicht angebracht, die ganze Zeit davon
zu sprechen, wofür der Minister nicht zuständig sei. "Wir reden vom Feinstaub", betonte sie,
dieser sei so klein, dass ihn kein Auge sehe und dass er leicht in die Lunge und sogar bis ins Blut gelange. Für
Rest-Hinterseer ist die oberste Bundesbehörde in Sachen Luftreinhaltung immer noch das Umweltministerium.
Der Minister könnte Weisungen erlassen, betonte sie, er sei in der Frage der Feinstaubbelastung bisher aber
gescheitert. Die Abgeordnete kommt zum Schluss: "Jeder Tag, den diese Regierung im Amt ist, ist ein verlorener
Tag für die Umwelt". |