Das dritte Eisenbahnpaket im EU-Ausschuß des Bundesrats  

erstellt am
13. 04. 05

Länderkammer eröffnet Debatte über weitere Bahn-Liberalisierungen
Wien (pk) - Der EU-Ausschuss des Bundesrats hat am Dienstag (12. 04.) fünf EU-Vorlagen zum Themenkomplex "Drittes Eisenbahnpaket" gemeinsam in Verhandlung genommen und nach einer ausführlichen Debatte einstimmig vertagt. Da das „Dritte Eisenbahnpaket“ von der COSAC, der Konferenz der Europa-Ausschüsse der nationalen Parlamente, als Thema für parlamentarische Testläufe zur Prüfung der Subsidiaritätskriterien vorgeschlagen wurde, beschloss der Ausschuss nach einer von allen Mitgliedern als gut beurteilten Diskussion auf Antrag seines Obmanns Gottfried Kneifel, dem COSAC-Sekretariat zu melden, dass der EU-Ausschuss des Bundesrats die Verhandlungen über das dritte Eisenbahnpaket aufgenommen habe, „auch wenn man nicht alle Subsidiaritätskriterien erschöpfend abgetestet habe“. Ein solches Verfahren setze nämlich, wie Bundesrat Stefan Schennach in der Debatte ausführte, eine Geschäftsordnungsreform sowie eine Abstimmung mit Nationalrat und Bundesländern voraus.

Eingangs der Debatte erläuterte seitens des Ressorts Mag. Klaus Gstettenbauer zwei Richtlinien- und zwei Verordnungsvorschläge sowie eine Kommissions-Mitteilung mit Regelungen für die Zulassung von Lokomotivführern auf dem Europäischen Eisenbahnnetz, was Änderungen im heimischen Eisenbahngesetz und in der Triebfahrzeugführer-Verordnung erforderlich mache, von Österreich, das den europäischen Lokführerschein schon beim zweiten Eisenbahnpaket gewünscht habe, aber positiv beurteilt werde.

Differenziert werde der Vorschlag der EU-Kommission diskutiert, nach der Liberalisierung des Güterverkehrs ab 2007 (samt Cabotage), auch den Personenverkehr dem Wettbewerb zu öffnen und Eisenbahnunternehmen ab 2010 Zugang zur Infrastruktur aller Mitgliedstaaten – wenn auch ohne Cabotage - einzuräumen.

Fahrgäste sollen im grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehr innerhalb der Gemeinschaft Anspruch auf Reiseinformationen und auf den Transport ihres Gepäcks haben, zudem ist an Haftungsregeln, besondere Rechte von Personen mit eingeschränkter Mobilität sowie an Regelungen für Qualität, Sicherheit und Beschwerden gedacht, was Österreich ablehne, weil es zu einem doppelten Haftungsregime auf heimischen Strecken führen würde.

Im Schienengüterverkehr will die EU Mindestqualitätsklauseln auch im innerstaatlichen Verkehr einführen. Beförderungsverträge sollen Vereinbarungen zu Übergabezeiten sowie Haftungs- und Schadenersatzregelungen enthalten. Durch ein geeignetes Verfahren soll die Einhaltung der Qualitätsverpflichtungen überwacht werden. Österreich lehne diesen Vorschlag aus Kostengründen ab, berichtete Gstettenbauer.

Der Experte führte weiter aus, dass die Kommission und die Mehrheit des Europäischen Parlaments auf einer Paketlösung bestehe, während Österreich und die Mehrheit des Rates sich auch vorstellen könne, das Paket wieder aufzuschnüren.

Bundesrat Ewald Lindinger (S) erkundigte sich danach, ob über die Lokführer hinaus auch das Zugsbegleitpersonal europaweit grenzüberschreitend tätig werden können soll. Lindingers Befürchtung lautete, dass so in einem Zug von Budapest nach Paris billigeres Begleitpersonal auf einer österreichischen Strecke zum Einsatz käme.

Mag. Gstettenbauer erinnerte daran, dass Österreich sich für die Harmonisierung auch des Begleitpersonals ausgesprochen habe, mit diesem Vorschlag bislang aber in der Minderheit geblieben sei. Es sei aber nicht auszuschließen, dass dieses Thema durch eine Initiative des Europäischen Parlaments wieder in Diskussion komme. Nach derzeitigem Stand der Diskussion sei aber damit zu rechnen, dass in einem ersten Schritt die Lokführer und erst in einem zweiten Schritt das Zugsbegleitpersonal harmonisiert werden.

Bundesrat Heribert Bogensberger (V) fragte, wann die Europäische Eisenbahnagentur ihre Tätigkeit aufnehme und wie Österreich dort vertreten sei.

Mag. Gstettenbauer teilte mit, dass die Europäische Eisenbahnagentur ihre Tätigkeit Mitte Juni 2005 aufnehmen werde. Österreich werde in dieser Organisation mehrfach vertreten sein, einerseits auf der Ebene der Arbeitsgruppen, andererseits im Ausschuss, in dem die Mitgliedstaaten repräsentiert seien. Ein Hauptarbeitsgebiet der Agentur seien die Sicherheitsstandards, ein Thema, bei dem Gstettenbauer den Ausschussmitgliedern mitteilen könne, dass niemand daran denke, Sicherheitsstandards zu senken.

Bundesrätin Sissy Roth-Halvax (V) brachte die “Kundenzufriedenheitsoffensive” und die “Kundencharta“ der ÖBB zur Sprache und wollte aus der Sicht der Klimaschutzgemeinden, die den öffentlichen Nahverkehr forcieren, wissen, ob auch dieser in die Qualitätsverbesserungen einbezogen werde.

Mag. Gstettenbauer antwortete, dass das dritte Eisenbahnpaket nur für den grenzüberschreitenden Verkehr gelte, weiter gehende Qualitätsbestimmungen würden Preisaufschläge nach sich ziehen.

Bundesrat Karl Boden (S) konnte sich nicht vorstellen, dass ein Lokomotivführer aus zeitlichen Gründen mit einem europäischen Lokführerschein von Budapest bis Paris oder Hamburg durchfahren könne, und wollte daher wissen, ob an doppelte Zugsbesetzungen gedacht sei und ob das Kostenargument dann noch stimme. Boden erkundigte sich auch nach den Sprachkenntnissen, die notwendig wären, um als Lokführer auf Strecken im Ausland fahren zu können. Boden trat dafür ein, dass Sicherheitsstandards, Ausbildung und Prüfungen für alle Lokführer gleich sein müssen.

Außerdem fragte der Bundesrat nach dem Erwerb der notwendigen Streckenkenntnisse, sowie nach Form und Voraussetzungen der künftigen Lokführerlizenz.
     
Mag. Gstettenbauer klärte auf, dass im grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehr mehrere Lokführer zum Einsatz kommen können, dass aber die Arbeitszeitfragen nicht im „Dritten Eisenbahnpaket“ sondern anderswo geregelt werden. Der europäische Lokführerschein werde aber nicht auf Langstrecken relevant werden, weil dort das Flugzeug konkurrenzfähiger sei, sondern auf kleineren Strecken im grenzüberschreitenden Verkehr. Hinsichtlich der Lizenz sei ein personenbezogener Führerschein und eine zertifizierte Zusatzbescheinigung vorgeschlagen, die der Lokführer vom jeweiligen Unternehmen im Ausland erhält. Dieses Zertifikat setze den Erwerb von Streckenkenntnissen voraus. Über die Regelung der Sprachkenntnisse werde noch diskutiert. Es wäre wünschenswert, wenn sich das Englische als „lingua franca“ durchsetze wie im Flugverkehr, sagte der Experte. Ausbildungsfragen werden ein weiteres Arbeitsgebiet der Europäischen Eisenbahnagentur darstellen. Er erwarte einheitliche Vorschriften auf hohem Niveau, sagte Gstettenbauer.

Bundesrat Franz-Eduard Kühnel (V) sprach die Hoffnung aus, dass das österreichische Eisenbahnangebot durch die Streckenöffnung ab 2010 verbessert werde. Konkret wollte er wissen, ob der deutsche ICE and der französische TGV dann auch in Österreich verkehren werden.

Mag. Gstettenbauer hielt fest, dass ICE und TGV nach der Marktöffnung in Österreich fahren können und dass dies auf Grund von Vereinbarungen der Eisenbahnunternehmungen schon seit 1991 möglich sei.

Bundesrat Stefan Schennach (G) erbat eine Marktanalyse über die Auswirkungen des dritten Eisenpakets sowie zur Frage, mit wie vielen privaten Interessenten zu rechnen sei. Schennach wollte auch wissen, ob die ÖBB künftig die Möglichkeit haben werden, in Tschechien bis nach Prag zu fahren. Die Staatsbahnen seien etwas träge geworden, meinte Schennach, der sich von privaten Angeboten eine neue Pionierphase für die europäischen Eisenbahnen erwartete.

Ob das dritte Eisenbahnpaket ein gutes Thema für einen Testlauf für das Subsidiaritätsprüfungsverfahren sei, sei dahingestellt, jedenfalls bedürfe eine Subsidiaritätsprüfung einer Geschäftsordnungsreform sowie einer Abstimmung mit dem Nationalrat und den Bundesländern. Ob die Länder und Gemeinden den Anforderungen einer Subsidiaritätsprüfung auf dem Feld des Eisenbahnrechtes gewachsen seien, sei fraglich, meinte Schennach, seiner Meinung nach verletze das dritte Eisenbahnpaket die Subsidiarität nicht. Die Forderung, dass Lokführer mehrsprachig sein sollten, bewertete Schennach positiv.

Ausschussobmann Kneifel sah das Dritte Eisenbahnpaket als geeignet für einen Testlauf zur Prüfung der Subsidiaritätskriterien an. Auch wenn der Ausschuss heute nicht alle Subsidiaritätskriterien „abklopfen“ könne, sei es ein gutes Zeichen, dass der Bundesrat in einer wichtigen EU-Thematik voran gehe.

Mag. Gstettenbauer teilte den Ausschussmitgliedern mit, dass sich die EU-Kommission von der Umsetzung des dritten Eisenbahnpakets eine Steigerung des Güterverkehrs auf der Schiene um 15 % und beim Personenverkehr einen Marktanteils-Zuwachs von 6 % auf 10 % erwarte.

Die ÖBB könnten auf dem tschechischen Schienennetz fahren, wenn sie das wollen.

Bundesrat Siegfried Kampl (F) sah ebenfalls einen großen Nachholbedarf der ÖBB bei der Qualität des Angebots.

Mag. Gstettenbauer erläuterte den österreichischen Standpunkt zur Verbesserung der Qualitätskriterien als insgesamt positiv. Der vorliegende Entwurf würde aber auf unterschiedliche Haftungsregeln hinauslaufen. Eine Ablehnung würde keine Verschlechterung der Qualität bedeuten, sagte Gstettenbauer, und wies darauf hin, dass es nicht zweckmäßig wäre, unterschiedliche Haftungsregeln in verschiedenen Zügen auf derselben Strecke einzuführen. Beim Frachtverkehr wiederum seien Einschränkungen der Vertragsfreiheit zu befürchten, ohne dass dadurch die Qualität der Dienstleistung erhöht würde.

Bundesrat Albrecht Konecny (S) sprach hinsichtlich der Prüfung der Subsidiaritätskriterien von einem guten „Trockendockversuch“. Während das Kriterium der Vertragsfreiheit, das für alle gelte, kein Thema für eine Subsidiaritätsprüfung sei, könnte man die Frage stellen, ob etwa Cabotage nicht besser subsidiär zu regeln sei.

Bundesrat Ewald Lindinger (S) klärte darüber auf, dass man schon heute mit dem ICE von Wien nach Hamburg fahren könne. Er sei nicht gegen die Liberalisierung, aber unbedingt für die Beibehaltung der Sicherheitsstandards. Es sei auch nicht im Sinne des Umweltschutzes, wenn private Dieselloks auf elektrifizierten österreichischen Strecken unterwegs seien.

Um die Qualifikation der europäischen Lokführer zeigte sich Lindinger insofern besorgt, als von ihnen künftig keine technische Berufsausbildung mehr verlangt werde, sondern eine kaufmännische Ausbildung als Voraussetzung ausreiche. Parallel zur Harmonisierung der Lokführerausbildung wäre es notwendig, in Europa auch die Signal- und Sicherungsanlagen zu harmonisieren.

Mag. Gstettenbauer konnte keine Nivellierung bei der Lokführerausbildung durch das Dritte Eisenbahnpaket erkennen.

Bundesrat Siegfried Kampl (F) meinte, man könne von jungen Lokführern durchaus ein Mindestmaß an Fremdsprachenkenntnissen verlangen. Bundesrat Kampl brachte den schließlich einstimmig angenommenen Vertagungsantrag ein.

Ausschussobmann Kneifel stellte abschließend fest, dass die heutige Diskussion die Subsidiaritätskriterien nicht erschöpfend abgetestet habe, stellte aber den Antrag zur Abstimmung, dem COSAC-Sekretariat zu melden, dass der EU-Ausschuss des Bundesrates die Verhandlungen über das dritte Eisenbahnpaket aufgenommen habe.

Die Vorlagen
Bei den vorgelegten Dokumenten handelte es sich um Richtlinienvorschläge "Zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft" (25726/EU/XXII.GP) und "Über die Zertifizierung von mit dem Führen von Triebfahrzeugen und Lokomotiven im Eisenbahnnetz der Gemeinschaft betrauten Zugpersonal" (25725/EU XXII.GP), um Verordnungsvorschläge "Über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehr" (25727/EU XXII.GP) und "Über Entschädigungen bei Nichterfüllung vertraglicher Qualitätsanforderungen im Schienengüterverkehr" (25729/EU XXII.GP) sowie um eine Mitteilung der Kommission zur "Fortsetzung der Integration des europäischen Eisenbahnsystems" (26419/EU XX.GP).
     
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