Die Sinalco-Epoche  

erstellt am
13. 04. 05

Essen, Trinken, Konsumieren nach 1945 – Eine Ausstellung des Wien Museums Karlsplatz
Wien (wien museum) - "Land der Erbsen, Land der Bohnen, Land der vier Besatzungszonen...". So lautete eine spöttische Abwandlung der 1947 eingeführten österreichischen Bundeshymne. Hülsenfrüchte, Trockenmilch und Konserven aus Lebensmittel-Hilfslieferungen prägten in den Nachkriegsjahren den Speisezettel. Hunger war für viele eine alltägliche Erfahrung. Ab den 1950er Jahren stabilisierte sich die Situation und es herrschte ein starker Nachholbedarf auf kulinarischer Ebene. Kalte Platten, Hawaii-Schnitzel und bunte Erfrischungsgetränke begleiteten das beginnende "Wirtschaftswunder", sie wurden zu Sinnbildern für ein besseres und leichteres Leben. Als Leitmotiv für die Familienköchin galt "Koche mit Liebe!", bei Tisch wurden gute Manieren verlangt. Einbauküchen und elektrische Haushaltsgeräte entwickelten sich zu begehrten Konsumgütern und Statussymbolen. Traditionsreiche Klischees von Wien als Stadt der kulinarischen Genüsse erfuhren eine Wiederbelebung und fanden in der berühmt-berüchtigten "Reblaus-Diplomatie" rund um den Staatsvertrag einen Höhepunkt.

Aufschwung
Im individuellen wie im kollektiven Gedächtnis ist die "Erfolgsgeschichte" der Zweiten Republik stark mit dem Wandel der Ernährungs- und Konsummöglichkeiten verknüpft. An der verbesserten Ernährungssituation konnte man am eigenen Leib den Aufschwung spüren. Die Teilhabe aller Bevölkerungsschichten am Konsum und an der wachsenden Produktivität bildete eine wichtige Basis der Nachkriegsgesellschaft. Bis Ende der 1970er Jahre stiegen die Haushaltsbudgets. Für Lebensmittel musste anteilsmäßig immer weniger ausgegeben werden.

Essen und Einkaufen in Wien
Die Ausstellung beschäftigt sich am Beispiel Wiens mit der Entwicklung von der Mangelwirtschaft zur Konsum- und Wohlstandsgesellschaft. Was wurde in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg gegessen und getrunken? Wer hat gekocht? Welche neuen Konsumgüter veränderten das Alltagsleben? Was servierte man Gästen? Die zunehmende Beschleunigung des Lebens brachte Selbstbedienung, Espressos, Küchenmaschinen und Fertigprodukte hervor. Im Warenangebot zeigte sich eine zunehmende Internationalisierung. Die Werbung offerierte Wunschbilder und Identifikationsangebote.

Zeitalter der Erfrischungen
Der Titel der Ausstellung dient als Chiffre für ein neues, konsum- und genussorientiertes Lebensgefühl. Eisgekühlte Erfrischungsgetränke mit klingenden Namen - Sinalco, Libella, Chabesade - machten dem traditionellen "Kracherl" Konkurrenz. Mit dem Slogan "Mach mal Pause" bot sich das "Amerikawasser" Coca-Cola für die kurze Rast im Wiederaufbautempo an. Der Kühlschrank barg ein Schlaraffenland kalter Köstlichkeiten und wurde zu einem Leitobjekt.

Hamsterrucksäcke, Brezelhalter und Fernsehköche
Zu sehen sind Objekte sowie Bild- und Filmdokumente von 1945 bis in die frühen 1980er Jahre. Aus der unmittelbaren Nachkriegszeit stammt ein "Hausfreund" für das brennstoffarme Kochen. Brezel-, Flaschen- und Serviettenhalter aus Messingdraht zeugen von der phantasievollen Tischkultur der 1950er Jahre. Zahlreiche Werbeplakate erinnern an damals populäre, heute oft schon vergessene Markenprodukte. Ein filmisches Wiedersehen gibt es mit den Stars der Fernsehküche der 1960er Jahre, Helmuth Misak, Ernst Faseth und Hans Hofer. Highlights sind eine rationelle Einbauküche aus den 1950er Jahren sowie Einrichtungsteile aus dem legendären "Ohne Pause-Espresso" am Wiener Graben. Zu entdecken gibt es auch Kuriositäten wie den "schnellsten Schneeschläger der Welt" oder einen stromlinienförmigen elektrischen Tischbesen.

Die Ausstellung versteht sich als Beitrag zum Jubiläumsjahr 2005 (im Rahmen von "Begegnung findet Stadt", der Gedenkjahr-Initiative der Stadt Wien) sowie zum österreichweiten Museumsschwerpunkt "Alltagskultur nach 1945".

Eröffnung: Mittwoch, 11. Mai 2005, 18.30 Uhr
Ausstellungsort: Wien Museum Karlsplatz, 1040 Wien
Ausstellungsdauer: 12. Mai 2005 bis 25. September 2005
     
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