Innsbruck (universität) - Bei der Gewinnung von Wasser aus flussnahen Brunnen wird die Uferbank als
natürlicher Reinigungsfilter auf dem Weg vom Fluss zum Brunnen genutzt. Diese kostengünstige „Technologie“
zur Vorbehandlung des Trinkwassers hat sich an Europas Flüssen seit 150 Jahren bewährt. Im Rahmen des
EU-India Economic Cross Cultural Programme werden in den nächsten zwei Jahren Erfahrungen zum Thema Uferfiltration
mit indischen Partnerinstitutionen ausgetauscht und Möglichkeiten der Anwendung in Indien diskutiert.
Prof. Wolfgang Rauch und Dr. Bernhard Wett vom Institut für Umwelttechnik haben bei einem Projekttreffen drei
potentielle Brunnen-Standorte entlang des Ganges besucht. „Mother Ganga“, wie der Fluss in Indien liebevoll bezeichnet
wird, beherbergt derzeit immerhin etwa acht Prozent der Weltbevölkerung mit entsprechendem Wasserbedarf –
Tendenz stark steigend. Bei der so genannten Uferfiltratgewinnung zur kommunalen Wasserversorgung werden ufernahe
Förderbrunnen genutzt, die infiltriertes Flusswasser aus dem Grundwasserkörper ziehen. Neben der rein
mechanischen Filterwirkung finden sowohl geochemische als auch mikrobiell katalysierte Umwandlungsprozesse statt.
Vor allem in der biologisch hochaktiven Sedimentzone des Flussbettes erfolgt eine Qualitätsverbesserung des
eingesickerten Flusswassers mit signifikanter Keim- und Trübstoffreduktion. Das Institut für Umwelttechnik
konnte in vergangenen interdisziplinären Forschungsprojekten das erforderliche Expertenwissen aufbauen. Weitere
europäische Partner - wie die Hochschule für Technik und Wirtschaft in Dresden, die Stadtwerke Düsseldorf
und die University of East Anglia - bringen ihre reichen Erfahrungen in das soeben gestartete Projekt ein.
In vielen Regionen Europas ist der Wasserverbrauch durch stabile Bevölkerungszahlen und Sparmaßnahmen
rückläufig. In Indien kann der stark steigende Bedarf an Wasser in den schnell wachsenden Städten
oft nur stundenweise gedeckt werden. Um die Abhängigkeit vom meist stark verschmutzten Oberflächenwasser
zu verringern, wird verstärkt auf Grundwasserressourcen zurückgegriffen. Sinkende Grundwasserspiegel
und vor allem im Gangesdelta natürlich auftretende Arsenbelastungen werden in Kauf genommen. Die Gewinnung
von Uferfiltrat könnte hier für manche Regionen eine nachhaltige Alternative bieten. Der geringe technische
Aufwand und die geringen Kosten sind ideale Kriterien für eine Trinkwasservorbehandlung.
Eine direkte Übertragbarkeit europäischer Erfahrungen auf indische Standorte ist aufgrund stark abweichender
Randbedingungen nicht selbstverständlich: So lässt die hohe organische Fracht im Flusswasser gemeinsam
mit erhöhter Temperatur sauerstoffarme Verhältnisse und verstärkte Selbstabdichtung im Flussbett
erwarten, was bei der Gewinnung des Wassers zu Problemen führt. Extreme Abflussvariationen infolge des Monsuns
führen bei kaum verbauten Ufern zu Verlagerungen des Flusslaufes und zu Veränderungen im Fluss-Grundwasser-Austausch.
Der wesentliche indische Projektpartner, das Indian Institute of Technology IIT Roorkee, blickt auf eine lange
Tradition zurück, wurde doch von den Engländern im Zuge der Errichtung des Ganges-Kanals dort die erste
technische Hochschule Asiens eingerichtet. In der Nähe der Hochschule, in Haridwar, befindet sich der erste
geplante Untersuchungsstandort, zwei weitere liegen flussabwärts bei Varanasi und Patna. Neben dem vorgesehenen
Monitoring-Programm dient das Projekt vor allem dem Bildungs- und Wissenstransfer. Die Uferfiltratgewinnung in
Indien bietet somit nicht nur technische Projektinhalte, sondern wird in Anbetracht der religiösen Dimension
der Flüsse – speziell des Ganges – dem breiten Anspruch des gewählten Förderprogramms (cross-cultural)
gerecht. |