Ratifizierung der EU-Verfassung im Hohen Haus  

erstellt am
11. 05. 05

Schüssel: Sichert ein starkes, friedliches und bürgernahes Europa
Wien (bpd) - Im Pressefoyer im Anschluss nach dem Ministerrat am Dienstag (10. 05.) zeigte sich der Bundeskanzler Wolfgang Schüssel überzeugt davon, dass der Nationalrat am Mittwoch (11. 05.) die Europäische Verfassung mit einer breiten Zustimmung ratifizieren wird.

Als wichtige Elemente der neuen Europäischen Verfassung und Verbesserungen gegenüber den bisherigen Verträgen führte der Bundeskanzler die Stärkung der bürgerlichen Rechte und die explizite Verankerung der Rechte der Mitgliedstaaten an. Zur individuellen Rechtsdurchsetzung wird es den Bürgern erstmals möglich sein, sich direkt an den Europäischen Gerichtshof zu wenden. Explizit sieht der Vertrag die Absicherung der kommunalen Dienste vor. Wichtige Fragen wie die Sicherung der nationalen Verfügungsgewalt über Wasserressourcen, Fragen der Bodenpolitik, die Energienutzung oder zukünftige Erweiterungen bleiben weiterhin dem Einstimmigkeitsprinzip zugeordnet. Sichergestellt werden konnte auch, dass "die Rechte der kleinen und mittleren Staaten bestmöglich abgesichert" bleiben, so der Bundeskanzler. 15 Länder oder Staaten, die 55% der Bevölkerung repräsentieren, sind für die Erreichung von Mehrheitsbeschlüssen notwendig. Schüssel: "Wir haben hier eine gute Lösung und eine gute Balance ganz im Sinne des Traumes von Leopold Figl erreicht. Seine Vision im Jahr 1951 war die der Vereinigten Staaten von Europa. Diese Verfassung ist ein Schritt dazu. Sie sichert ein friedliches, bürgernahes Europa, das die Rechte seiner Bürger und Mitgliedsstaaten respektiert und wahrt."

Zur Diskussion über eine etwaige Volksabstimmung über die Verfassung stellte der Bundeskanzler klar, dass morgen im Nationalrat als Abschluss des mehrstufigen Verfahrens über einen Staatsvertrag abgestimmt wird, der verfassungsrechtlich keinem Referendum unterzogen werden kann. Bereits am 2. März wurde vom Nationalrat das notwendige Bundesverfassungsgesetz, Voraussetzung für die Ratifizierung des Verfassungsvertrages, beschlossen. Neben Österreich ratifizieren diese Woche noch die Slowakei und Deutschland diesen Vertrag. Schüssel: "Die Zustimmung in dieser Woche ist nicht zufällig. Sie begann mit dem Europatag am 9. Mai und Ende dieser Woche feiern wir den 50. Jahrestag des Österreichischen Staatsvertrags. Der Staatsvertrag hat uns frei von etwas gemacht, nämlich von den Besetzungsmächten. Der Europäische Verfassungsvertrag gibt uns nun die Freiheit zu etwas, nämlich die Freiheit zu einem starken und erweiterten Europa."

 

 Darabos - Regierung steckt in handfester Krise
Wien (sk) - "Es ist offensichtlich, dass die schwarz-orange Regierung in einer handfesten Krise steckt", sagte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos. "Die krampfhaften Versuche von Kanzler Schüssel und Vizekanzler Gorbach, Ruhe zu bewahren, können den offensichtlichen, fundamentalen Bruch in der Frage der EU-Verfassung nicht überdecken", sagte Darabos am Dienstag (10. 05.) gegenüber dem SPÖ-Pressedienst in Reaktion auf die zur Schau gestellte "Gelassenheit" von Schüssel und Gorbach nach dem Ministerrat.

"Der Vorsitzende einer Regierungspartei, nämlich Jörg Haider, ist der entschiedenste Gegner eines der wichtigsten Vorhaben des Landes - und der Kanzler will der Bevölkerung allen Ernstes weismachen, dass das keine Regierungskrise ist. Schüssel will wieder einmal die Bevölkerung für dumm verkaufen", so Darabos. Er bekräftigte auch die Warnung, dass Schüssel "mit seiner Wackelpudding-Koalition" auf ein Desaster bei Österreichs EU-Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2006 zusteuere.

 

Strache: Haiders BZÖ soll gegen EU-Verfassung stimmen!
Wien (fpd) - Der Kärntner Landeshauptmann und Orangen-Obmann Jörg Haider dürfte seinem Namen wieder einmal voll gerecht werden und einmal mehr versuchen die Österreicher für dumm zu verkaufen. Wenn er wirklich Bedenken gegen die morgen zur Ratifizierung anstehenden EU-Verfassung hat, dann möge er doch auf seine BZÖ-Mannschaft einwirken und veranlassen, daß diese gegen die zu beschließende EU-Verfassung im Nationalrat stimmt, so FPÖ-Bundesobmann Heinz-Christian Strache am Dienstag (10. 05.) in Richtung Haider.

Das BZÖ als willfähriges Anhängsel und fünfte Kolonne der Volkspartei dürfte jedoch auch diesmal dem Ruf als "Umfallertruppe" gerecht werden und mit Schüssel gegen die Interessen der Österreicherinnen und Österreicher stimmen. Durch die Ratifizierung der EU-Verfassung werden die Grundprinzipien der Österreichischen Bundesverfassung unter jene der EU-Verfassung gestellt. Dies zeige sich vor allem daran, daß erstmals ein "vorbehaltsloser Vorrang" für das EU-Recht vor dem nationalen Recht proklamiert wird. Haider, der ja bereits im Vorfeld versucht hat medienwirksam für eine Volksabstimmung zu trommeln steht morgen jedenfalls vor der Feuerprobe. Stimmen seine Parlamentarier für die Ratifizierung, wird dies einmal mehr dokumentieren, was das Wort eines Jörg Haider wert ist, so Strache.

Jeder Parlamentarier der wirklich die Interessen der Österreicher in dieser Frage vertreten will, ist morgen eingeladen den Antrag von FPÖ-Nationalratsabgeordneter Barbara Rosenkranz für eine Volksabstimmung zur EU-Verfassung mit einzubringen und diesen zu unterstützen. Dies wäre jene ehrliche Politik mit Rückgrat und Charakter, für die die FPÖ steht. Strache stellte einmal mehr fest, daß eine plebiszitäre Entscheidung zur EU-Verfassung für jeden Demokraten eine Selbstverständlichkeit sein sollte.

 

Voggenhuber: EU-Verfassung legt Fundament europäischer Demokratie
Wien (grüne) - "Die Kritik von Jörg Haider an der vorgeschlagenen Verfassung für Europa und sein Ruf nach einer nationalen Volksabstimmung ist eine Maskierung seiner nationalistischen Kampfansage gegen die Einigung Europas", kritisiert MdEP Johannes Voggenhuber, Europasprecher der Grünen. Europa war und ist das Versprechen, in der politischen Einheit Europas den Nationalismus zu überwinden, der in seinen Exzessen zu den furchtbarsten Kriegen und Menschheitsverbrechen geführt hat. "Die vorgeschlagene Verfassung für Europa bleibt viele Erwartungen schuldig, sie ist aber ein unverzichtbarer Schritt zur Einlösung dieses Versprechens", so Voggenhuber.

Die Entscheidung über diese Verfassung findet in einer kritischen Situation Europas, inmitten schwierigster Herausforderungen statt. Europa muss, auf 25 Mitglieder angewachsen, seine Handlungsfähigkeit herstellen, es muss die Akzeptanzkrise unter seinen BürgerInnen überwinden, es sucht eine Antwort auf die Gefahren der Globalisierung und eine neue Rolle in der Welt.

Die Bundesregierung hat jegliche Information über die Verfassung verabsäumt und die öffentliche Debatte gescheut. Damit hat sie erst ein Klima der Unsicherheit erzeugt, in dem dieses historische Projekt zum Spielball der Innenpolitik verkommen konnte. "Für diese elende Verfassung der Verfassungsdebatte trägt der Bundeskanzler die Hauptschuld", so Voggenhuber.

Irritierend dabei ist auch, dass sich nun einzelne Verfassungsrechtler, teilweise sehr spät für die Notwendigkeit einer nationalen Volksabstimmung aussprechen. Verfassungsrechtlich scheint die Frage so weit geklärt, dass der Vorrang des EU-Rechtes sich laut Europäischem Gerichtshof längst aus den bestehenden EU-Verträgen ergibt.

"Unverständlich ist dabei jedoch die Behauptung, dass mit der Verfassung das Demokratieprinzip, das Rechtsstaatsprinzip und das Föderalismusprinzip verändert würden", so Voggenhuber. Die vorgeschlagene europäische Verfassung ändert nicht die Kompetenzen der Europäischen Union, sie ist kein Schritt weitergehender Zentralisierung, sondern zielt gerade darauf, diesen Prinzipien auf Europäischer Ebene zum Durchbruch zu verhelfen. Durch Öffentlichkeit der Gesetzgebung, Mitentscheidung des Parlaments, Volksbegehren, Wahl des Kommissionspräsidenten wird das Fundament einer Europäischen Demokratie gelegt, die demokratische Legitimation der europäischen Gesetzgebung gestärkt.

Mit der Charta der Grundrechte, der Stärkung der Gerichtsbarkeit, der ordentlichen Gesetzgebung wird das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit wesentlich ausgebaut. Das Föderalismusprinzip wird durch Mitsprache- und Klagerechte der nationalen Parlamente und die Stärkung der Regionen weiter vertieft. "Angesichts dieser demokratischen 'Revolution' in Europa ist es befremdlich, wenn in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt wird, als würden Demokratie, Rechtsstaat und Föderalismus in Frage gestellt", so Voggenhuber.

Jörg Haider, den man bisher wohl kaum als Herold für Demokratie und Rechtsstaat erlebt hat, nimmt diese Schlagworte in demagogischer Weise auf, um seine nationalistische Kampfansage gegen die Einigung Europas zu bemänteln. Österreich erhält damit gerade einen Vorgeschmack auf die Rolle dieser 'konstruktiven Persönlichkeit' (Schüssel) während der österreichischen Ratspräsidentschaft und die 'beispielhafte Stabilität dieser Regierung'(Schüssel). "Wenn der Bundeskanzler nicht will, dass die Europäische Verfassung zum Spielball innenpolitischer Machtkämpfe wird und die österreichische Ratspräsidentschaft in einer kritischen Situation Europas zum Fiasko wird, dann soll er endlich den Weg zu Neuwahlen freigeben", so Voggenhuber.
     

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament
vertretenen Parteien – sofern vorhanden! Die Redaktion

zurück