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Ratifizierung der EU-Verfassung im Hohen Haus |
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erstellt am
12. 05. 05
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Schüssel:
Verfassung macht uns frei zur Mitwirkung an einem sozialen, friedlichen und wirtschaftlichen Europa
Wien (övp-pk) - Die Abstimmung über dieses so wichtige Verfassungswerk wurde auf einen
wichtigen Zeitpunkt gelegt, erinnerte Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel am Mittwoch (11. 05.) bei der
Nationalratsdebatte über den Vertrag über eine Verfassung für Europa an die Republiksgründung
am 27. April vor 60 Jahren und den österreichischen Staatsvertrag, der am kommenden Sonntag vor 50 Jahren
gefeiert und unterschrieben wurde. Diese zeitliche Entscheidung über diese Verfassung habe einen tiefen Sinn.
"Der Staatsvertrag hat uns frei von der Besatzung gemacht, und diese Verfassung macht uns frei für die
Mitwirkung an einem sozialen, friedlichen und wirtschaftlichen Europa - das ist die bedeutende Botschaft des heutigen
Tages", so Schüssel weiter.
Europa sei, wie auch Rom, nicht an einem Tag erbaut worden, verwies der Kanzler auf den Prozess über viele
Jahrzehnte. Nun sei man nicht am Ende dieses Prozesses, sondern auf einem "vorläufigen Höhepunkt".
Die europäische Geschichte dieser Integrationsbewegungen, unter anderem angedacht von Victor Hugo, in einer
Rede Churchills und in der Gründung des Europäischen Wirtschaftsraumes, sei seit 60 Jahren eine Geschichte
des Erfolges, des Friedens und der Stabilität, und es sei positiv, an dieser Geschichte mitwirken zu können.
Dieser Verfassungsvertrag gehe auf Dezember 2001 zurück. Am 28. Februar 2002 habe dann der Konvent seine Arbeit
aufgenommen, und im Juli 2003 wurde der Verfassungsvertrag fertig gestellt. Schon im Oktober 2003 ist dann in Rom
die Regierungskonferenz gegründet worden. Letztlich habe er mit Außenministerin Dr. Plassnik am 29.
Oktober 2004 diesen Verfassungsvertrag unterzeichnen dürfen, und heute werde dieser Vertrag beschlossen, erinnerte
der Kanzler an die Historie dieses Vertragswerkes.
Wichtig sei für ihn vor allem, was in diesem Vertrag für die Bürgerinnen und Bürger Europas
grundgelegt werde. Jeder europäische Bürger hat neben seinem nationalen einen europäischen Pass.
Mit dieser neuen Verfassung bekommt jeder Bürger europäische Bürgerrechte, er kann seine Rechte
in jedem EU-Land einmahnen, er kann konsularische Hilfe in Drittländern in Anspruch nehmen. Er ist Teil der
Grundrechtscharta und kann sie einklagen. "Das ist ein wesentlicher Schritt, der uns in ein offenes, bürgernahes
und demokratisches Europa hineinführt. Zum ersten Mal gibt es die Möglichkeit, europäische Bürgerinitiativen
zu starten, verwies Schüssel in diesem Zusammenhang auf bedeutende Themen wie Tierschutz, Umweltfragen oder
Verkehrspolitik. Im Fall von Verfahrensmängeln oder bei Missbrauch der Organe kann der europäische Ombudsmann
angerufen werden.
Erstmals würden dem europäischen Parlament auch mächtige Mitbestimmungsregeln eingeräumt; fast
100 Prozent aller europäischen Gesetze kommen in Hinkunft nur zustande, wenn auch das EU-Parlament an der
Gesetzgebung mitwirkt. Die nationalen Parlamente würden auch gestärkt, verwies Schüssel unter anderem
auf Klagsrechte.
"Wir Österreicher haben auch nationale Themen angesprochen", hob der Kanzler die Verankerung des
Minderheitenschutzes, die explizite Aussprechung der Gleichheit von Männern und Frauen und die Verankerung
des Prinzips, dass alle Mitgliedsstaaten gleich sind, hervor. Weitere für uns bedeutsame Themen wie die Daseinvorsorge
oder Grenzregionen seien ebenfalls enthalten.
Den Vorwurf mancher, der Vertrag sei neoliberal, wie Schüssel zurück: "Warum unterstützt dann
die europäische Gewerkschaftsbewegung einstimmig und vollinhaltlich diesen Vertrag? Hier sind für die
Sozialunion wichtige Prinzipien festgeschrieben, wie die Vollbeschäftigung. Es ist jetzt nicht mehr ein hohes
Maß an sozialer Sicherheit gefordert, sondern volle Solidarität und Kampf gegen Missbrauch. Soziale
Gerechtigkeit sei grundlegendes Prinzip.
Auch die Kritik am Vorrang des europäischen Rechts vor dem nationalen wies der Kanzler zurück: "Wie
soll denn eine europäische Gemeinschaft oder ein europäischer Wirtschaftsraum funktionieren, wenn nationale
Regeln über den europäischen stehen würden?"
Hinsichtlich der Diskussion um die Volksabstimmung zeigte sich der Kanzler verwundert, dass ausgerechnet der Grüne
Voggenhuber bemängelt habe, dass sich die Bundesregierung nicht persönlich und nachdrücklich genug
für ein europäisches Referendum ausgesprochen habe. Schüssel erinnerte an ein gemeinsames Dokument
seines persönlichen Vertreters Hannes Farnleitner vom 31. März 2003, das übrigens auch Voggenhuber
mitunterzeichnet habe, indem genau diese Idee einer europäischen Abstimmung an einem Tag in ganz Europa enthalten
war. Schüssel habe diese Idee noch vor Beginn der Regierungskonferenz unterstützt und sie immer wieder
bei europäischen Reden propagiert. "Ich glaube, dass wir hier weiter sind als andere Nationen."
Er habe immer vor einem "Fleckerlteppich" gewarnt, bei dem die einzelnen Länder auf zwei Jahre verteilt
ihre Referenden machen, da dadurch die europäische Arbeit in wichtigen Bereichen zum Erliegen komme. In Österreich
gebe es mit 52 Prozent breite Unterstützung für eine gemeinsame europaweite Abstimmung, was auch bedeute,
dass eine nationale Abstimmung abgelehnt werde.
Abschließend erinnerte der Bundeskanzler an den Tod des großen Österreichers Leopold Figl vor
40 Jahren und zitierte Auszüge aus dessen Abschiedsrede als Bundeskanzler und Parteivorsitzenden, der schon
im Jahr 1951 von der berührenden Vision eines vereinigten Europas nach der Überwindung aller historischen
Hindernisse gesprochen habe. "Heute, 2005, sind wir diesem Traum noch immer nicht perfekt, aber ein gewaltiges
Stück näher gerückt. Stimmen wir daher der Schaffung eines friedlichen, sozialen, wirtschaftlichen
starkem, demokratischen Europa für seine Bürger mit dem Beschluss über die heutige Verfassung zu",
appellierte der Kanzler abschließend an die Abgeordneten. |
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Plassnik: "Die Verfassung schafft ein Stück moderner Identität für Europa"
Auszüge der Rede von Außenministerin Plassnik vor dem Parlament anlässlich
der Ratifizierung des EU-Verfassungsvertrages.
Wien (bmaa) - "Wir haben hier nichts weniger als den ersten gemeinsamen Verhandlungserfolg der
erweiterten Europäischen Union der 25 vor uns. Das ist ein Novum in der Geschichte Europas", sagte Außenministerin
Plassnik am Mittwoch (11. 05.) anlässlich der Ratifizierung des EU-Verfassungsvertrages im österreichischen
Parlament.
"25 gleichberechtigte souveräne Staaten haben gemeinsam die Regeln für ihr Zusammenwirken geschaffen.
Mit dieser Verfassung wird ein Stück moderner europäischer Identität geschaffen. Und das im Respekt
vor den kulturellen, wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Eigenheiten der Mitgliedstaaten.
Die Verfassung wird für 450 Millionen Menschen gelten. Sie drückt aus, was jeden einzelnen Europäer
mit jedem anderen verbindet - ob Österreicher oder Lette, ob Portugiese oder Ungar.
Diese Verfassung ist also nicht nur "blau mit goldenen Sternen", sie ist auch rot-weiß-rot - wie
sie auch die Farben unserer Partner in der EU enthält. Dieses erste große gemeinsame Werk des erweiterten
Europa legt auch das erste Fundament für unser zukünftiges gemeinsames Handeln.
Im Rückblick muss man sagen, dass schon dieser Verhandlungsprozess an sich eine positive Erfahrung für
Europa war: Er war so demokratisch und transparent wie keiner vor ihm.
Erstmals waren es nicht nur Regierungsvertreter, sondern Volksvertreter aller politischen Gruppierungen jedes Mitgliedstaates,
die dieses Werk gemeinsam in öffentlichen Debatten entwickelt haben. Ich danke den österreichischen Vertretern
im Konvent.
Die Verhandlungen waren auch eine positive Erfahrung für Österreich und die kleineren und mittleren Staaten
insgesamt. Wir haben Allianzen mit anderen Mitgliedstaaten unserer Größenordnung geschmiedet, die naturgemäß
auch vergleichbare Interessen hatten. Das hat uns nicht nur geholfen, unsere Verhandlungsziele für die Europäische
Verfassung durchzusetzen. Es hat auch ein bleibendes Netzwerk geschaffen, das bis heute in positiver Weise nachwirkt.
Heute werden, so wie Sie, die Volksvertreter in der Slowakei über die Verfassung beraten und entscheiden.
Morgen wird der deutsche Bundestag das gleiche tun.
Sie alle setzen mit ihrer Entscheidung ein klares Zeichen für ein wiedervereinigtes, handlungsfähiges,
zukunftsgerichtetes Europa.
Im Bereich der Außenpolitik schafft die Verfassung nicht nur gemeinsame Instrumente, sie unterstreicht auch
die Zielsetzungen des europäischen Handelns. Lassen Sie mich aus der Verfassung zitieren:
"Die Union lässt sich bei ihrem Handeln auf internationaler Ebene von den Grundsätzen leiten, welche
für ihre eigene Entstehung, Entwicklung und Erweiterung maßgebend waren und denen sie auch weltweit
zu stärkerer Geltung verhelfen will: Demokratie, Rechtstaatlichkeit, die universelle Gültigkeit und Unteilbarkeit
der Menschenrechte und Grundfreiheiten, die Achtung der Menschenwürde, der Grundsatz der Gleichheit und der
Grundsatz der Solidarität sowie die Achtung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen und des
Völkerrechts."
Ich begrüße hier im Hohen Haus heute vor allem die Vertreter der Jugend. Die Verfassung ist für
sie gemacht, an ihnen wird es liegen, das Werk weiterzutragen, das vor mehr als fünfzig Jahren begonnen wurde.
Die Vielfalt ist der größte Reichtum Europas. Die Verfassung streicht sie deshalb auch zu Recht heraus.
"In Vielfalt geeint" - so lautet das Motto der Europäischen Union.
Europa entsteht nicht an einem Tag und nicht durch einen Vertrag, sondern durch konkrete Taten, durch eine "Solidarität
der Tatsachen", wie es Robert Schuman beschrieben hat.
Mit der Annahme dieser neuen europäischen Verfassung setzen Sie, meine Damen und Herren, als gewählte
Vertreter des österreichischen Volkes einen großen Schritt der Zuversicht und des Selbstvertrauens für
unsere gemeinsame europäische Zukunft." |
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Gusenbauer: "EU-Verfassung ist wichtiger Schritt vorwärts - aber: viele Grundprobleme werden
nicht beseitigt"
Wien (sk) - "Diese Europäische Verfassung ist allemal besser als das bisherige Vertrags-
europa, daher sollten wir dieser Europäischen Verfassung heute gemeinsam zustimmen", unterstrich SPÖ-Vorsitzender
Alfred Gusenbauer am Mittwoch (11. 05.) im Nationalrat. Diese EU-Verfassung stelle einen wichtigen Schritt
vorwärts dar, viele Grundprobleme Europas würden jedoch auch mit der EU-Verfassung nicht beseitigt. "Man
muss auch auf europäischer Ebene einen Mechanismus schaffen, mit dem die Menschen ihre Zufriedenheit oder
Unzufriedenheit zum Ausdruck bringen können", forderte Gusenbauer. Im Friedensprojekt Europa sieht Gusenbauer
die erfolgreiche Antwort auf den 2. Weltkrieg, weil es in jenem Teil Europas, das zur Europäischen Union gehört,
zu Frieden und Sicherheit geführt habe. In der Verfassung sieht Gusenbauer zwar keine Garantie für bessere
Politik in Europa, aber eine Chance dafür.
"Wenn man in Österreich mit einer Regierung zufrieden ist, kann man sie bei der nächsten Wahl bestätigen,
wenn man unzufrieden ist, kann man sie abwählen", merkte Gusenbauer an. Dieses normale Wechselspiel der
Demokratie sei auf europäischer Ebene nicht möglich, resümierte Gusenbauer. "Wenn man eine
stärkere Identifikation mit dem europäischen Projekt will, muss man irgendwann zu einer europäischen
Politik kommen, die wie auf nationaler Ebene funktioniert", so die Überzeugung des SPÖ-Vorsitzenden.
Der einzelne Bürger müsse die Möglichkeit haben, eine Regierung auch abzuwählen oder zu bestätigen:
"Keine einfache Angelegenheit", räumte Gusenbauer ein.
Eine Europäische Verfassung könne nicht einer politischen Strömung in Europa besonders zu Gute kommen,
sie müsse einen Rahmen für politisches Gestalten bieten, betonte Gusenbauer: "Die EU-Verfassung
schafft die Chance und die Voraussetzung, dass es in Zukunft bessere Politik in Europa gibt". Sollte diese
Verfassung nicht beschlossen werden, würde Europa in eine ihrer schwierigsten Krisen eintreten, zeigte sich
Gusenbauer überzeugt. "Angesichts der Herausforderungen sollten wir danach trachten, dass Europa handlungsfähiger
wird", so Gusenbauer. Eine Abstimmung in ganz Europa für alle Menschen wäre entscheidend besser
gewesen, sagte Gusenbauer: "Ich glaube, es war ein schwerer Fehler, dass man sich in der EU nicht auf diese
Vorgehensweise einigen konnte, das wäre das stärkste Signal gewesen", so Gusenbauer, der von einer
verlorenen Chance sprach.
Man müsse sich fragen, wieso es trotz der Erfolge der EU - Stichwort Erweiterung und Euro-Einführung
- eine nachhaltige EU-Skepsis gebe, so Gusenbauer. Einer der Hauptgründe der Skepsis liege darin, dass die
Menschen in Österreich in Europa nicht die Antwort auf die Globalisierung sehen, sondern sie vielmehr den
Eindruck haben, dass die Auswirkungen der Globalisierung verschärft würden, sagte Gusenbauer. Deregulierungen
und Liberalisierungen im großen Ausmaß würden dazu führen, dass die Menschen unsicher in
Bezug auf das gesamte Projekt würden, hob Gusenbauer hervor.
"Wir dürfen uns nicht wundern, wenn wir den Euro als wichtiges Instrument der europäischen Wirtschaftspolitik
ansehen, die Menschen aber mit Recht den Eindruck haben, dass es in der Beschäftigungsfrage nicht wirklich
weitergeht und die Einkommen nicht steigen", so Gusenbauer. Diese steigende Skepsis habe nicht mit "Zuviel
Europa", sondern mit "Zuwenig Europa" zu tun: "Europa war bisher nicht im Stande, die Verheißungen,
die viele Menschen mit diesem Projekt verbunden haben, zur erfüllen", hielt Gusenbauer fest.
Gerade angesichts der Gedenkfeierlichkeiten zum Ende des Zweiten Weltkrieges stelle sich die Frage, was in den
letzten 60 Jahren anders geworden ist: "Die europäische Union war die Antwort auf den Zweiten Weltkrieg
und es war zum Glück eine sehr erfolgreiche Antwort", betonte Gusenbauer. Der SPÖ-Vorsitzende erinnerte
an die letzten 15 Jahre, in denen Teile Europas, die nicht Teile des Europäischen Einigungswerkes waren, in
Krieg, Verfolgung, Genoziden und unglaublichen Menschenrechtsverletzungen verstrickt waren. "Wenn man zwischen
dem Europa der Sicherheit und Stabilität und jenem Europa, das auch in den vergangen Jahrzehnten geschüttelt
wurde, wie zum Beispiel die Länder am Balkan, vergleicht, dann muss man zu der Auffassung kommen, dass die
Europäische Union und Europäische Einigung das erfolgreichste Friedensprojekt, das es bisher in der Geschichte
unseres Kontinents gegeben hat, ist", zeigte sich Gusenbauer überzeugt. Darüber könne man stolz
und froh sein, so Gusenbauer. |
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Scheibner für Stärkung der direktdemokratischen Instrumente
Wien (fpd) - Es gebe zu wenig Kommunikation zwischen den Institutionen der Europäischen Union
und der Bevölkerung Europas, beklagte der Obmann und außenpolitische Sprecher des Freiheitlichen Parlamentsklubs
Herbert Scheibner am Mittwoch (11. 05.) in der Nationalrats- debatte über die EU-Verfassung. Vielleicht sehe
man in der EU es auch als zu wenig notwendig, diese Kommunikation zu betreiben und mehr zu erklären.
Dies resultiere daraus, daß es kaum notwendig sei, für europäische Projekte eine Mehrheit im Bewußtsein
der Bevölkerung Europas zu bekommen. Wenn es diese Notwendigkeit gäbe - "und wir treten für
direktdemokratische Elemente in der EU ein" - , würde sich das Bewußtsein der Politiker und Demokraten
gegenüber der Meinung der Bevölkerung ändern. "Und deshalb treten wir auch weiterhin für
das Instrument europaweiter Volksabstimmungen ein", sagte Scheibner. Das Modell Gusenbauers würde keine
Abhilfe schaffen. Die Verfassung sei eine Richtungsweisung. Man wolle hier nicht den europäischen Bundesstaat
haben, wo alles in Brüssel entschieden werde, sondern habe das Bekenntnis zum Staatenbund EU mit souveränen
Ländern, die ihre Rechte auch verwirklichen könnten, abgegeben. "Das ist für uns das Modell
eines zukünftigen Europas", betonte Scheibner, der sich gegen einen europäischen Bundesstaat nach
Vorbild der USA aussprach.
Notwendig wäre es laut Scheibner, den sicherheitspolitischen Aspekt der europäischen Integration stärker
in den Vordergrund zu stellen. Sicherheit sei nicht selbstverständlich, sie müsse ebenso wie Freiheit
und Friede immer wieder erkämpft und garantiert werden. Scheibner verwies auf das Gedenken anläßlich
60 Jahre Kriegsende und meinte, daß ein Krieg, noch dazu ein Weltkrieg, eine der schrecklichsten Formen menschlichen
Handelns sei. Nach dem Zweiten Weltkrieg habe es einige wichtige Entscheidungen wie die Gründung der UNO gegeben
und den Beginn des europäischen Einigungsprozesses. Man habe gewußt, daß dies ein langwieriger
Prozeß sein werde. Von reinen Wirtschaftsgemeinschaften sei man bis heute zu dieser EU gekommen, wo man erstmals
in der Geschichte Europas sagen könne, daß militärische Konflikte zwischen zumindest 25 Ländern
unmöglich geworden seien, und zwar auch in der Zukunft. Dies sei das Großartige an dieser europäischen
Einigung, daß man den Menschen sagen könne, daß Kriege für Mitglieder der EU unmöglich
geworden seien. Dies sollte man viel stärker in den Vordergrund stellen.
Scheibner bezeichnete es als positiv, daß sich die EU dazu bekenne, im Bereich der Katastrophenhilfe und
bei der Abwehr des Terrors zusammenzuarbeiten. Es gebe selbstverständlich auch die Notwendigkeit einer Verantwortung
von friedenssichernden und friedenserhaltenden Maßnahmen der EU auch außerhalb des Unionsgebiets. Man
könne nicht die Augen verschließen. Dies liege auch im Eigeninteresse. Die Instabilitäten in anderen
Regionen würden in abgewandelter Form auch auf Europa und damit auch auf Österreich zukommen.
Das Einstimmigkeitsprinzip bleibe in wichtigen Fragen erhalten, ein Grundrechtekatalog für die Freiheits-
und Menschenrechte in Europa werde verankert, und nicht einmal in einem Nationalstaat könne eine Gruppe oder
Partei Sanktionen gegen ein Land bestellen, hob Scheibner hervor. Selbstverständlich gebe es in der EU-Verfassung
auch Defizite. Hier nannte Scheibner die Kommissarslösung, die Regelung der europäischen Staatsanwaltschaft
und die Demokratiedefizite. Es sei nicht gelungen, in die Verfassung Instrumente der direkten Demokratie wie europaweite
Volksabstimmungen einzufügen. Keine Verfassung wäre aber das schlechteste, was man als Reaktion auf die
Erweiterung und als Antwort auf die Fragen der Zukunft setzen könnte. Auch die Verfassung werde ein dynamischer
Prozeß sein. Ab dem Tag, an dem sie in Kraft trete, werde man daran arbeiten müssen, die Defizite beseitigen
zu können.
Die Diskussion über eine Volksabstimmung über die EU-Verfassung bezeichnete Scheibner als überraschend
spät. Über einen völkerrechtlichen Vertrag könne laut Bundesverfassung keine Volksabstimmung
durchgeführt werden. Daher sei 1994 nicht über den Beitrittsvertrag selbst abgestimmt worden, sondern
über ein Ermächtigungsgesetz. Das Ermächtigungsgesetz für die EU-Verfassung habe das Parlament
aber bereits im März dieses Jahres beschlossen. Wenn heute gesagt werde, daß EU-Recht nationales Recht
breche, müsse man auch sagen, daß dies der Fall sei, seit Österreich Mitglied der EU geworden sei.
Damals sei die Bevölkerung nicht über alle Vor- und Nachteile und Konsequenzen des EU-Beitritts informiert
worden. Scheibner sprach sich dafür aus, alle Kritikpunkte öffentlich zu diskutieren und entsprechende
Lösungen zu versuchen. Man solle sich aber unter Abwägung aller Vor- und Nachteile klar zum Friedensprojekt
eines gemeinsamen friedlichen Europas bekennen. Wenn man alle Kraft daran setze, diese Instrumente der direkten
Demokratie auch einsetzen zu können, werde aus dieser Friedensunion auch ein demokratisches Europa, "und
das sollte im Interesse von uns allen sein". |
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Strache: EU-Verfassung mit FPÖ-Gegenstimme angenommen
Wien (fpd) - Der Nationalrat hat am Mittwoch (11. 05.) die Ratifizierung der EU-Verfassung mit
nur einer Gegenstimme beschlossen. Einzig die FPÖ-Abgeordnete Barbara Rosenkranz erteilte dem Vertragswerk
eine Absage. Die Verfassung ersetzt nicht nur die bisherigen EU-Verträge sondern bringt auch eine Erweiterung
der Kompetenzen der Union und eine verstärkte Zusammenarbeit in allen Bereichen der gemeinsamen Außen-
und Sicherheitspolitik.
Vom Nationalrat wurden noch Alibi-Entschließungsanträge der ÖVP, des orangenen Klubs und der Grünen
angenommen, in denen die Regierung aufgefordert wurde, sich auf europäischer Ebene für die Möglichkeit
eines EU-weiten Referendums einzusetzen. Dagegen wurde der Antrag der FPÖ-Abgeordneten Rosenkranz, eine nationale
Volksabstimmung durchzuführen, aus „rechtlichen Gründen“ für nicht zulässig erklärt.
„Ein schwarzer Tag für die direkte Demokratie und die 2. Republik. Mit der Annahme der EU-Verfassung haben
ÖVP, BZÖ, SPÖ und Grüne das Selbstbestimmungsrecht und die Souveränität Österreichs
ausgerechnet im Jubiläumsjahr zu Grabe getragen“, zeige sich FPÖ-Parteichef Heinz-Christian Strache enttäuscht
über das Abstimmungsergebnis und die Ablehnung der Abhaltung einer Volksabstimmung.
Die geforderte EU-weite Volksabstimmung bezeichnete Strache als „Feigenblatt- Argumentation“. Denn das sei formal-rechtlich
in einigen Ländern gar nicht möglich. Zum anderen sollten die Österreicher selbst über ihre
Verfassung bestimmen können, wie es ihnen in der Bundesverfassung garantiert werde.
„Was hier passiert ist, ist ein Verfassungsputsch. Ich erwarte, dass der Verfassungsgerichtshof nun tätig
wird und dieses beschlossene Ermächtigungsgesetz einer Überprüfung unterzieht“, forderte der FPÖ-Parteiobmann. |
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Van der Bellen: EU-Verfassung festigt die europäische Demokratie
Wien (grüne) - Die Grünen befassen sich, wie Prof. Dr. Alexander Van der Bellen am Mittwoch
(11. 05.) in seinem Beitrag im Nationalrat erklärte, seit langem mit den Vorzügen und den Mängeln
dieses Entwurfs zu einer Europäischen Verfassung. Und sind zu dem Schluss gekommen, dass bei einer gründlichen
Abwägung der Vorzüge, die es zweifellos gibt, und einiger Mängel, die es auch im Text gibt beziehungsweise
bei dem, was nicht im Text steht, ein klares Ja zu diesem Verfassungsvertrag geboten erscheint, und zwar aus folgenden
Gründen:
"Ich meine, dieser Vertrag über eine Verfassung für Europa, das ist schon eine ziemliche Schwarte,
er umfasst gedruckt, glaube ich, fast 500 Seiten, der eigentliche Textteil vielleicht 300. Die österreichische
Verfassung kommt mir im Vergleich dazu schlank, ja geradezu elegant vor. Aber wir haben ja auch schon 85 Jahre
Tradition, die EU noch nicht. Was sind also aus meiner Sicht, aus unserer Sicht die wesentlichen Vorteile dieser
Verfassung?
Festigung der Europäischen Demokratie
Erstens: Die europäische Demokratie wird tatsächlich deutlich in ihren Grundlagen gefestigt.
Das zeigt sich daran, dass die einzige europäische Institution, die direkt gewählt wird, das Europäische
Parlament, deutlich in seinen Rechten als Gesetzgeber gestärkt wird und in die Gesetzgebung viel stärker
als bisher eingebunden wird. Das war ja1995 ein wesentlicher Kritikpunkt der Grünen – aber nicht nur der Grünen
–, dass die demokratische Verfasstheit der Union mehr als zu wünschen übrig lässt und in Wahrheit
damals rudimentär ausgebildet war. Gleichzeitig wird damit natürlich die Gewaltentrennung in der Europäischen
Union als Basis einer funktionierenden Demokratie deutlich verbessert. (Beifall bei den Grünen.)
Verbesserte Handlungsfähigkeit
Zweitens – und auch das ist wichtig in einem Europa, das derzeit 25 Mitgliedstaaten hat und demnächst
27 oder 30: Die Handlungsfähigkeit der Union wird deutlich verbessert. Das zeigt sich zum Beispiel daran,
dass das Prinzip der Einstimmigkeit aller Mitgliedstaaten, um zu einem Beschluss zu kommen, deutlich zurückgenommen
wird zugunsten eines Beschlusses mit so genannter qualifizierter Mehrheit. Das ist eine doppelte Mehrheit von den
Mitgliedstaaten einerseits und einer Mehrheit der europäischen Bevölkerung andererseits, die durch diese
Staaten repräsentiert wird. Das allein ist schon ein Fortschritt gegenüber dem Vertrag von Nizza. Dort
waren meines Erachtens intransparente Stimmgewichtungsregeln im Europäischen Rat maßgeblich, die niemanden
überzeugt haben. Über Details kann man immer reden, aber das Prinzip der doppelten Mehrheit ist transparent,
verständlich und nachvollziehbar.
Charta der Grundrechte
Drittens – und das ist ein wesentlicher Punkt: Der Teil II dieser neuen Europäischen Verfassung, die
Charta der Grundrechte, ist ein wirklich sensationeller Erfolg, wenn man sich einmal vorstellt, wie viele andere
Staaten auf der Welt, Nationalstaaten, einfache Staaten oder irgendein Staatenbündnis, eine derartige Grundrechtscharta
in ihrer Verfassung verankert haben. Und diese Grundrechtscharta betrifft nicht nur die klassischen liberalen Freiheits-
und Grundrechte, wie zum Beispiel Meinungsfreiheit, Medienfreiheit, Freiheit der Kunst, Freiheit der Wissenschaft
und so weiter, Freiheitsrechte, die gewissermaßen die BürgerInnen vor dem Staat schützen sollen,
sondern zeigt auch im Bereich der sozialen Grundrechte wesentliche Fortschritte. Und es ist auch insofern von Bedeutung,
als ja von verschiedener Seite kritisiert wird, dass diese Verfassung eine neoliberale Schlagseite und Ähnliches
habe.
Neoliberale Schlagseite?
Ich kann das nicht nachvollziehen. In der österreichischen Verfassung zum Beispiel sind die sozialen
Grundrechte nicht so verankert wie in der Europäischen Verfassung. Das allein spricht schon gegen das Argument
der neoliberalen Schlagseite. Natürlich gibt es Punkte, die nicht zu unserer Zufriedenheit ausgefallen sind,
und dies gilt für jede politische Partei und jede Bürgerin und jeden Bürger dieses Landes, die bzw.
der sich ernsthaft damit auseinander setzt.
Heikle Militär- und Sicherheitspolitik sowie Euratom
Aus unserer Sicht besonders heikel sind einige Formulierungen im Bereich der Militär- und Sicherheitspolitik
im Teil III des Verfassungsvertrages beziehungsweise auch im ökologischen Bereich, ungeachtet einiger sehr
gut formulierter Zielbestimmungen die leidige Frage des Euratom-Vertrages. Jetzt kann man sagen, es war schon ein
Riesenerfolg auch von unserem Mitglied des Verfassungskonvents Johannes Voggenhuber, dass – wie ursprünglich
geplant – der Euratom-Vertrag nicht Teil der Verfassung wird – das hätte es uns, den Grünen, in der Tat
sehr schwer gemacht, der Europäischen Verfassung zuzustimmen, falls dies überhaupt möglicht gewesen
wäre – , sondern immerhin außerhalb des Vertrages angesiedelt wird, sodass es zumindest theoretisch
möglich ist, Mitglied der Europäischen Union zu sein, ohne dem Euratom- Vertrag beizutreten.
Fundamente einer Europäischen Demokratie
Also insgesamt meine ich, dass die Fundamente für eine europäische Demokratie hier tatsächlich
in einer nachvollziehbaren, konkreten Weise gelegt werden. Und das wird Europa, die Europäische Union gegenüber
vielen, vielen anderen Staaten auf der Welt zu etwas deutlich anderem machen. Ich will nicht sagen: Vorbild, weil
ich ungern Vorbild für jemanden bin, aber es ist schon etwas sehr Schönes, was da entsteht, ohne – wie
schon Herr Scheibner gesagt hat – allzu euphorisch zu werden, aber trotzdem möchte ich schon in Erinnerung
rufen, dass die Alternative nicht irgendeine Idealverfassung ist, die wir uns alle anders geschrieben hätten,
sondern schlicht der Vertrag von Nizza, und zwar gerade jener Vertrag, auf Grund dessen Mängel ja die Diskussion
über diese Verfassung überhaupt erst entstanden ist. […] Nein! Wenn wir das nicht annehmen, werden wir
in Depression versinken und auf absehbare Zeit gar keine neue, geschweige denn bessere Verfassung bekommen, sondern
mit dem miserablen Vertrag von Nizza irgendwie dahinwursteln müssen.
Verfassung ist kein Ersatz für Politik
Bei vielen Gesprächen mit KritikerInnen dieser Verfassung ist mir etwas eigenartig vorgekommen, nämlich,
wie viel an Bedeutung in solch eine Verfassung hineininterpretiert wird. Sicher, sie ist wichtig, sie enthält
Spielregeln, und namentlich die Europäische Verfassung enthält auch wichtige Zielbestimmungen, aber manchmal
hat man den Eindruck, dass mit dem Beschluss über ein Verfassungswerk die Politik sozusagen an ihrem Ende
angekommen wäre und dass alles, was da nicht drinnen steht, sozusagen dann kein Thema der täglichen und
jährlichen Politik sein kann. Diese Vorstellung finde ich absurd! Die österreichische Verfassung ist
ungefähr 85 Jahre alt, und in ihrem Kern haben wir seither keine Politik betrieben: im Ökologiebereich,
im Militärbereich, in allen heiklen Fragen, im Sozialbereich et cetera. Das gilt natürlich für die
nationale Ebene genauso wie für die europäische Ebene. Eine europäische Verfassung kann genauso
wenig wie eine nationale Verfassung die Antwort auf alles und jedes bilden. Ich finde, erstaunlich ist nicht, dass
bei den Verhandlungen von 25 Mitgliedstaaten dieser Kompromiss herausgekommen ist, sondern erstaunlich ist, dass
überhaupt etwas herausgekommen ist. … |
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Wir übernehmen hier Stellungnahmen
aller im Parlament
vertretenen Parteien – sofern vorhanden! Die Redaktion
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