Umfassendes Gesetzespaket anläßlich 60 Jahre Kriegsende  

erstellt am
13. 05. 05

 Koalitionsparteien bingen umfassendes Gesetzespaket im Nationalrat ein
Wien (övp-pk) - Die Regierungsparteien haben am Donnerstag (12. 05.) im Nationalrat durch ihre Klubobleute, Justiz- und Sozialsprecher ein umfassendes Gesetzespaket eingebracht, das auf der einen Seite die Leistungen des österreichischen Widerstandes und der Opfer, aber ebenso die Leistungen der Wiederaufbaugeneration (Trümmerfrauen) und der Kriegsteilnehmer anerkennt.

Der Inhalt der Anträge im einzelnen:

  • Es wird durch eine authentische Interpretation klargestellt, dass alle von Gerichten, einschließlich der Militär-, SS- und Sondergerichte gefällten Urteile, die unter der nationalsozialistischen Herrschaft gegen Österreicher ergangen und als Ausdruck typisch nationalsozialistischen Unrechts zu betrachten sind, bereits 1945 und 1946 rückwirkend aufgehoben wurden.
  • Durch eine Novelle des Opferfürsorgegesetzes soll klargestellt werden, dass Personen, die im Rahmen typisch nationalsozialistischer Verfolgung auf Grund ihrer sexuellen Orientierung, auf Grund des Vorwurfes der sogenannten Asozialität oder durch medizinische Versuche geschädigt wurden, nunmehr eindeutige Rechtsansprüche eingeräumt werden. Dasselbe gilt für Opfer einer Zwangssterilisation.
  • Aus Anlass des 60. Jahrestages der Befreiung Österreichs wird eine einmalige Zuwendung für Widerstandskämpfer und Opfer der politischen Verfolgung geschaffen. Den etwa 3.000 Betroffenen soll ein gestaffelter Betrag in der Höhe von 500 bis 1.000 Euro gewährt werden.
  • Frauen, die beim Wiederaufbau der Republik Österreich nach dem 2. Weltkrieg mitgewirkt haben, sollen durch eine einmalige Zuwendung besonders gewürdigt werden.
  • Die Kriegsgefangenen-Entschädigung wird valorisiert.
  • Für Witwen und Witwer der Kriegsopfer- und Heeresversorgung wird die bisher einkommensabhängige Witwen(Witwer)-Beihilfe durch eine einkommensunabhängige Witwen(Witwer)-Rente ersetzt, wobei auch ein Anspruch auf Zusatzrente besteht.

 

 Jarolim-Kritik an Schüssel: Umgang mit NS-Vergangenheit "beschämend"
"Schüssel hat kein Format - Schüssel verhält sich nicht staatsmännisch"
Wien (sk) - Anlässlich der Dringlichen Anfrage der Grünen am Donnerstag (12. 05.) im Nationalrat zum Umgang der Regierungsparteien mit den Opfern der NS-Militärjustiz unterstrich SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim seine "Abscheu für die Haltung von ÖVP, BZÖ und FPÖ" in dieser Frage. Wie Jarolim Donnerstag gegenüber dem SPÖ-Pressedienst erklärte, sei die volle Rehabilitierung von Wehrmachts-Deserteuren und die pauschale Aufhebung der entsprechenden Urteile längst überfällig. Die abwehrende Position der Regierungsfraktionen gegenüber einem entsprechenden Oppositions-Antrag zeuge von einem "beschämenden Umgang mit der Geschichte unseres Landes, und das ausgerechnet im Gedenkjahr 2005". Besonders beschämend freilich für Bundeskanzler Schüssel, der sich von Staatssekretär Morak vertreten lasse. Während Schüssel gestern im Rahmen einer ÖVP-Dringlichen zum Selbstlob anhob, verweigere er die Teilnahme an der heutigen Dringlichen. Jarolim: "Schüssel hat kein Format. Und vor allem verhält sich Schüssel nicht staatsmännisch."

Es handle sich bei den noch immer nicht aufgehobenen Urteilen, die von der NS-Militärjustiz verhängt wurden, in keinster Weise um "strafrechtliche Tatbestände", sondern um die Ausübung eines notwendigen Rechts unter besonders gefährlichen Umständen. Im Jahr 1954 wurde ein gesetzlicher "Gnadenakt" gesetzt, der mit einer Rehabilitierung freilich nichts gemein hatte. Diese rechtliche Grundlage sei auch 2005 noch aufrecht, nicht zuletzt da sich die Regierungsfraktionen beharrlich weigern, den Antrag der Opposition zu unterstützen, in dem ein Gesetz über die Rehabilitierung von Opfern der NS-Strafjustiz inklusive der generellen Aufhebung von auf bestimmten NS-Gesetzen beruhenden Verurteilungen gefordert werde.

 

 Haupt: Gutes Maßnahmenpaket der Regierungsparteien
Wien (fpd) - Nicht die Wissenschaft mache die Gesetze, sondern die gewählten Abgeordneten, erklärte der Sozialsprecher des Freiheitlichen Parlamentsklubs Herbert Haupt in der Debatte über die Dringliche Anfrage am Donnerstag (12. 05.).

Gewisse Äußerungen der letzten Tage und Jahre seien für einen Demokraten inakzeptabel, sagte Haupt. Es gehe aber auch nicht an, daß man Handlungen der Vergangenheit einfach negiere. Das Sozialministerium habe nämlich die letzten fünf Jahre keinen für das Opferfürsorgegesetz in Frage kommenden Fall abgelehnt. Die 1945, 1946 und 1947 vom Parlament gefaßten Beschlüsse bezeichnete Haupt als richtungsweisend für die Erledigung der Problematik, mit der man heute beschäftigt sei. Österreich habe bereits zu einem Zeitpunkt begonnen, die Verbrechen des Nationalsozialismus aufzuarbeiten, als man in der Bundesrepublik Deutschland dazu nicht bereit gewesen sei. Haupt zeigte sich überzeugt von der Qualität des von den beiden Regierungsparteien heute eingebrachte Maßnahmenpakets. Haupt wies darauf hin, daß die Fragen der Vergangenheit nicht ausschließlich die Fragen der Zukunft dieses Staates sein könnten. Man müsse auch die demokratische Weiterentwicklung der älteren Generation sehen. Kritik übte Haupt an den Grünen, die die Übererfüllung des Staatsvertrags nicht in die Waagschale geworfen hätten.

 

Dringliche zu Ortstafeln und NS-Militärjustiz im Nationalrat
Wien (grüne) - Die Grünen machten die Kärntner Ortstafel-Diskussion am Donnerstag (12. 05.) auch zum Thema einer Dringlichen Anfrage an Bundeskanzler Wolfgang Schüssel im Parlament, der zweite Fragenkomplex bezog sich auf die NS-Militärjustiz, wobei auch neuerlich scharfe Kritik an den jüngsten Aussagen des inzwischen aus der FPÖ ausgetretenen Bundesrates John Gudenus und des zurückgetretenen BZÖ-Bundesrates Siegfried Kampl geübt wurde. Es sei eine "Schande", dass 60 Jahre nach Kriegsende die Existenz von Gaskammern in Frage gestellt und der Widerstand gegen das NS-Regime diffamiert werde, so die Grünen.

Vom Kanzler wollte man wissen, ob er die Rücktritts-Aufforderung an Gudenus unterstütze und ob er Kampl als Abgeordneten für "tragbar" hält. In Sachen Rehabilitierung von Wehrmachts-Deserteuren wurde Schüssel gefragt, ob es einen "unmissverständlichen, kollektiven Akt des Gesetzgebers", den unter anderem Bundespräsident Heinz Fischer eingefordert hatte, geben werde. Konkret wollten die Grünen wissen, ob Zeiten einer wegen Desertion verhängten Haft nicht als Ersatzzeiten für die Pensionsversicherung angerechnet werden sollten und ob homosexuelle und so genannte "asoziale" NS-Opfer in das Opferfürsorgegesetz aufgenommen würden.
 
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