Vorsichtig optimistische Bewertung der neuen EU-Verfassung bei Landtagsenquete
Salzburg (lk) - Mit Fachreferaten und Diskussionen wurde am Montag (02. 05.) die Enquete des
Salzburger Landtags über den EU-Verfassungsvertrag fortgesetzt. Die Chancen, die der Verfassungsvertrag nach
Ansicht aller Teilnehmer an der Enquete zweifellos bringe, müssten nun aber – oft mühsam – mit Leben
erfüllt und die neuen Rechte genutzt werden, wurde bei den Vorträgen deutlich.
Im Hinblick auf den Rechtscharakter des Verfassungsvertrages (Vertrag oder Verfassung) fiel die Bilanz aus Sicht
der Mitgliedstaaten von Ministerialrat Dr. Harald Dossi vom Bundeskanzleramt zwiespältig aus: Die Mitgliedstaaten
würden am „Steuer“ der EU bleiben, allerdings sei der Begriff der Verfassung ein Signal für den bereits
erreichten Integrationsstand. Offen sei, ob damit eine Gefahr von falschen Erwartungen verbunden ist bzw. ob die
„Staatlichkeit“ der EU überhaupt gewollt wird. Ein europaweites Referendum hätte er, Dossi, begrüßt.
Positiv sei durch den neuen Verfassungsvertrag ein einheitlicher und besser strukturierter und lesbarer Text. Die
Bestimmungen über die Kompetenzverteilung bringen eine übersichtlichere Darstellung, aber keinen „bundesstaatlichen
Kompetenzkatalog“. Durch Aufwertung des Europäischen Parlaments wurde das demokratische Element gestärkt,
im Rechtsschutz, insbesondere durch die Charta der Grundrechte seien Fortschritte erzielt worden, fasste Dossi
zusammen.
Fischer: Gerichtshof weiter für Grundrechte maßgeblich
Diese Grundrechte und die EU-Bürgerschaft sind für den ständigen Ländervertreter in
Brüssel, Gesandten Dr. Klemens Fischer, ein hochpolitisches Recht, das direkt an die Bürger gerichtet
sei. Neu ist die Möglichkeit von Bürgerinitiativen, die mit der Unionsbürgerschaft zwingend verbunden
sind. Auch nach einem Inkrafttreten der Verfassung werde es kein eigenes Grundrechtsschutzverfahren vor dem Europäischen
Gerichtshof (EuGH) geben, das Grundrechtsschutzverfahren bleibt daher auch in Zukunft mehrspurig. „Durch die ausschließliche
Auslegungszuständigkeit des EuGH auch für die Grundrechtecharta wird ihre Wirksamkeit von der Rechtssprechung
des Gerichtshofs abhängen“, so Fischer. Unionsbürgerschaft und Grundrechte haben nach Ansicht Fischers
durch den Verfassungsvertrag zwar eine verstärkte und vertiefte politische Bedeutung erhalten, inhaltlich
stellen sie aber lediglich eine Fortschreibung der bisherigen Situation dar.
Puntscher-Riekmann: Mehr „Staatlichkeit“ für EU
„Der Vertrag über eine Verfassung für Europa dreht das Rad der Integrationsgeschichte weiter“,
steht für Vizerektorin Univ.-Prof. Dr. Sonja Puntscher-Riekmann vom Institut für Politikwissenschaft
an der Universität Salzburg außer Zweifel. Das Europäische Parlament sei nun neben dem Ministerrat
weitgehend gleichgestellt, durch die Subsidiaritätskontrolle hätten die Parlamente eine gänzlich
neue Rolle erhalten. Allerdings müssten die Parlamente beträchtliche – nicht nur – Ressourcen einsetzen,
um tatsächlich am Entscheidungsprozess teilzunehmen. Man werde sich in Österreich anders „europäisieren“
müssen, um die Möglichkeiten und Chancen der neuen Verfassung voll auszuschöpfen. In der Frage nach
der Demokratisierung der EU durch die Verfassung zog die Politologin eine vorsichtig positive Bilanz. Die Bürger
würden sich bei der Beschäftigungs- und Wirtschaftspolitik Lösungen von der EU erwarten, für
die die EU keine Kompetenz besitze. Durch die EU-Verfassung habe die „Staatlichkeit“ der EU jedoch eindeutig zugenommen.
Auch für sie wäre ein europaweites Referendum sinnvoll gewesen, allerdings mit der Einschränkung,
dass eine einfache Mehrheit den Ausschlag geben müsse.
In der anschließenden Diskussion mit Wortmeldungen von Landtagsabgeordneten und Bürgermeister Hans Langwallner
(Maria Alm) wurde eine vorsichtig optimistische Bewertung der zukünftigen EU-Verfassung deutlich, was etwa
die Vereinfachung der Verträge oder die Verankerung der sozialen Grundrechte anbelangt, es sei aber nicht
gelungen, die Zusammenarbeit bei der Wirtschafts- und Sozialpolitik zu erreichen. Weiterhin gebe es zu viele Einstimmigkeitsentscheidungen
im Rat. Der Weg zur Bürgernähe müsse weiter und konkreter beschritten werden. Bedauert wurde unter
anderem auch eine in Österreich nicht durchgeführte Volksabstimmung. |