Sturm kritisiert mangelnde Dialog-Bereitschaft - Schönborn für Absicherung von Eckpunkten
Wien (epd Ö) - In scharfen Worten kritisieren die evangelische und die katholische Kirche die
ÖVP wegen der geplanten Abschaffung der Zweidrittelmehrheit für die Erlassung bzw. Änderung von
Schulgesetzen. Der evangelisch-lutherische Bischof Herwig Sturm zeigte sich am Sonntag (17. 04.) über
die mangelnde Dialog-Bereitschaft der Regierung betroffen und sieht in dieser Frage "gerade eine christlich-soziale
Partei besonders gefordert". Kardinal Christoph Schönborn bezeichnete am Sonntag unmittelbar vor dem
Einzug ins Konklave die Haltung der ÖVP in dieser Frage als "nur schwer nachvollziehbar". Dies umso
mehr, als viele Politiker und Experten vor allem aus dem VP-Bereich mit der Haltung der Kirchen und Religionsgemeinschaften
"voll übereinstimmen".
Die Regierung plant, die Zwei-Drittel-Erfordernis für Schulgesetze ersatzlos zu streichen. Am Mittwoch befasst
sich der parlamentarische Unterrichtsausschuss mit einem entsprechenden Regierungsantrag und einem inhaltlich identen
Antrag der Regierungsparteien. Gegen dieses Vorhaben haben sich wiederholt die Kirchen ausgesprochen. Seit Wochen
macht nicht nur eine breite Plattform aus katholischen Verbänden sondern auch die SPÖ gegen die Abschaffung
mobil. Sie fordern die Absicherung von Eckpunkten des Schulwesens durch Zweidrittelmehrheit.
Der evangelisch-lutherische Bischof Herwig Sturm meinte dazu am Sonntag: "Schulreformen sollen ermöglicht
werden, das ist keine Frage. Die Kirchen und andere Religionsgesellschaften - die zusammen fast 90 Prozent der
österreichischen Bevölkerung repräsentieren - haben aber übereinstimmend eine verfassungsrechtliche
Verankerung der Ziele der österreichischen Schule, des Religionsunterrichts und des privaten Schulwesens eingefordert".
Die ersatzlose Streichung der Zweidrittelmehrheit ohne vorangehende Gespräche sei eine Vorgangsweise, "in
der wir eine Missachtung der Kooperation mit den Kirchen und Religionsgesellschaften sehen, wie wir sie noch nicht
erlebt haben", stellte Bischof Sturm wörtlich fest: "Ist das der neue Stil, in Österreich miteinander
umzugehen? Wir sind und bleiben all denen zu Dank verpflichtet, die zum Innehalten, zum Gespräch und für
eine konsensorientierte Lösung eintreten. Hier wäre gerade eine christlich-soziale Partei besonders gefordert".
"Es gibt eine breite Bewegung in Österreich, die ein klares 'Ja' zu Reformen im Schulbereich mit der
Forderung verbindet, dass die 'Eckpunkte' weiterhin durch Zweidrittelmehrheit abgesichert sein müssen. Schule
braucht auch Stabilität und Verlässlichkeit", so Kardinal Schönborn.
Die katholische Kirche vertrete dabei nicht in erster Linie "Eigeninteressen". Daher treffe auch der
ständige Hinweis auf das Konkordat nicht den Punkt. "Der katholischen Kirche geht es in der Schulfrage
um einen Beitrag zum Gemeinwohl und auch um den 'geschwisterlichen Einsatz' für die Mehrzahl der anderen Kirchen
und Religionsgemeinschaften, deren schulische Position nicht durch einen völkerrechtlichen Vertrag abgesichert
ist."
Zudem habe die römisch-katholische Kirche nun durch die Gespräche mit der SPÖ einen wichtigen Beitrag
geleistet, um Brücken hin zu einem politischen Konsens zu bauen. "Dass dieser Konsens von der ÖVP
bis jetzt nicht aufgegriffen wird, stimmt mich sehr nachdenklich", so Schönborn wörtlich: "Ich
halte daher nochmals fest: Es gibt dringenden Gesprächsbedarf und man wird um ein Ringen um angemessen differenzierte
Lösungen nicht herumkommen. Es kann nicht sein, dass nun all diejenigen, die wie die Kirche genau das einfordern,
als 'Bremser' in Misskredit gebracht werden. Dafür ist die Sachfrage zu wichtig und die demokratiepolitische
Nagelprobe zu offenkundig". |