E-Control: Große Stromabnehmer nützen den offenen Markt, kleine kaum
Wien (pk) - Österreich hat schon im Oktober 2001 seinen Strommarkt und
im Jahr 2002 auch seinen Gasmarkt völlig für den Wettbewerb freigegeben und ist damit zum Vorreiter bei
der Liberalisierung der europäischen Energiewirtschaft geworden. Zwar haben 2004 weitere Länder ihre
Gas- und Strommärkte geöffnet, die Elektrizitäts- und die Erdgasbinnenmarktrichtlinie sind aber
nach wie vor nicht einheitlich umgesetzt. So skizziert Wirtschaftsminister Martin Bartenstein die Lage auf den
EU-Energiemärkten im Vorwort des Tätigkeitsberichts 2004 der unabhängigen Regulierungsbehörde
E-Control ( III-142 d.B.), der nunmehr dem Nationalrat vorliegt.
Neue EU-Richtlinien, seit Juli 2004 in Kraft, sollen die Haupthindernisse für einen voll funktionsfähigen
und wettbewerbsorientierten Strom- und Gasbinnenmarkt beseitigen. In Österreich bestand nur geringfügiger
Anpassungsbedarf. Mit einer ElWOG-Novelle wurde der Forderung entsprochen, den Netzbetrieb von anderen Tätigkeiten
eines integrierten Energieunternehmens rechtlich, organisatorisch und buchhalterisch zu trennen (=Unbundling).
Unbundling dient der Gleichbehandlung aller Marktteilnehmer, der Beseitigung von Diskriminierungspotenzialen und
der Vermeidung von Quersubventionen innerhalb der Unternehmen. Eine neue Verordnung „über Netzzugangsbedingungen
für den grenzüberschreitenden Stromhandel“ regelt die Zuweisung von Verbindungskapazitäten und legt
Tarifierungsgrundsätze fest. Eine entsprechende Verordnung für Erdgas soll 2006 in Kraft treten.
Die E-Control hat ihre Tätigkeit als Regulator weiter ausgedehnt und intensiviert, wobei die Untersuchung
der Elektrizitäts- und Gaswirtschaft gemeinsam mit der Bundeswettbewerbsbehörde, detaillierte Netztarifprüfungen,
das Thema Versorgungssicherheit, verstärkte Konsumenteninformation, der Bereich der erneuerbaren Energien,
die Aufgaben einer Energie-Schlichtungsstelle und Aktivitäten auf europäischer Ebene, insbesondere bei
CEER (Council of European Energy Regulators) und ERGEG (European Regulators Group for Electricity and Gas) im Mittelpunkt
standen.
Verfassungsgerichtshof bestätigt Systemnutzungstarife-Verordnung
Nicht ohne Stolz berichtete die E-Control, dass der Verfassungsgerichtshof im Jahr 2004 in mehreren Entscheidungen
die Systemnutzungstarife-Verordnung 2003 bestätigt hat, mit der die Energie-Control-Kommission die Netznutzungstarife
bestimmt hat. Die Ermittlung der Netzkosten, die Kostenzuordnung für integrierte Unternehmen, die Bestimmung
der Finanzierungskosten und die Festsetzung der Produktivitätsabschläge, durch die erzielbare Produktivitätsfortschritte
von den Netzbetreibern an die Kunden weitergegeben werden sollen, sind laut VfGH verfassungskonform.
Untersuchung der österreichischen Strom- und Gaswirtschaft
Nach angekündigten und erfolgten Strompreiserhöhungen sowie einer öffentlichen Diskussion über
die Wettbewerbssituation am Strommarkt hat Wirtschaftsminister Bartenstein die Bundeswettbewerbsbehörde und
die E-Control angeregt, unter Einbindung des Bundeskartellanwalts eine wettbewerbsrechtliche Branchenuntersuchung
einzuleiten. Ein erster Zwischenbericht vom November 2004 trifft Feststellungen zur Marktsituation. Bis Sommer
2005 soll die Untersuchung abgeschlossen werden. Auch die Situation am Gasmarkt wird von der Bundeswettbewerbsbehörde
untersucht.
Entwicklungen am Elektrizitätsmarkt 2004
Der Endverbrauch an elektrischer Energie stieg von 2002 auf 2003 um 1,8 TWh oder 3,2 % auf 57,6 TWh. Davon
stammten 50,4 TWh aus dem öffentlichen Netz, was einem Zuwachs von 2 TWh oder 4,2 % entspricht. Zu den Ursachen
des hohen Mehrverbrauchs zählen die erstmalige Erfassung der ganzen Einspeisemenge von Kleinwasserkraftwerken
und aus biogenen Brennstoffen, die Erhöhung der Sachgütererzeugung und Klimafaktoren. Temperaturunterschiede
zum Vorjahr bedingten Mehrverbrauch für Heiz- oder Kühlzwecke. Dazu kommt der Erzeugungsrückgang
der Wasserkraft-Eigenerzeuger, die ihren Bedarf verstärkt aus dem öffentlichen Netz deckten. Bereinigt
um die Einmaleffekte lag die Verbrauchsentwicklung im Kalenderjahr 2003 aber im Trend der letzten Jahre.
Im Gegensatz zur Vergangenheit registrierte die E-Control weniger Zusammenschluss- und Akquisitionsaktivitäten
der Unternehmen am Strommarkt. Wegen des geplanten Zusammenschlusses zwischen Verbund und Energie Allianz zur „Energie
Austria“ übernahmen Salzburg AG und Estag Verbund-Anteile an „Unsere Wasserkraft“ und „MyElectric“.
Seit dem Verkauf der APC (Austrian Power Vertriebs GmbH) an den slowenischen Konzern Istrabenz im Sommer 2004 -
Schlüsselauflage im
Zusammenschlussverfahren zur Energie Austria – beliefert ein völlig neues Unternehmen den österreichischen
Energiemarkt. Für die von der EU-Kommission bereits genehmigte Energie Austria war der Start der operativen
Tätigkeit ursprünglich mit 1. Oktober 2004 geplant, ob er nun 2005 erfolgen wird, ist immer noch offen.
Strategisch konzentrierten sich die Energieunternehmen auf ihre Kernkompetenz Versorgungsdienstleistungen und gaben
Beteiligungen außerhalb dieses Bereiches ab. Neben dem Strom- und Erdgasbereich ist ein Großteil der
heimischen Energieunternehmen direkt oder über Beteiligungen in Wasser- und Fernwärmeversorgung, Abfallverwertung,
Abwasserbeseitigung und Telekommunikation tätig.
Abgesehen von Beteiligungen an heimischen Betrieben gingen die Aktivitäten ausländischer Unternehmen
in Österreich zurück. Die EnBW Austria hat Österreich verlassen und ihre Großkunden an die
Steweag-Steg abgegeben. Ob der Wettbewerb durch die Verwirklichung der Energie Austria und den Marktaustritt der
EnBW geschwächt wird oder durch das Auftreten der Istrabenz neuen Schwung erhält, bleibt abzuwarten,
heißt es im Bericht der E-Control.
Seit 1. Oktober 2001 haben 54.400 Haushaltskunden oder 1,5 % ihren Versorger gewechselt. Energetisch entspricht
dies einem Wechsel von 0,2 TWh oder von 1,2 % des Stromverbrauchs der Haushaltskunden. Von den sonstigen Kleinabnehmern
in Gewerbe und Landwirtschaft haben in den ersten beiden Jahren der Vollliberalisierung sowie in den drei Quartalen
davor 52.600 ihren Versorger gewechselt. Diese Gruppe hat eine Wechselrate von 4,2 % oder 4,4 % gemessen am Stromverbrauch.
Vor allem kleine Strom- und Gaskunden sind wenig flexibel.
Demgegenüber haben insgesamt 18.200 Großabnehmer den Stromversorger gewechselt oder ihre Verträge
geändert - die Wechselrate von Großabnehmern beträgt 102 %. Energiemäßig wurde jede
von Großverbrauchern aus dem öffentlichen Netz bezogene Kilowattstunde mehrmals verhandelt bzw. gewechselt
(140 % des Jahresbezugs haben den Versorger gewechselt oder wurden neu verhandelt).
Ökostrom – erneuerbare Energieträger
Im Mai 2004 hat die EU-Kommission unter dem Titel „The Share of Renewable Energy in the EU“ über eine Evaluierung
der Förderung erneuerbarer Energie berichtet und prognostiziert, dass das Ziel von 22 % (EU-15) und von 21
% (EU-25) bis 2010 nicht erreicht werde. Der Anteil erneuerbarer Energie werde 18 % ausmachen. Österreich
liege bei seinem Ziel einer Anteilssteigerung von 70 % auf 78,1 % „fast auf Kurs“. Um administrative und netzbezogene
Probleme sowie Marktverzerrungen bei der Entwicklung erneuerbarer Energiequellen zu lösen, wird die Kommission
im Oktober 2005 Vorschläge für ein harmonisiertes Unterstützungssystem vorlegen.
Das 2003 in Kraft getretene Ökostromgesetz hat die Ökostromförderung in Österreich grundlegend
verändert. Für Ökostrom, Kleinwasserkraft und Kraft-Wärme-Kopplung gilt seither ein bundesweit
einheitliches Förderungssystem mit einheitlichen Einspeisetarifen für alle erneuerbaren Energieträger.
Die Zielquote für Kleinwasserkraft für 2008 wurde von 8 % auf 9 % erhöht und für sonstigen
Ökostrom mit mindestens 4 % festgelegt. Ökostrom und Strom aus Kleinwasserkraft wird im Rahmen von drei
Ökobilanzgruppen abgenommen. Seit 2003 gelten einheitliche Einspeisetarife und Zuschläge (Förderbeiträge).
Das Ökostromgesetz bewirkte einen enormen Ausbau der Ökostromanlagen. Relativ wuchs die flüssige
Biomasse am stärksten, absolut aber die Windkraft von 202 GWh auf 654 GWh. Den größten Anteil am
Ökostrom hat mit 4.000 GWh jährlich die Kleinwasserkraft.
Das im Ökostromgesetz für 2008 vorgegebene 4 %-Ziel für „sonstigen Ökostrom“ (Windkraft, Biomasse
u.a.) wird laut E-Control bereits 2005 überschritten werden. Das erforderliche Unterstützungsvolumen
wird von 69 Mill. € 2003 auf 156 Mill. € 2005 und auf 250 Mill. € 2007 steigen. Angesichts dieser Entwicklung hat
die Regierung im Oktober 2004 dem Nationalrat einen Novellenentwurf vorgelegt, um das jährlich für zusätzliche
neue Ökostromanlagen zur Verfügung stehende Unterstützungsvolumen zu begrenzen und das Fördersystem
effizienter zu gestalten. - Bislang konnte die für eine Ökostromgesetz-Novelle notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit
aber noch nicht erreicht werden.
Entwicklungen am Gasmarkt 2004
2003 wurden 8,6 Mrd. Nm3 oder 94,7 TWh an Haushalte, Wirtschaft und Kraftwerke abgegeben. Seit 2002 betrug
der Zuwachs 8,8 %. Ursachen für den hohen Verbrauchszuwachs waren der Anstieg des Heizbedarfs und der hohe
Gasverbrauch der Kraftwerke, die um 20 % mehr Strom aus Erdgas erzeugten als 2002. Der mittlere Verbrauchzuwachs
der letzten zehn Jahre lag bei 2,9 %. In den ersten drei Quartalen 2004 wurden 64,3 TWh bzw. 5,8 Mrd. Nm3 an Endkunden
geliefert. Dies entspricht einer Verbrauchssteigerung um 0,6 TWh oder 0,1 Mrd. Nm3 oder 0,9 %.
Da Erdgas durch andere Energieträger, vor allem durch Heizöl ersetzt werden kann, hängt sein Preis
vom Ölpreis ab. 2001 sanken die Energiepreise vom hohen Niveau des Jahres 2000 ab, stiegen seit Oktober 2002
bis April 2003 stark, beruhigten sich aber in der zweiten Jahreshälfte 2003. Im Sommer 2004 stiegen die Erdölpreise
- und damit auch die Erdgaspreise - massiv und lagen an einigen Tagen pro Barrel (Brent Blend) über 50 US-Dollar.
Die OPEC strebt ein Preisband mit 22 bis 28 US$ an, die Steuerung der Weltenergiepreise ist wegen der steigenden
Nachfrage nach Erdöl in Asien aber schwierig geworden. Die zusätzlich durch Prospektion gewinnbaren Energieressourcen
liegen in unsicheren Regionen (Terrorgefahr) und erfordern immer teurere Fördertechniken. Preistreibend wirkt
auch die starke Nachfrage nach schwefelarmem Öl. Und schließlich beeinflussen Spekulationen den Weltmarktpreis
für Erdölprodukte immer stärker. Im Vorfeld der US-Präsidentenwahlen 2004 war dies besonders
bemerkbar. Nach den Wahlen gingen die kurzfristig extrem hohen Rohölpreise und damit auch die Futures wieder
deutlich zurück. |