Dresden (idw) - Wenn im Sommer 2006 die Besucher der Landesgartenschau in Oschatz über eine der drei
Brücken das Flüsschen Döllnitz queren, begehen sie eine Weltneuheit: Das Bauwerk besteht aus textilbewehrten
Beton, in dem ein textiles Gelege statt Stahl den Beton verstärkt. Entwickelt wurde die Innovation von Wissenschaftlern
der Technischen Universität Dresden.
Mit dem ersten Prototypen in Oschatz soll die Machbarkeit nachgewiesen werden. Ziel der GWT und ihrer Kooperationspartner
ist es, die neue Technologie auf den Markt zu bringen. Der Prototyp dieser Brücke wurde nun im Otto-Mohr-Labor
der TU Dresden auf Herz und Nieren geprüft - und hat alle erwarteten Werte übertroffen. Textile Bewehrung
statt der bislang üblichen Stahlbewehrung wird in Dresden im Sonderforschungsbereich 528 erforscht, der von
der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird. Prof. Dr.-Ing. Manfred Curbach, Sprecher des SFB 528:
"Wir haben nach einer Alternative für Stahl gesucht und sie in den offenen Strukturen der textilen Gelege
gefunden!" Da man mit weniger Textilbeton den gleichen Wirkungsgrad wie mit Stahlbeton erzielen kann, eröffnet
die neue Technologie den Weg zum superleichten Bauen. Ein Grund für das Gewicht herkömmlicher Bauteile
liegt in der Schutzfunktion der Betondeckung, sie soll den Stahl vor der Korrosion bewahren. Die textilen Fasern
können hingegen in extrem dünnwandige Betonteile eingesetzt werden, um optimal den Kräften zu trotzen,
die an dem jeweiligen Bauteil wirken.
Die für die Landesgartenschau 2006 von den beiden Diplom-Ingenieuren Silvio Weiland und Dirk Jesse an der
Fakultät Bauingenieurwesen der TU Dresden geplante Brücke besticht durch ihre Bauteildicke von nur drei
Zentimetern. "Während diese Brücke aus Stahlbeton etwa 25 Tonnen wiegen würde, ist die nun
konstruierte mit 5 Tonnen im Vergleich dazu ein Fliegengewicht!", sagt Prof. Curbach.
Die Bauingenieure unterscheiden zwischen "Tragfähigkeit" (die Last, die die Brücke aushält,
bis sie kaputt geht) und Gebrauchstauglichkeit - was die Brücke im Alltag an Lasten zu bewältigen hat.
Prüfungen an den Einzelsegmenten und an der fertig montierten Brücke haben "ganz wunderbare Werte"
ergeben, wie Diplom-Ingenieur Dirk Jesse betont. Die in den einschlägigen Normen vorgeschriebenen Werte wurden
bei allen Prüfungen nicht nur erreicht, sondern deutlich übertroffen.
Die neun Meter lange Fußgängerbrücke besteht aus zehn jeweils 90 Zentimeter langen Segmenten, die
im Oschatzer Betonwerk vorgefertigt und mit sechs Stahllitzen der Firma Suspa-DSI vorgespannt werden. Die so im
Werk zusammengesetzte Brücke wird dann an den Einsatzort transportiert. In den Handläufen und in den
Rahmenecken sind Aussparungen für Leerrohre, die die interne verbundfreie Vorspannung aufnehmen. Diese Art
des Brückenaus ist in Deutschland ungewöhnlich und als Standardbauweise nicht zugelassen - weswegen es
bislang nur eine so gebaute Brücke in Deutschland gibt. Die Vorteile dieses Verfahrens waren bei der Herstellung
des Prototyps groß: "Wir haben während der Produktion vor allem bei Schalung und Bewehrung anfangs
noch deutlich optimieren können - das ist natürlich bei kleineren Segmenten günstiger als bei einer
Brücke, die aus einem Guss hergestellt wird," erläutert Dirk Jesse.
Nachdem die komplette Brücke im Otto-Mohr-Labor bis zum Versagen mit modernster Technik und computerunterstützt
untersucht wurde, kann nun eine zweite Brücke für die Landesgartenschau hergestellt werden. Die könnte,
wenn alles klappt, im Sommer aufgebaut werden. |