Wien (wifo) - Seit einigen Monaten deuten die Unternehmensumfragen im Euro-Raum
und in Österreich auf eine Verlangsamung der Konjunkturerholung in der Sachgüterproduktion hin. Die Belebung
der Exporte übertrug sich nicht oder nur sehr zögernd auf die Inlandsnachfrage. In Österreich entwickelten
sich Exporte und Sachgütererzeugung zu Jahresbeginn noch recht günstig, die Einzelhandelsumsätze
waren jedoch in den ersten zwei Monaten 2005 angesichts der positiven Einkommenseffekte der Steuerreform enttäuschend.
Der starke Preisauftrieb drückte die Kaufkraft.
Die Konjunkturverflachung, die sich bereits im IV. Quartal abgezeichnet hatte, setzte sich zu Jahresbeginn fort.
Seit einigen Monaten schätzen die Sachgütererzeuger Auslandsaufträge und Geschäftserwartungen
tendenziell etwas weniger günstig ein als im jeweiligen Vormonat. Trotz steigender Gewinne – die sich in hohen
Körperschaftsteuereinnahmen niederschlagen – investieren die Unternehmen relativ wenig. Die privaten Haushalte
bleiben trotz der Steuerreform in ihren Kaufentscheidungen vorsichtig. Die starke Energieverteuerung, der hohe
Euro-Kurs und in den letzten Wochen auch der Rückgang der Aktienkurse tragen zur Verunsicherung der Unternehmen
und Konsumenten bei.
Der Wirtschaftspolitik gelingt es im Euro-Raum und in Japan – im Gegensatz zu den USA, Großbritannien und
vielen asiatischen Ländern – nicht, einen Konjunkturaufschwung herbeizuführen. Im Jahr 2005 befindet
sich die Wirtschaft des Euro-Raums bereits das fünfte Jahr in einer ausgeprägten Schwächephase.
Nichts deutet derzeit darauf hin, dass diese heuer überwunden werden könnte. Das Aufflackern der Konjunktur
im Euro-Raum (und in Japan) im Jahr 2004 war ausschließlich exportgetragen, die Belebung der Ausfuhr übertrug
sich nicht auf die Inlandsnachfrage.
In Österreich entwickelt sich die Wirtschaft etwa im Einklang mit jener des Euro-Raums und damit günstiger
als bei den wichtigsten Handelspartnern Deutschland und Italien. Die heimischen Exporte lagen in den ersten zwei
Monaten des Jahres 2005 nominell zwar noch um 11½% über dem Vorjahresniveau (Februar +8%), die Zuwachsraten
wurden jedoch tendenziell geringer. Hier schlagen sich die Abschwächung des Welthandelswachstums und die Auswirkungen
des hohen Euro-Kurses nieder.
Die Industrieentwicklung spiegelt die Schwankungen der Exportdynamik wider: Der reale Produktionsindex der Sachgütererzeugung
lag im Februar um rund 4% über dem Vorjahresniveau; auch hier ließ die Dynamik nach. Für die kommenden
Monate ist mit einer Verringerung der Vorjahresabstände zu rechnen. Im WIFO-Konjunkturtest vom März und
April beurteilten die Sachgüterproduzenten ihre Auftrags- und Geschäftslage wieder etwas ungünstiger
als in den Vormonaten.
In der Bauwirtschaft besserte sich die Auftragslage weiter, hier ist mit Produktionszuwächsen zu rechnen.
Im Handel verlief die Umsatzentwicklung in den ersten zwei Monaten des Jahres 2005 dagegen enttäuschend. Trotz
der Nettoeinkommenszuwächse durch die Steuerreform stagnierten die realen Einzelhandelsumsätze auf dem
Vorjahresniveau. Der starke Preisauftrieb schmälerte die Kaufkraft, und die Unsicherheit auf dem Arbeitsmarkt
drückte die Kauflust. Das kräftige Umsatzplus im März ist wegen der Osterfeiertage im März
wenig aussagekräftig, es dürfte eine schwache Entwicklung im April nach sich gezogen haben. Im 2. Halbjahr
sind deutlichere Handelszuwächse zu erwarten, da Steuerreformen gewöhnlich erst mit einer Verzögerung
ihre volle Wirkung auf die Konsumausgaben entfalten.
Die Investitionstätigkeit blieb nach dem Auslaufen der Investitionszuwachsprämie erwartungsgemäß
schwach. Sie kann derzeit nur anhand der Importe von Maschinen und Fahrzeugen beurteilt werden. Diese stagnierten
in den ersten zwei Monaten annähernd auf dem Vorjahresniveau.
Die Zunahme der Energie- und Wohnungskosten beschleunigt den Preisauftrieb, im März lag die Inflationsrate
bei 2,9%. Die Energiepreise stiegen um 9%, sie trugen ½ Prozentpunkt zur Teuerung bei. Die Steigerung des
Wohnungsaufwands (+7%) drückte die Inflationsrate um 1 Prozentpunkt nach oben. Kräftig angehoben wurden
auch die Preise von Tabakwaren (Anhebung der Tabaksteuer), Gesundheitsleistungen und Versicherungen. Die Teuerung
fiel dadurch höher aus als im Durchschnitt des Euro-Raums. Der deutliche Preisauftrieb schlug sich in einem
Rückgang der Bruttorealeinkommen je Arbeitnehmer nieder, die Nettorealeinkommen stiegen jedoch infolge der
Steuerreform.
Die Arbeitslosigkeit liegt wegen der mäßigen Konjunktur und des Anstiegs des Arbeitskräfteangebotes
weiterhin etwas über dem Vorjahresniveau. Weil die Zahl der Schulungsteilnehmer, Pensionsbewerber und Übergangsgeldbezieher
gestiegen ist, erhöht sich die erfasste Arbeitslosigkeit nur mäßig. Die Zahl der Arbeitsplätze
nahm im April mit +30.000 gegenüber dem Vorjahr deutlich zu; überwiegend waren dies Stellen für
Frauen im Dienstleistungssektor. In der Sachgüterproduktion hat sich die Beschäftigungssituation in den
letzten Monaten verschlechtert. Dies bestätigt – neben den Umfrageergebnissen für den Euro-Raum und Österreich
– die Verlangsamung der Konjunkturerholung.
Quelle: WIFO, Autor: Ewald Walterskirchen |