Zürich (idw) - Erdbeben rufen in vielen Teilen der Erde immer wieder
grosse Schäden hervor. Wichtig für einen wirksamen Schutz der Bevölkerung ist deshalb eine möglichst
genaue Prognose, wo und wie ein Erdbeben stattfinden wird. ETH-Wissenschaftler haben nun eine neue statistische
Methode entwickelt, mit welcher sie Erdbeben besser vorhersagen können. Ihre Methode publizieren die ETH-Forscher
in der neuesten Ausgabe der Zeitschrift "Nature".
Mitten in Kalifornien, etwa auf halbem Weg zwischen Los Angeles und San Francisco, befindet sich ein wichtiger
Ort für Seismologen: Parkfield. Diese nur wenige Einwohner zählende Ortschaft liegt direkt auf der San-Andreas-Verwerfung,
welche die amerikanische von der pazifischen Platte trennt. Parkfield hat seit mehr als 20 Jahren eines der dichtesten
seismologischen Messnetzwerke, das sogenannte Parkfield-Vorhersage-Experiment.
Parkfield als optimales Testgebiet
Das Interesse an diesem Bereich der San-Andreas-Verwerfung erklärt sich schnell: Hier haben sich in den Jahren
1857, 1881, 1901, 1922, 1934 und 1966 jeweils Erdbeben der Magnitude 6 ereignet. Die Regelmässigkeit des Auftretens
von Erdbeben der gleichen Grösse veranlasste viele Wissenschaftler dazu, ein weiteres Erdbeben mit derselben
Magnitude in Parkfield in den frühen 90er Jahren zu erwarten. Dieses Beben sollte durch das Experiment möglichst
vollständig erfasst und auch vorhergesagt werden. In den 90er Jahren blieb das Beben aber aus. Dennoch konnte
man durch detaillierte Studien in Parkfield Aussagen über die Spannungszustände in der Erde machen: nördlich
von Parkfield befindet sich ein Bereich mit sogenannten kriechender Plattenbewegung. Dieser erzeugt nur Beben geringer
Stärke. Dagegen schliesst sich südlich ein blockierter Bereich an, in dem sich Beben der Magnitude 6
ereignet haben.
Mit Statistik der Spannung im Erdboden auf der Spur
In der Region Parkfield haben Wissenschaftler Messinstrumente in engem Abstand installiert. So konnten
sie in den letzten rund 20 Jahren genaue Daten über mehr als 10'000 Mikroerdbeben aufzeichnen. Die ETH-Seismologen
Danijel Schorlemmer und Stefan Wiemer haben die so gewonnenen Daten mithilfe statistischer Verfahren in den Jahren
1997 und 2004 genauer untersucht. Dabei ist die Gutenberg-Richter-Erdbebenverteilung von besonderer Bedeutung.
Sie gibt den so genannten b-Werte an. Er beschreibt das mengenmässige Verhältnis zwischen kleinen und
mittleren bis grossen Beben in einer festgelegten Region. Ein niedriger b-Wert bedeutet also, dass es in der Vergangenheit
weniger kleine Beben im Verhältnis zu den mittleren und grossen Beben gab. Die beiden Wissenschaftler nahmen
nun an, dass Bereiche mit deutlich unter dem Durchschnitt liegendem b-Wert unter hoher Spannung stehen und somit
auch Bereiche sind, in denen sich in der Zukunft Erdbeben ereignen werden. Höhere b-Werte dagegen sind ein
Anzeichen für niedrige Spannung, also keine Gefahr für ein zerstörerisches Erdbeben.
Erdbeben in Parkfield bestätigt die Hypothese
Das für die frühen 90er Jahre erwartete Parkfield-Erdbeben ereignete sich schliesslich am 28.
September 2004. Niemand kam bei diesem Beben zu Schaden, weil die Region nur sehr dünn besiedelt ist. Es wurden
keine Bebenvorläufer beobachtet und - anders als erwartet - nahm das Beben seinen Anfang nicht am nördlichen
Ende des blockierten Bereichs und brach diesen nach Süden hin, sondern startete im Süden und entwickelte
sich nach Norden hin. Die Nachbeben bestätigten jedoch die Hypothese der Forscher. Sie sind gute Indikatoren
für die Bruchausdehnung eines Bebens. Ihre Verteilung im Fall des Bebens vom 28. September 2004 und auch die
berechnete Bruchverteilung entsprechen den Vorhersagen von Schorlemmer und Wiemer. Überall, wo die Seismologen
niedrige b-Werte gefunden hatten, wurden Erdbeben beobachtet.
Grosses Potenzial zur Vorhersage eines Bebens
Obwohl also der Zeitpunkt des Bebens nicht vorhergesagt werden konnte, geben diese Ergebnisse Grund zur
Hoffnung, dass mit Hilfe detaillierter statistischer Analysen der Erdbebenaktivität Orte zukünftiger
Beben identifiziert werden können. Auch die Stärke eines Bebens lässt sich mit dieser Methode abschätzen,
da die Ausdehnung eines Erdbebens seiner Stärke entspricht. Die ETH-Forscher planen nun ihre Hypothese in
weiteren Regionen zu testen. |