Brüssel (europarl) - Die Kommission hat am Montag (02. 05.) beschlossen, EU-Agrargelder in
Höhe von insgesamt 277,25 Mio. EUR, die von den Mitgliedstaaten vorschriftswidrig verwendet wurden, wieder
einzuziehen. Begründet wird die Rückforderung mit unzureichenden Kontrollverfahren bzw. der Nichteinhaltung
von EU-Vorschriften über die Agrarausgaben. Die Mitgliedstaaten sind für die Auszahlung und Prüfung
praktisch aller Ausgaben im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) zuständig, während sich die Kommission
vergewissern muss, dass die Mitgliedstaaten die Mittel vorschriftsmäßig verwendet haben.
Die für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung zuständige Kommissarin Mariann Fischer Boel erklärte:
„Die Gelder der europäischen Steuerzahler müssen vorschriftsmäßig verwendet werden. Wie die
heutige Entscheidung zeigt, ist die Kommission in dieser Frage zu keinen Kompromissen bereit und wird weiter unnachgiebig
gegen Missbrauch und zu laxe Kontrollen vorgehen. Wir werden nicht zögern, von den Mitgliedstaaten vorschriftswidrig
verwendete Gelder zurückzufordern.“
Dieses regelmäßige Prüfverfahren ist ein unverzichtbares Instrument zur Kontrolle der GAP-Ausgaben
und ermöglicht die Rückforderung von Beträgen, die von den Mitgliedstaaten ohne ausreichende Gewähr
hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Zahlungen oder der Zuverlässigkeit des Kontroll- und Überprüfungssystems
ausgezahlt wurden.
Die wichtigsten finanziellen Berichtigungen
Nach der jüngsten Entscheidung werden von Belgien, Deutschland, Dänemark, Griechenland, Spanien, Frankreich,
Italien, den Niederlanden, Portugal und dem Vereinigten Königreich Gelder wieder eingezogen. Die wichtigsten
Berichtigungen im Einzelnen betreffen:
- Spanien (113,40 Mio. EUR): erhebliche Mängel beim Kontrollsystem und allgemeiner Betrug (Berichtigung
von 100%, d.h. Wiedereinziehung aller ausgezahlten Gelder) im Flachsektor für die Wirtschaftsjahre 1998/99
und 1999/2000;
- Spanien (21,08 Mio. EUR): erhebliche Mängel beim Kontrollsystem im Flachssektor (Berichtigung von 25%)
für die Wirtschaftsjahre 1996/97 und 1997/98 und im Hanfsektor (Berichtigung von 10% für die Wirtschaftsjahre
1996/97 und 1997/98 und von 25% für die Wirtschaftsjahre 1998/99 und 1999/2000);
- Italien (68,71 Mio. EUR): vor allem wegen Überschreitung der Obergrenze für die tatsächliche
Olivenölerzeugung in den Wirtschaftsjahren 1998/99 und 1999/2000;
- Griechenland (25,36 Mio. EUR): vor allem wegen nicht ausreichendes Gewähr für die Ordnungsmäßigkeit
der Anträge im Sektor landwirtschaftliche Kulturpflanzen.
Die Einzelheiten zu den Wiedereinziehungen, aufgeschlüsselt nach Mitgliedstaaten und Sektoren, sind den beigefügten
Tabellen zu entnehmen (Anhänge I und II).
So funktioniert das Verfahren
Mitgliedstaaten sind zuständig für Zahlung und Wiedereinziehung
Die Mitgliedstaaten sind zuständig für praktisch alle Zahlungen, die Erhebung aller Abgaben und
die Wiedereinziehung aller zu Unrecht gezahlten Beträge im Rahmen des EAGFL (Europäischer Ausrichtungs-
und Garantiefonds für die Landwirtschaft), Abteilung Garantie.
Beim Rechnungsabschlussverfahren muss die Kommission insbesondere mittels Vor-Ort-Kontrollen sicherstellen, dass
die Mitgliedstaaten die ihnen vom EAGFL bereitgestellten Finanzmittel vorschriftsmäßig verwendet haben.
Die Kommission führt alljährlich über 200 solcher Kontrollen in den Mitgliedstaaten durch.
Einsatz von Luft- und Satellitenaufnahmen und von Datenbanken
Die Kommission arbeitet mit den Mitgliedstaaten zusammen, um sicherzustellen, dass die Zahlstellen alle Anträge
vor der Auszahlung gründlich prüfen und die Rechnungen und Verfahren der Zahlstellen alljährlich
nach den international anerkannten Standards kontrolliert werden. Außerdem unterstützt die Kommission
alle Mitgliedstaaten aktiv bei der Einsetzung eines integrierten Kontrollsystems unter Einsatz modernster Technik,
um die Anbauflächen durch Luft- oder Satellitenaufnahmen zu kontrollieren und mit den Anträgen in den
elektronischen Datenbanken abzugleichen.
Wiedereinziehung der Finanzmittel
Kommt die Kommission trotz dieser Vorkehrungen zu dem Ergebnis, dass die Kontrollverfahren in einem Mitgliedstaat
Mängel aufweisen oder nicht mit den EU-Vorschriften vereinbar sind, zieht sie den vorschriftswidrig gezahlten
Betrag von dem betreffenden Mitgliedstaat wieder ein. Erweisen sich die von einem Mitgliedstaat angewandten Verfahren
als nicht zufrieden stellend, so verweigert die Kommission die Finanzierung eines Teils oder der Gesamtheit des
betreffenden Betrags.
Die Reform des Verfahrens zur Wiedereinziehung vorschriftswidrig ausgegebener Beträge von 1995
Dieses System wurde 1995 überarbeitet, um es effizienter zu machen. Jetzt baut es auf zwei verschiedenen
Verfahren auf:
Das erste Verfahren ist rein finanzieller Art und stützt sich hauptsächlich auf Audits durch Kommissionsbedienstete
(mittels Bescheinigung der von den unabhängigen Stellen vorgelegten Rechnungen) in Bezug auf die Richtigkeit
und Vollständigkeit der Rechnungen und die Einhaltung der EU-Vorschriften durch die Zahlstellen. Diese Arbeiten
müssen zum 30. April eines jeden Jahres abgeschlossen sein.
Das zweite Verfahren bezieht sich auf Kontrollen durch die Kommission und betrifft die Wiedereinziehung der Gesamtheit
oder eines Teils der für die vorangegangenen 24 Monate beantragten Ausgaben, wenn sich herausstellt, dass
die Zahlungen nicht mit den EU-Vorschriften vereinbar sind.
Werden Unregelmäßigkeiten oder systematische Mängel festgestellt, so können Beträge wieder
eingezogen werden. Lassen sich die Verluste für die Gemeinschaft nicht genau ermitteln, so kann der wieder
eingezogene Betrag auf 2%, 5%, 10% oder 25% der betreffenden Ausgabe oder mehr festgesetzt werden. Die Mitgliedstaaten
haben also einen starken Anreiz, die Qualität ihrer Überwachungs- und Prüfverfahren zu verbessern.
Das Recht der Mitgliedstaaten auf Stellungnahme und die Schlichtungsstelle
Die Mitgliedstaaten haben ein Recht auf Stellungnahme und Anhörung. Hierbei findet zunächst ein Informationsaustausch
zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission statt, gefolgt von einem Gespräch und einem informellen bilateralen
Treffen. Bevor die Entscheidung über den Rechnungsabschluss ergeht, müssen alle wichtigen Berichtigungen
durch ein Gremium von unabhängigen Sachverständigen geprüft werden, damit auch der Standpunkt der
Mitgliedstaaten berücksichtigt wird. Schließlich haben die Mitgliedstaaten das Recht, beim Europäischen
Gerichtshof gegen die Entscheidung zu klagen.
Werden die erforderlichen Verbesserungen nicht vorgenommen, so wendet die Kommission alle ihr zur Verfügung
stehenden Mittel an, um die betreffenden Mitgliedstaaten zur Einhaltung der EU-Vorschriften zu veranlassen; in
offenkundigen Fällen verweigert sie die vollständige Finanzierung der von den Mitgliedstaaten gemeldeten
monatlichen Vorschüsse.
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