Pichler: Viele Verbesserungen erreicht, aber Komplexität und Umsetzungsaufwand müssen
vom Europäischen Parlament noch weiter reduziert werden
Wien (pwk) - Das Schwergewicht der Diskussion über das EU-Richtlinienvorhaben zu Basel II hat
sich in der finalen Phase nun auf das Europäische Parlament verlagert. Der Bericht des Berichterstatters an
das Europäische Parlament steht unmittelbar bevor. Daher hat die Bundessparte Bank und Versicherung der Wirtschaftskammer
Österreich den Berichterstatter Alexander Radwan sowie den in finanzwirtschaftlichen Fragen besonders engagierten
Vertreter österreichischer Interessen MdEP Othmar Karas zu einer Diskussionsveranstaltung in die Wirtschaftskammer
Österreich eingeladen. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz betonte der Geschäftsführer der Bundessparte
Bank und Versicherung, Herbert Pichler, dass es gelungen sei, bei Basel II eine große Zahl wichtiger Verbesserungen
durchzusetzen. „Dennoch besteht nach wie vor Handlungsbedarf, um die weiterhin zu hohe Komplexität bzw. den
hohen Aufwand bei der Umsetzung dieses Konzepts zu reduzieren. Die Bundessparte hat daher eine Reihe dringender
Forderungen zur weiteren Verbesserung des Paketes vorgelegt.“
Die wesentlichen Punkte sind die Anhebung der Grenze für begünstigte Retailkredite auf zwei Millionen
Euro im Interesse der Klein- und Mittelbetriebe, keine zwingende Anwendung von Basel II-Verpflichtungen vor dem
1.1.2008, möglichst breite Zulässigkeit von Teilanwendungen, einheitliche Regelung der Ausfallsdefinition,
die Vermeidung von Doppelberechnungen beim Umstieg in das neue System sowie Kritik an zu aufwendigen Veröffentlichungspflichten,
die sich zu sehr an den Erfordernissen des Kapitalmarktes orientieren.
Außerdem sei zu berücksichtigen, dass Basel II nicht nur aus den neuen Eigenmittel-, Aufsichts- und
Veröffentlichungsbestimmungen selbst bestehe, machte Pichler aufmerksam. Die Diskussion darüber umfasst
zB auch das neue, risikoorientierte Meldewesen, wo der Zusatzaufwand in Grenzen gehalten werden muss, ein neues
Aufsichtssystem mit umfassenden Neuregelungen für den Prüfungsprozess, das Genehmigungsverfahren für
die Risikomanagementansätze sowie Standards für das Kreditgeschäft.
Pichler wies auch darauf hin, dass die EU-Kommission ein eigenes Komitee der europäischen Bankenaufseher (CEBS)
mit dem Ziel eingesetzt hat, Detailregelungen insbesondere zu Basel II sowie Leitlinien für die Umsetzung
zu formulieren. Zusätzlich wurde ein Beratungsgremium des CEBS mit 17 europäischen Bankexperten eingerichtet,
dem von österreichischer Seite der Geschäftsführer der Bundessparte Bank und Versicherung, Herbert
Pichler, angehört, der auch dort die Interessen der österreichischen Kreditwirtschaft vertritt. „Ich
gehe dabei von den Grundsätzen aus: Begrenzung der Regulierungswelle, Betonung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit
bei Regulierungen sowie Notwendigkeit der besseren Abstimmung der Aufsichtstätigkeit zwischen den Aufsichtsbehörden“,
so der Bundesgeschäftsführer.
Bezüglich der Standards für das Kreditgeschäft sprach sich Pichler für die Möglichkeit
alternativer Wege zur Erreichung der Ziele der Finanzmarktaufsichts-Standards aus: „Auch wenn es in einer Reihe
von sachlichen Gesprächen mit der Finanzmarktaufsicht möglich war, zu praxisgerechteren Lösungen
zu gelangen (Empfehlungscharakter, zeitgleiches Inkrafttreten, alternative Konzepte zulässig), so bleiben
doch die grundsätzlichen Bedenken der österreichischen Kreditwirtschaft gegen die FMA-Standards für
das Kreditgeschäft aufrecht.“ Es bestünden nach wie vor begründete Zweifel an der Richtigkeit des
Konzepts der Trennung Markt/Marktfolge sowie wesentliche Vorbehalte gegen eine zu aufwendige Bürokratie und
mögliche Eingriffe in die Organisationsstruktur der Kreditinstitute. „Angesichts der dynamischen Entwicklungen
auf den Finanzmärkten ist für die heimische Kreditwirtschaft die Weiterentwicklung des Risikomanagements
ein wichtiges Anliegen. Die Grenze muss allerdings dort liegen, wo Überregulierungen unmittelbar in die Aufgaben
der Geschäftsleitungen einzugreifen drohen“, erklärte Pichler.
Hingewiesen wurde von Seiten der Bundeskreditsparte auch auf den EU-Aktionsplan Finanzdienstleistungen, bei dem
bei allem Verständnis für die Bemühungen um die Weiterentwicklung des Binnenmarktes mit 39 Regulierungen
in 5 Jahren große Gefahr der Überforderung bestünde, stellte Pichler fest. „Wir treten daher mit
großem Nachdruck für eine Begrenzung der Kosten aus der Regulierungswelle ein. Neue Regulierungen sollten
nur dort erfolgen, wo dies unbedingt erforderlich ist und jedenfalls mit einer verpflichtenden Kosten/Nutzenanalyse
verbunden sein.“ |