Gouverneur Liebscher: Forderung nach nachhaltiger Stabilitätsorientierung der öffentlichen
Haushalte
Wien / Vaduz (oenb) - Österreich ist in den vergangenen Jahren mit einer vorwärts gerichteten
Wirtschaftspolitik aktiv den neuen Herausforderungen und dem verstärkten Wettbewerb in Folge der Erweiterung
der Europäischen Union begegnet. Unter anderem durch Maßnahmen wie der Senkung des Körperschaftssteuersatzes
auf 25% und der Forschungs- und Entwicklungs- offensive wird Österreich auch in Zukunft seine Position als
Kompetenzzentrum für die Erschließung neuer Märkte sichern könne, sagte der Gouverneur der
Oesterreichischen Nationalbank, Dr. Klaus Liebscher, im Rahmen des Wirtschafts- und Kapitalmarktdialogs „Österreich
– Liechtenstein“ in Vaduz.
Liebscher hob die positiven Effekte hervor, die von der Erweiterung der Europäischen Union ausgehen. Gerade
die österreichische Wirtschaft habe dank des frühzeitigen Engagements in diesen Wachstumsmärkten
mehr als jedes andere westeuropäische Land von der wirtschaftlichen Integration dieser Region Europas
profitieren können. Eine zukunftsorientierte Strategie würde nun nahe legen, die gesammelten positiven
Erfahrungen zunehmend auf neue Zukunftsmärkte, insbesondere in Südosteuropa, zu übertragen, sodass
Österreich auch in dieser Region eine starke Position einnehme.
Die Erweiterung des gemeinsamen Wirtschaftsraums habe aber auch frischen Wind in die europäische Reformdebatte
gebracht. Die neuen EU-Mitgliedsländer hätten durch ihre Bereitschaft, selbst schmerzvolle Reformprojekte
anzugehen, auch in anderen EU-Staaten einen Modernisierungsschub in Gang gesetzt. In diesem Sinne gehe von der
EU-Erweiterung eine neue Triebkraft für die Belebung der so genannten „Lissabon-Strategie“ aus. In Österreich
stehen Maßnahmenpakete wie die Forschungs- und Technologieoffensive sowie der geplante Ausbau der Trans-Europäischen
Netze (TEN) in Einklang mit den Zielen der Lissabon-Agenda und werden helfen, die hohe Qualität des Wirtschaftsstandorts
Österreich zu sichern.
Für den weiteren Erfolg der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) sei mehr denn je unabdingbar, dass alle
Beteiligten ihrer jeweiligen Verantwortung nachkommen, unterstrich Liebscher. Der EZB-Rat werde auch in Zukunft
unbeirrt an seiner Verpflichtung zur Gewährleistung der Preisstabilität festhalten. Die im nationalen
Kompetenzbereich verbliebene Fiskalpolitik müsse so gestaltet sein, dass sie der verfassungsmäßig
supranational angelegten Geldpolitik nicht zuwider laufe. Eine wachstumsorientierte, wettbewerbsfähige
Strukturpolitik müsse schließlich gewährleisten, dass in einem gemeinsamen geldpolitischen Regime
die Volkswirtschaften flexibel auf Schocks oder geänderte Rahmenbedingungen reagieren können. Liebscher
betonte die Schlüsselrolle, die dabei der Kommunikation zukomme, da budgetäre Konsolidierungskurse oder
Strukturreformen nur dann ihre positive Wirkung voll entfalten könnten, wenn in der Bevölkerung breites
Verständnis für deren Notwendigkeit bestehe.
Liebscher zeigte sich ernsthaft besorgt über die Änderungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts,
was seinen „korrektiven Arm“ betreffe. Eine breite Auslegung z. B. jener Umstände, unter denen eine ausnahmsweise
und vorübergehende Überschreitung des Referenzwertes von 3 Prozent zulässig ist, schaffe nur kurzfristig
Flexibilität auf Kosten von Glaubwürdigkeit und Nachhaltigkeit – „ein äußerst gefährliches
Tauschgeschäft“.
Der durch den Maastricht-Vertrag bewirkte fiskalpolitische Paradigmenwechsel hin zu einer nachhaltigen Stabilitätsorientierung
der öffentlichen Haushalte müsse unter allen Umständen für alle Mitglieder der Währungsunion
substanziell gewahrt bleiben, gerade auch im Hinblick auf die Signalwirkungen für die mittelfristig geplante
Erweiterung der Währungsunion um die neuen EU-Mitgliedstaaten. Denn unbestritten bleibe, dass eine solide
Finanzpolitik und eine stabilitätsorientierte Geldpolitik für den Erfolg der WWU von grundlegender Bedeutung
sind. Es sei daher unerlässlich, betonte Gouverneur Liebscher, dass die Mitgliedstaaten, die Europäische
Kommission und der Rat der Europäischen Union die überarbeiteten Regelungen nunmehr strikt und konsequent
so umsetzen, dass sie einer umsichtigen Finanzpolitik dienlich sind. Denn die Einhaltung der Regeln gesunder Staatsfinanzen
und des Stabilitätspakts sei nicht nur zur Unterstützung der Geldpolitik wichtig, sondern auch aus Rücksicht
auf kommende Generationen erforderlich. |