Bundespräsident Fischer: Staatsvertrag hat uns auch Verpflichtungen
auferlegt
Klagenfurt (hofburg) - Die Diskussion um die zweisprachigen Ortstafeln beherrschte am Dienstag (03. 05.)
den offiziellen Festakt des Landes Kärnten zum Republiks- und Staatsvertragsjubiläum. Bundespräsident
Heinz Fischer betonte, "der Staatsvertrag hat uns auch Verpflichtungen auferlegt" und rief zu einer raschen
Lösung auf. Landeshauptmann Jörg Haider (B) wiederum meinte, diese Frage sei nicht "in einem Schnellschuss
lösbar". Er werde keinem Ergebnis zustimmen, welches das Resultat der Volksabstimmung von 1920 verändere,
sagte Haider in seiner Festrede im großen Wappensaal des Klagenfurter Landhauses. Man dürfe in dieser
Frage auch die Mehrheit nicht überfordern, es sei unmöglich, eine politische Lösung in der Ortstafeldebatte
zu erzwingen. "Die Kärntner muss man überzeugen", unterstrich der Landeshauptmann.
Zurufe von außen seien nicht angebracht, sagte Haider. Die Kärntner Politik müsse sich für
das, was sie seit dem Jahr 1945 geschaffen habe, nicht schämen. Bei der Konsenskonferenz müsse es jedenfalls
"Verständnis für unsere Situation" geben, da gehe es auch um "Tausende persönliche
Schicksale". Immerhin hätten die Kärntner nach Kriegsende einen "hohen Preis" für
die Erhaltung der territorialen Integrität des Landes gezahlt.
Die Partisanen von Marschall Tito hätten Hunderte Menschen verschleppt und es habe zahlreiche Tote gegeben:
"Vor allem jene, die 1920 an vorderster Front gestanden sind, waren 1945 wieder Objekt der Aggression."
Man dürfe die Kärntner daher laut Haider nicht behandeln wie die "Schmuddelkinder der Republik".
Fischer ging indirekt auf diese Aussage ein, indem er dezidiert feststellte: "Mir sind alle Bundesländer
gleich bedeutend, gleich wert und gleich lieb, es gibt keine Stiefkinder." Wie schon am Vorabend in Tainach
wies der Bundespräsident auf die Verpflichtungen hin, die Österreich mit dem Staatsvertrag und dem Artikel
Sieben übernommen habe. Er unterstrich, dass gerade die Kärntner besonders stolz auf den Staatsvertrag
sein müssten: "Er zementiert auch das Ergebnis der Volksabstimmung von 1920."
Denn mit den Unterschriften sei die Grenze zwischen Slowenien und Österreich "unverrückbar"
geworden. Bereits am Montag in Tainach hatte er in Hinblick auf zusätzliche zweisprachige Ortstafeln gemeint,
es könne heute nicht mehr ernsthaft argumentiert werden, dass "die Anbringung solcher Zeichen am Beginn
des dritten Jahrtausends noch etwas mit Gebietsansprüchen an Österreich zu tun haben könnte".
"Österreich muss sich vor Slowenien nicht fürchten und Slowenien muss sich vor Österreich nicht
fürchten", sagte der Bundespräsident und nutzte die Gelegenheit, "an alle Nachbarstaaten herzliche
Grüße" zu übersenden. Er rief neuerlich dazu auf, die Ortstafelfrage "rasch und im Konsens"
zu lösen. (Forts.) mfw/lm
Hitler "nur durch Krieg" zu stoppen. Demokratische Mittel gegen NS-Regime untauglich
Die Diktatur Adolf Hitlers war nach Ansicht von Bundespräsident Heinz Fischer "nur durch Krieg"
zu stoppen. Demokratische Mittel wären gegen das NS-Regime untauglich gewesen, "da es keine Demokratie
gegeben hat", meinte Fischer in seiner Festrede zum Republiksjubiläum am Dienstag im Klagenfurter Landhaus.
Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider (B) sagte, es gebe "bis heute Berührungsängste mit
der eigenen Geschichte".
Er bleibe dabei, dass "wir möglichst viel darüber wissen müssen", was geschehen sei, sagte
Fischer. Dass Hitler nach seinem Einmarsch in Österreich 1938 bejubelt worden war, sei zum Teil aus den Ereignissen
der Jahre zuvor erklärbar. Er würde aber jener These nicht zustimmen, wonach 90 Prozent für den
Anschluss gewesen seien, unterstrich der Bundespräsident. Dabei bliebe nämlich unberücksichtigt,
was in den Herzen und Köpfen jener Menschen vorgegangen sei, die erkannt hätten, "wohin jener verrückte
Rassenwahn das Dritte Reich treiben würde, nämlich in den Krieg". Fischer erinnerte weiters an all
jene, die 1938 vertrieben oder verhaftet worden waren.
"Auch den Widerstand darf und muss man würdigen", sagte der Bundespräsident neuerlich. Man
habe dadurch die Gewissheit, dass "dieser politische Wahnsinn ein Widerlager gefunden hat". "Ich
bin auf jeden einzelnen Widerstandskämpfer stolz", bekannte Fischer und erntete dafür kräftigen
Applaus im vollbesetzten Wappensaal.
Fischer wies auch Versuche zurück, die Nazizeit mit der Besatzungszeit gleichzusetzen. Die Zeit von 1938 bis
1945 seien "sieben Jahre einer grausamen Diktatur und des Krieges" gewesen. Mit der Befreiung Österreichs
durch die alliierten Truppen habe es die Chance gegeben, "das Hakenkreuz wieder gegen die rot-weiß-rote
Fahne zu tauschen" und die Chance auf ein selbstständiges Österreich zu nutzen. Natürlich seien
die Schwierigkeiten nicht so rasch überwunden worden, die Österreicher hätten zum Teil verärgert
darauf reagiert, dass es so lange gedauert hat, bis der Staatsvertrag dem Land die volle Freiheit wiedergegeben
habe.
Haider hatte zuvor in seiner Rede gemeint, die Zeit von 1945 bis 1955 sei geprägt gewesen von der Suche nach
einem Kompromiss, "da Opfer und Täter notwendigerweise an einem Tisch sitzen mussten". Es habe kollektives
Schweigen gegeben, weil man den Versuch unternommen hätte, zur Tagesordnung überzugehen. Die Berührungsängste
hätten aber auch zu einem "Leben im Klischee" geführt, dass Österreich als erstes Opfer
Hitlers überfallen worden sei.
"So einfach war das nicht", betonte der Landeshauptmann. Hinter der Geschichte würden "persönliche
Schicksale" stecken, die "wenn man sie auslebt, zu politischer Ausgrenzung führen können".
Die Nazizeit sei eine "Geschichte von Widersprüchen, Verirrungen, Anpassungen und Kompromissen"
gewesen, dies könne man nicht einfach in Schwarz-Weiß-Muster einteilen. Natürlich wüssten
alle, dass "Österreich 1945 befreit wurde", erklärte Haider. Aber "wir waren innerlich
und menschlich zutiefst zerrissen", die Spaltungen seien oft quer durch die Familien gegangen.
Es grenze an ein Wunder, "dass daraus ein neues kräftiges Leben" entstanden sei. Er erinnerte daran,
dass Kärnten vor einigen Jahren "Altösterreicher, die 1938 das Land verlassen mussten, weil sie
hier nicht mehr geduldet waren", eingeladen hätte. Mit großem Erfolg, es habe "wunderbare
Begegnungen" gegeben. Haiders Appell: "So sollten wir auch unsere Geschichte leben."
Quelle: APA |