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Sozialpolitik / Leistungsdebatte |
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erstellt am
03. 05. 05
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Fink:
Über eine Million Menschen in Österreich sind armutsgefährdet
Marterbauer: Österreichischer Sozialstaat zu sehr auf passive Leistungen ausgerichtet
Wien (sk) - "In Österreich gelten über eine Million Menschen als armutsgefährdet",
betonte Marcel Fink vom Institut für Staatswissenschaft an der Universität Wien am Montag (02. 05.)
im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung des Kompetenzteams Soziales der SPÖ zum Thema "Sozialstaat -
Umbau statt Abbau". Zu den gefährdeten Personen würden nicht nur "spezifische Problemgruppen"
zählen, sondern auch eine relativ gute Ausbildung und Erwerbstätigkeit "schützen vor Armutsgefährdung
nicht". Mittelfristig könne jeder oder jede in einem gewissen Zeitraum von Armutsgefährdung betroffen
sein. Im Alter von 20 bis 64 Jahren betrage der Anteil Erwerbstätiger bei den Armutsgefährdeten 50 Prozent.
Markus Marterbauer vom Österreichischem Institut für Wirtschaftsforschung kritisierte, dass "der
Österreichische Sozialstaat zu sehr auf passive Leistungen ausgerichtet ist". Als Beispiel nannte er
die Familienförderung, hier würden 95 Prozent der Mittel in Kindergeld und andere Geldleistungen gesteckt
und "nur fünf Prozent für Kinderbetreuungseinrichtungen aufgewandt", betonte Marterbauer.
"Je nach Zusammensetzung eines Haushalts kommt es zu unterschiedlichen Armutsschwellen", erläuterte
Fink. Auf Basis des verfügbaren Einkommens pro Monat und der Haushaltszusammensetzung werde berechnet, wie
viel Prozent der Bevölkerung als armutsgefährdet gelten. Im Jahr 2003 habe in Österreich diese Armutsgefährdungsquote
13,2 Prozent betragen; ohne sozialstaatliche Transfers würde diese Quote in Österreich auf 42 Prozent
ansteigen. "Die unmittelbare Wirkung des Sozialstaats ist also enorm", so Fink. Für einzelne Gruppen
wurde eine weit höhere Armutsgefährdung ausgewiesen als die durchschnittlichen 13,2 Prozent, die Armutsgefährdung
bei Menschen ohne Erwerbstätigkeit liege bei 28 Prozent und bei Langzeitarbeitslosen "bei einer extrem
hohen Zahl" von 36 Prozent.
Die Quote bei Teilzeitbeschäftigten liege mit 18 Prozent nicht wesentlich höher als der österreichische
Durchschnitt, dies sei jedoch dadurch erklärbar, dass das Teilzeitgehalt meist ein zusätzliches Einkommen
darstelle. Besonders armutsgefährdet seien weiteres AlleinerzieherInnen mit 31 Prozent und alleinstehende
Frauen mit 26 Prozent. Auch die Gruppe der ImmigrantInnen sei mit 26 Prozent überdurchschnittlich hoch betroffen,
wobei hier die Quote auch nach der Einbürgerung "nicht deutlich sinkt", erläuterte Fink. Des
weiteren wurde Bildung als wichtiger Indikator genannt, die Problematik sei jedoch auch hier nicht auf eine "Problemgruppe"
reduzierbar. Der relativ größte Anteil der Armutsgefährdeten mit 46 Prozent betreffe Personen,
die eine Lehre oder eine mittlere Schule abgeschlossen haben.
Zu den Möglichkeiten politischer Steuerung merkte Fink an, "sich Gedanken über eine universelle
Mindestsicherung zu machen" und darüber, ob generell die Verteilungsgerechtigkeit erhöht werden
könne. Da zwischen Bildung und Armutsgefährdung ein hoher Zusammenhang festzustellen sei, müsse
eine ernsthafte und breite Basis geschaffen werden und Geld in Ausbildung investiert werden. Auch aktive arbeitsmarktpolitische
Maßnahmen sollen gesetzt werden, denn "hier besteht in Österreich noch Nachholbedarf". Länder
wie Schweden und die Niederlande würden doppelt soviel Mittel in aktive Arbeitsmarktpolitik investieren. In
Österreich solle man eine solidarische Lohnpolitik verfolgen "und nicht nur davon sprechen", kritisierte
Fink. Man müsse sich auch trauen, die Wirkung des Steuersystems zu erhöhen und man dürfe "die
Erwerbstätigkeit nicht allein den Märkten überlassen". Abschließend wies Fink daraufhin,
dass in hochentwickelten, westlichen Ländern folgendes gelte: "Je niedriger die Sozialleistungen gemessen
am BIP, um so höher ist die Armutsgefährdungsquote."
Zwtl.: Marterbauer: Steigende Arbeitslosigkeit schwächt Finanzierung des Sozialstaats
Bei einem Vergleich der funktionellen Einkommensverteilung und der Arbeitslosigkeit sei zu sehen, dass in einer
Phase, in der die Lohnquote sinkt, die Arbeitslosigkeit steigt. Eine höhere Arbeitslosigkeit von einem Prozentpunkt
dämpfe die Lohnquote um ein Viertel Prozent. Marterbauer betonte, dass "in den letzten fünf Jahren
die Lohnquote um fünf Prozent zurückging". Da Arbeitslosigkeit vor allem untere Einkommensschichten
betreffe, seien die Einkommen der unteren 20 Prozent gesunken, während die Einkommen der obersten 20 Prozent
um drei Prozent gestiegen seien. Durch die steigende Arbeitslosigkeit würde der Spielraum des öffentlichen
Sektors eingeschränkt, eine steigende Arbeitslosigkeit schwäche den Sozialstaat in der Finanzierung,
die Ausgaben werden kleiner wovon "hauptsächlich Kleinere getroffen werden". Ein Anstieg der Arbeitslosenquote
von einem Prozentpunkt koste dem Sozialstaat einen halben Prozentpunkt. "Mit dem Anstieg der Arbeitslosigkeit
seit dem Jänner 2001 lässt sich ein Drittel des Budgetdefizits erklären", betonte Marterbauer.
Als zentralen Ansatzpunkt für die Arbeitsmarktpolitik nannte Marterbauer den massiven Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit.
Frauenbeschäftigung sei besonders effizient zur Bekämpfung von Kinderarmut. In Österreich liege
die Beschäftigungsquote der Frauen bei 65 Prozent, wobei dieser Wert "massiv überschätzt ist,
denn Bezieher des Kindergelds gelten auch als erwerbstätig". Trotzdem liege die Frauenerwerbsquote in
Österreich um zehn Prozent unter dem Wert in Schweden.
Als "Herausforderung für den Sozialstaat" nannte Marterbauer einerseits die Umschichtung von passiven
zu aktiven Leistungen und andererseits eine Reform der Finanzierung. In Österreich gebe es zwar gut ausgebaute
passive Leistungen, wie zum Beispiel die Versorgung von Arbeitslosen, aber kaum aktive Maßnahmen. Hier sei
man "sehr zurückhaltend" kritisierte Marterbauer und merkte an, dass die Finanzierung in Österreich
auf dem Äquivalenzprinzip aufgebaut sei, "dies hat zwar zum Teil Vorteile, aber untere Einkommensschichten
werden massiv belastet". Bei geringem Einkommen zahle man mehr Sozialversicherung als Lohnsteuer und "ständig
wird an der Lohnsteuer und nicht am Sozialversicherungsbeitrag herumgedoktort". Menschen, die keine Lohnsteuer
zahlen, hätten überhaupt nichts von der Steuerreform.
Der Sozialstaat trage massiv zur Bekämpfung von Armut bei und brauche aus "Gerechtigkeits- und Wirtschaftsüberlegungen"
Verbesserungen. Im Vergleich zu Großbritannien und Schweden sei die Wirtschaftsentwicklung in Österreich
"ungünstig gewesen". In Großbritannien habe eine massive Aufwertung der Ausgaben zu einer
sehr guten Wirtschaftsentwicklung geführt und eine Umverteilung habe stattgefunden. Auch bei der Erwerbsbeteiligung
"stehen diese beiden Länder besser da als wir". Marterbauer wies abschließend darauf hin,
dass Österreich "bei der Entwicklung des Sozialstaats und der Umverteilung ins Hintertreffen geraten
ist", und er betonte, dass es hier "einen deutlichen Umbau braucht". |
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Steibl: SPÖ-Vorschläge bestätigen familienpolitischen Zick-Zack
Kindergeld garantiert Vätern und Muttern finanziell und versicherungsrechtlich gesicherten
Status
Wien (övp-pk) - Als "völlig verfehlt" bezeichnete ÖVP-Familiensprecherin
Abg.z.NR Ridi Steibl heute, Montag, den Vorschlag der SPÖ-Frauen zum Kindergeld. "Was wollen Prammer
und Co. mit ihrem Zick-Zack-Kurs eigentlich erreichen?" Wenn die SPÖ kritisiert, dass Frauen durch das
Kindergeld länger ihre Berufstätigkeit unterbrechen, heute aber den Kündigungsschutz auf 36 Monate
verlängern will, dann mache das keinen Sinn. "Reform- bedürftig ist allein die SPÖ-Kommunikationsarbeit",
so Steibl am Montag (02. 05.).
Der Kurs der SPÖ-Familienpolitik sei nur schwer nachvollzieh- bar, betonte die ÖVP-Familiensprecherin,
und "als Maßnahme für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf jedenfalls unbrauchbar". Der
Prammer-Vorschlag würde Väter und Mütter, die sich für ihre Kinder und damit für die Karenz
entschieden haben, "verstärkt zu Hause halten". Die ÖVP wolle den Kündigungsschutz jedenfalls
bei 24 Monaten belassen. "Mit der Möglichkeit für Schulungen seitens des AMS haben wir konkrete
Maßnahmen für berufliche Wiedereinsteiger- innen und Wiedereinsteiger geschaffen", so Steibl.
Die Möglichkeit und den "Anreiz" für Väter und Mütter, sich die Karenz zu teilen,
gebe es Dank dieser Bundesregierung schon jetzt. "Bei geteilter Karenz wird der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld
von 30 auf 36 Monate ausgeweitet", betonte Steibl. Väter seien heute im verstärkten Ausmaß
bereit dazu, "Familienverantwortung" zu übernehmen. Zu überlegen wäre, ein Monat der Karenz
vorzuziehen, damit würde sich aber der generelle Karenzanspruch um ein Monat verkürzen.
Steibl verwies auf einen weiteren Erfolg des Kinderbetreuungs- geldes: "Die Gefahr der Armutsgefährdung,
durch den praktischen Wegfall eines Einkommens, konnte laut Sozialbericht erfolgreich bekämpft werden."
So würden durch das Kinderbetreuungsgeld 11 Prozent der armutsgefährdeten Familien mit dem jüngsten
Kind bis 18 Monate über die Armutsgrenze gehoben. Bei Kindern zwischen 19 und 30 Monaten übersteigen
21 Prozent der armutsgefährdeten Familien die Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes. Bei Alleinerzieherinnen
und Alleinerziehern senken die Sozialtransfers das Armutsrisiko sogar um knapp 40 Prozent.
"Entgegen der SPÖ-Propaganda stehen Familie und Beruf seit Einführung des Kinderbetreuungsgeldes
nicht im Widerspruch. Väter und Mütter haben die Möglichkeit bei garantiertem Kündigungsschutz
vorübergehend aus dem Berufsleben auszusteigen, um sich Zeit für ihre Kinder zu nehmen, ohne zu lange
in einem finanziell und versicherungsrechtlich ungesicherten Status zu leben. Darüber hinaus wirkt das Kinderbetreuungsgeld
armutsverhindernd", so Steibl abschließend. |
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Achleitner sieht widersprüchliche Kritik der Opposition
Wien (fpd) - Als "widersprüchlich und nicht schlüssig" bezeichnet die freiheitliche
Frauensprecherin Abg. DI Elke Achleitner die Kritik von SPÖ und Grünen am Kindergeld. "Einerseits
soll nach dem Willen von SPÖ und Grünen der Kündigungsschutz verlängert, andererseits aber
ein finanzieller Anreiz geschaffen werden, wenn die Karenzzeit verkürzt wird. Daß also für Prammer
der Kündigungsschutz zu kurz und die Karenzzeit zu lange dauert, beweist nur die Richtigkeit und Ausgewogenheit
der derzeitigen Regelung", so Achleitner.
Auch die Forderung nach mehr Anreiz für die Väter geht für Achleitner ins Leere. Denn die Möglichkeit
für Eltern, sich die Karenzzeit zu teilen, wurde von dieser Bundesregierung bereits eingeführt. "Mit
dem Kinderbetreuungsgeldes wurde ein innovativer und zukunftsweisender Weg der Familienpolitik eingeschlagen. Gemeinsam
mit der im letzten Jahr beschlossenen Elternteilzeit ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in einem überaus
hohen Maß gewährleistet", betonte Achleitner.
Sozialministerin Ursula Haubner als der Hauptverantwortlichen der österreichischen Familienpolitik sei es
zu verdanken, daß das Familienfördersystem vom ursprünglichen Lastenausgleich auf eine Leistungsanerkennung
umgestellt worden sei. Dies wurde durch ein Bündel von Maßnahmen - finanzielle Leistungen, steuerliche
Entlastungen und sozialrechtliche Absicherung von Familienzeiten - in den letzten fünf Jahren erreicht, betonte
Achleitner.
"Wir haben es erreicht, daß Familienarbeit endlich als Leistung anerkannt wird. Wir haben aber auch
die Rahmenbedingungen verbessert, sodaß die Vereinbarkeit von Familie und Beruf heute mehr denn je ermöglicht
wird", so Achleitner abschließend. |
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