Ärzte, Wissenschaft, Politik und Selbsthilfe-Gruppen setzen auf Aufklärung
und Information
Wien (rk) - Die kommenden Monate werden ganz im Zeichen der Aufklärung und Information
zum Thema rheumatische Erkrankungen stehen. So wird zum Beispiel ein "Rheuma-Bus" von Wien aus durch
Österreich touren und interessierte Menschen aufklären und beraten. Höhepunkt der Aktivitäten
wird vom 8.-11. Juni 2005 der "EULAR 2005" sein, der heuer in Wien stattfindende Kongress der European
League against Rheumatism, der Tausende Teilnehmer in die Bundeshauptstadt führen wird. Bei einer hochkarätigen
Pressekonferenz in Wien mit Gesundheits- und Sozialstadträtin Stadträtin Mag.a Renate Brauner, dem Wiener
Ärztekammerpräsidenten Dr. Walter Dorner, dem Präsidenten der Österreichischen Gesellschaft
für Rheumatologie Univ.-Prof. Dr. Josef Smolen und Daniela Loisl, Präsidentin der Österreichischen
Rheumaliga, wurden am Donnerstag (31. 03.) die geplanten Aktivitäten und aktuellen Forderungen der "Aktion
2005 - Kampf dem Rheuma" vorgestellt.
Aufklärung und Information statt Bagatellisierung
"Die Aktion 2005 - Kampf dem Rheuma' hat ein sehr präzise definiertes Motiv: Durch Aufklärung
und Information auf möglichst breiter Basis soll sie dazu beizutragen, dass den rheumatischen Erkrankungen
jener Stellenwert in der Früherkennung und medizinischen Versorgung, aber auch in der Forschungsförderung
der Europäischen Union zukommt, der ihnen schon aufgrund ihrer weiten Verbreitung gebührt", betont
Univ.-Prof. Dr. Josef Smolen, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Rheumatologie. "Es
geht uns auch darum, dass diese Krankheiten in der öffentlichen Diskussion, in der Gesundheits- und Forschungspolitik
genau so ernst genommen werden, wie zum Beispiel Krebserkrankungen oder Herzinfarkt. Leider müssen wir in
der Praxis immer wieder feststellen, dass Schmerzen und Behinderungen - und rheumatische Krankheiten können
bekannter Maßen mit extremen Schmerzen einher gehen und die Gelenke zerstören - noch immer vielfach
bagatellisiert und in ihrer gesundheitlichen, psychischen, sozialen und letztlich auch wirtschaftlichen Dimension
stark unterschätzt werden. Hier ist also Aufklärung geboten."
Zwei Millionen Betroffene - enorme volkswirtschaftliche Konsequenzen
Dies ist schon deshalb wichtig, weil die Zahl der Betroffenen enorm hoch ist. In Österreich leiden
rund zwei Millionen Menschen an einer der zahlreichen Formen von Rheuma - praktisch jede Familie ist betroffen.
Mit dramatischen Folgen: Rheumatische Erkrankungen bedeuten im allgemeinen eine geringere Lebenserwartung von bis
zu 10 Jahren, die sich unter adäquater Behandlung normalisiert. Diese enorme Verbreitung hat auch massive
volkswirtschaftliche Folgen: In Österreich sind laut Statistik Austria 8,4 Millionen Krankenstandstage pro
Jahr durch Beschwerden des Stütz- und Bewegungsapparates bedingt. Bei einer Bevölkerung von 8,2 Millionen
bedeutet das im Durchschnitt einen Tag pro Person pro Jahr. Zum Vergleich: Bei Herz-Kreislauf-Krankheiten sind
es 5 Stunden pro Jahr. Rheumatische Erkrankungen sind für fast 200.000 Pensionen wegen geminderter Arbeitsfähigkeit
bzw. dauernder Erwerbsunfähigkeit verantwortlich. Damit findet sich diese Krankheitsgruppe auch bei der so
genannten Invaliditätspension an erster Stelle der Ursachen.
Rheumatische Erkrankungen oft verharmlost
Doch nicht nur die hohen Kosten für das Gesundheitssystem sind für die Initiatoren der Aktion
ein wichtiges Motiv. Rheumatische Erkrankungen bringen für die betroffenen Patientinnen und Patienten eine
erhebliche soziale und emotionale Belastung mit sich, die in ihrem Ausmaß und in ihren Folgen nicht unterschätzt
werden darf. "Aufklärungsarbeit ist deshalb so wichtig, weil Rheuma in Österreich traditionell verharmlost
wird. In den Köpfen der Menschen ist es zu Unrecht als eine 'unspektakuläre' Krankheit verankert",
kritisiert Daniela Loisl, Präsidentin der Österreichischen Rheumaliga. Entscheidend für Lebensqualität
sei auch eine möglichst frühe Behandlung. Loisl: "Hier stehen Österreichs Rheumakranke aber
vor einer schwierigen Situation, da es nur sehr wenige ausgebildete und praktizierende Fachärzte für
Rheumatologie gibt. Wir haben noch immer weiße Flecken auf der österreichischen Versorgungslandkarte.
Patienten in unterversorgten Gebieten bleiben daher oft in der Behandlung des Allgemeinmediziners und können
in ihrer Therapie nicht von neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen profitieren."
Gute Versorgungs- und Vorsorgestrukturen in Wien
Anders ist die Situation in der Bundeshauptstadt. "In Wien haben wir uns schon bisher dieses verbreiteten
Gesundheitsproblems angenommen und setzen wichtige Akzente in der Aufklärung und der Versorgung. Das Netz
für Betroffene ist dicht geknüpft", betont die Amtsführende Stadträtin für Gesundheit
und Soziales Mag.a Renate Brauner. Wien verfügt nicht nur über vier spezialisierte Abteilungen an den
Spitälern, sondern auch - und diese Versorgungsdichte ist in Österreich sicherlich einzigartig - über
12 Ambulanzen, an denen Spezialisten, so genannte Additivfachärzte, für Rheumatologie zur Verfügung
stehen. Dazu kommen fünf Ambulatorien als Anlaufstellen für Menschen, die an Rheuma erkrankt sind. Stadträtin
Brauner: "Aber nicht nur, was die Versorgung betrifft, auch in Sachen Aufklärung über rheumatische
Erkrankungen ist Wien seit langem aktiv." Bereits zum fünften Mal wird heuer im Oktober im Rathaus der
Wiener Rheumatag statt - eine Veranstaltung, die das Bewusstsein bei Patienten und Ärzten verstärken
soll. "Für die Gemeinde Wien ist es daher auch selbstverständlich und wichtig, diese wichtige Aktion
der Österreichischen Gesellschaft für Rheumatologie zu unterstützen", so die Gesundheitsstadträtin.
Aktive Ärzteschaft
Unterstützung für die aktuelle Rheuma-Aktion kommt auch von der Wiener Ärztekammer. Diese
beinhaltet intensivierte Aufklärungsarbeit in den Wiener Ordinationen, aber auch verstärkte Bemühungen
in Sachen Fortbildung speziell für die niedergelassene Ärzteschaft. "In Zusammenarbeit mit unserem
Fortbildungsreferat werden wir in den nächsten Monaten gezielt Seminare und Vorträge anbieten, die speziell
auf die Bedürfnisse der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen abgestimmt sind", betont Ärztekammerpräsident
Dr. Walter Dorner. Der Ärztechef erwartet sich dadurch einen "massiven Motivationsschub" in rechtzeitiger
Diagnose und verbesserter Therapie. "Was wir wollen, ist eine verstärkte Sensibilisierung sowohl bei
den Patienten als auch bei unseren Ärztinnen und Ärzten", so Präsident Dorner.
"Wir brauchen mehr Aufklärung über die gesundheitspolitische, volkswirtschaftliche und individuelle
Bedeutung rheumatischer Krankheiten sowie eine frühere Erkennung, bessere Diagnostik und weitere Verbesserung
der Behandlung für die Betroffenen", fasst ÖGR-Präsident Prof. Smolen die Ziele der neuen Initiative
zusammen. "Österreich - und durch seine Struktur insbesondere der Wiener Raum - muss seine zentrale Stellung
in der rheumatologischen Forschung in Mittel- und Osteuropas weiter ausbauen." |