Stärkung des öffentlichen Verkehrs durch Nachhaltigkeit  

erstellt am
29. 04. 05

Fahrgastzahl beim VOR ist 2004 weiter gestiegen - Delphistudie auch zu Fragen zukünftiger Stadtplanung
Wien (rk) - Im Lebensraum von rund 3,5 Millionen Menschen, mit den Einzugsbereichen Wien, Niederösterreich und Burgenland, bedarfsgerecht und zukunftsorientiert zu agieren, bedeutet für den Verkehrsverbund Ost-Region (VOR) nicht nur an einer laufenden Optimierung des Verkehrsangebots - derzeit etwa 700 Linien - beim Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zu arbeiten, sondern auch eine stärkere Bewusstseinsbildung und neue Nutzungsmöglichkeiten anzustreben. Laufende Veranstaltungen des VOR sollen dem dienen, wie etwa die VOR-Dialoge und Workshops als Verbindungen zwischen Planung, Verkehrspraxis und Öffentlichkeit. Das jüngst abgehaltene Workshop hatte den Themenkomplex "Nachhaltigkeit" zum Gegenstand. Ein Begriff, der in Zusammenhang mit dem ÖPNV als einem der Hauptanliegen der Daseinsvorsorge, zunehmend Gestalt und Gewicht bekommt. Er ist mehr als nur Umweltbewusstsein und Sparsamkeit; trachtet, ein "nachhaltiges Verkehrssystem" zu entwickeln, das mit dem Schutz des Ökosystems vereinbar ist und die Möglichkeiten künftiger Generationen denkbar wenig belastet bzw. die Auswirkungen zu treffender Entscheidungen für die Zukunft berücksichtigt. Eine nahtlose Intermodalität der Wahl zwischen einzelnen Verkehrsmitteln ist ebenso wichtig wie Überlegungen zur Stadtplanung der Zukunft.

Es stellt sich, so VOR-Geschäftsführer Direktor Manfred Novy, die Frage, wie man auch beim ÖPNV die Nachhaltigkeit leben und erlebbar machen kann, und betont einleitend: "So simpel es klingen mag, der Zugang zum öffentlichen Verkehr beginnt bereits mit einer entsprechenden Information. Einen Einstieg dazu bildet die elektronische Fahrplanauskunft EFA - in die auch die Wiener Linien eingebunden sind. Die merkliche Steigerung bei deren Nutzung, aber auch von anderen Angeboten, ist ein deutliches Zeichen, dass sich neue Wege durchaus lohnen, die Verkehrsunternehmen haben dazu ihren Beitrag durch attraktivere Fahrzeuge und Anlagen zu leisten". Mit Hilfe der EFA können individuelle Fahrtrouten "von Tür zu Tür", also Kombinationen von Bahn, Schnellbahn, U-Bahn, Straßenbahn und Bus, erstellt werden. Die Zugriffszahl von derzeit etwa 70.000 pro Tag (!) von der VOR-Website abgefragten Fahrplänen spricht für sich.

Wesentliche Kriterien bei der Benützung des ÖPNV bilden, wie VOR-Geschäftsführer Mag. Wolfgang Schroll ausführt: "Ein leichter und barrierefreier Zugang zum öffentlichen Verkehr, auch für ältere Menschen, und die Kombination einzelner Verkehrsmittel. Wir wollen die Pendler vor den Ballungsräumen abfangen, dazu bieten wir Abstellmöglichkeiten für PKW und Zweiräder bei den Bahnhöfen zahlreicher Orte, die im VOR-Bereich kostenlos sind.. Auch die verminderte Umweltbelastung durch das Umsteigen ist ein wichtiger Punkt". Im VOR-Bereich stehen (alle Zahlen im weiteren gerundet) in mehr als 150 Anlagen 40.000 PKW- und 25.000- Zweiradabstellplätze sowie zahlreiche Radfahrabstellplätze zur Verfügung. Die Benützer der Park & Ride-Anlagen vermindern durch ihren Verzicht auf die Weiterfahrt die Umweltbelastung um 24.000 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr, dazu kommen die entfalllenden Staukosten in Millionenhöhe. Auch mehr als 100 Verkehrsunfälle, haben Statistiker errechnet, ereignen sich nicht, die zumindest 2 Tote und 130 Verletzte zur Folge gehabt hätten.

Zu den eingangs erwähnten zusätzlichen Angeboten des ÖPNV zählen alternative Betriebsformen wie

* Anruf-Sammeltaxis (ASTAX), die auch im Wiener Bereich vermehrt
eingesetzt werden sollen. So demnächst als Ergänzung zum
Nachtbusnetz (z.B. Bereich Liesing - Rodaun) oder auf
Abschnitten bestehender Nachtbuslinien (z.B. N 36). Damit bringt
das Taxi gegen vorherige Anmeldung den Fahrgast von der AST
-Haltestelle bis vor die Haustür oder umgekehrt. Der Fahrpreis
bewegt sich je nach Gebiet von 2 bis 3 Euro je Fahrt, von
Besitzern eines ÖV-Tickets wird nur ein Zuschlag zwischen 50
Cent und 1,5 Euro eingehoben.

BEHA-Bedarfshaltestellen
Die Bushaltestellen werden nur angefahren, wenn es Fahrgäste wünschen, das Angebot kann nachfrageorientiert abgestimmt werden. Derzeit schon eingerichtet auf den Buslinen 255 , Vösendorf - Siebenhirten - Liesing (Schnellbahn) - Kaltenleutgeben - Sittendorf sowie 354, Vösendorf SCS - Siebenhirten - Liesing (Schnellbahn) - Laab im Walde - Wolfsgraben bzw. Breitenfurt - Gruberau.

Vienna SPIRIT - neuer Geist der Mobilität
Ein intermodales Reiseinformationssystem für mobile Nutzer, das sich an Pendler, Touristen und Geschäftsreisende wendet. Es wurde vom VOR gemeinsam mit Seibersdorf Research und anderen Partnern, in etwa einein halb Jahren mit Kosten von 1 Million Euro entwickelt. Neben der Fahrtroute werden auch ergänzende Informationen, z.B. Park & Ride geboten.

Dieses erweiterte Angebot schlägt sich auch in einer Steigerung der Fahrgastzahl beim VOR nieder: 2004 auf 794 Millionen und damit eine Zunahme um knapp 2 Prozent gegenüber 2003. Durch eine Tarifanpassung in den Außenzonen stiegen die Einnahmen um fast 3 Prozent auf knapp 456 Millionen Euro. Bemerkenswertes zeigt die Struktur bei den Fahrtausweisen: Während die Einzelfahrscheine um 5,7 Prozent zunahmen, war bei den Zeitkarten (Wochen-, Monats- Jahreskarten) eine Stagnation festzustellen. Das dürfte, so Novy, ein Abbild der sich ändernden Arbeitswelt sein, und auf die (leider) geänderten Arbeitszeiten vieler Menschen, die nicht die ganze Woche, bzw. nur teilzeit beschäftigt waren, zurückzuführen sein.

Zu Aktuellem aus dem Wiener Umfeld und immer wieder auftauchenden Fragen, halten die VOR-Verantwortlichen fest, dass an eine U-Bahn-Verlängerung zur SCS Vösendorf nicht gedacht sei, das Verkehrsaufkommen ist dafür zu gering. Sehr wohl könne man die örtliche Erreichbarkeit der Badner Bahn verbessern, die in einem 7,5 Minuten-Takt fährt. Auch die Einbeziehung der Stadtverkehre in Klosterneuburg und Schwechat ist nicht aktuell, sie hätte eine deutliche Tarifänderung in der Kernzone zur Folge.

Zur Frage, wie die Menschen in einer von der "Nachhaltigkeitskultur" geprägten Zeit den ÖPNV benützen, erläutert Prof. Ernst Gehmacher, die jüngste, von den Bundesministerien für Umwelt und für Bildung in Auftrag gegebene Delphistudie, die sich auch mit der Stadtplanung der Zukunft befasst. "Nachhaltigkeitskultur" ist es, durch Befreiung von Stress im Stau, durch die Integration von Körperbewegung (Fußwege, Radfahren), durch positive soziale Kontakte (Geselligkeit, "Sozialkapital") die Verkehrsabläufe schonender und wohltuender zu gestalten. Wenn sich das Bewusstsein, dass der ÖPNV eindeutig umweltschonender und ressourcensparender ist, durchsetzt, werden die Menschen auch dann damit fahren, wenn das vielleicht manchmal etwas länger dauert und etwas mehr körperliche Beweglichkeit erfordert als die Fahrt im eigenen Auto.

Für die Stadtplanung der Zukunft sieht die besagte Studie die Schaffung vieler, nicht allzu großer verkehrsberuhigter Zonen, dazwischen Zubringerlinien, vor. Das impliziert, dass nicht zu jedem Haus zugefahren werden kann, Fußwege - und diese zurückzulegen - müssen zur Qualität werden. Dabei geht es um eine Verhaltensänderung der Menschen und nicht um eine Stadt ohne Auto, denn es stellt sich naturgemäß die Frage, welche Entfernungen sind den Menschen zu Fuß zumutbar? Die Expertenrunde, die die Studie ausgearbeitet hat, sieht für diese innerstädtischen (Besorgungs-) Wege etwa 2 Kilometer pro Tag als "zumutbar" an. Freilich wird da noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten sein - die Experten sehen der Studie zufolge derzeit etwa 6 Prozent der Bevölkerung, die schon gemäß den Kriterien einer Nachhaltigkeitskultur leben.
     
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