Vom Essen und Trinken im Mittelalter
Wien (wienmuseum) - Die Ausstellung "Um die Wurst" nimmt die existentielle Bedeutung des
Essens in einer Epoche, in der für viele Menschen Hunger eine alltägliche Erfahrung war, unter die Lupe.
Sie beschäftigt sich mit den soziologischen und kulturellen Wertigkeiten und Bedeutungen von Essen und Trinken
im Mittelalter. Ein weiteres zentrales Thema ist die Technik der mittelalterlichen Nahrungszubereitung: das Konservieren,
Herstellen, Kochen und Entsorgen von Speis und Trank. Beim Essen ging es im mittelalterlichen Wien im Wortsinn
tatsächlich um die Wurst: Im steten Wechsel von Überfluss und Hungersnot kam der Ernährung besondere
Bedeutung zu - in einem Jahr mit Rekordernte verdarb die Nahrung aufgrund nicht vorhandener Lagermöglichkeiten,
während Kriegszeiten und Klimaschwankungen darbten hingegen ganze Landstriche, die hungernden Menschen verspeisten
Ratten, Katzen und Hunde. Besserung trat erst im 14. und 15. Jahrhundert ein, alsbald bestand "die maiste
narung der leut gemainklich aus fleisch und prot", wie ein Zeitzeuge anno 1364 festhielt. "Um die Wurst"
präsentiert eine Vielzahl von historischen Ess-Szenen (aus der Zeit von 800 bis 1500). Das Gros der gezeigten
Objekte stammt aus dem Spätmittelalter (1250 bis 1500).
Essen und Trinken war für den Menschen des Mittelalters ein unumstößlicher Ankerpunkt seines Daseins.
Vom Rechtswesen über die Medizin bis zu religiösen Feiern - es gab kaum einen Lebensbereich, der nicht
mit dem Verzehr von Nahrungsmitteln in Verbindung stand. Gespeist wurde zu jedem nur erdenklichen Anlass und zu
jeder Tageszeit: bei Festen, Empfängen und geselligen Zusammenkünften sowie zur Beurkundung von Rechtsgeschäften.
Essen und Trinken im Mittelalter war viel mehr als regelmäßige Nahrungsaufnahme und Stoffwechselproduktion.
Es war Ausdruck von sozialem Status, von Macht, Reichtum und, nicht zuletzt, frommer Lebensart.
Gezeigt werden die jüngsten Ergebnisse der archäologischen Stadtgrabungen in Form von biologischen und
zoologischen Funden aus Latrinen. Die Unterschiede in der Ernährung der einzelnen Gesellschaftsschichten lassen
sich anhand von Skelettfunden ausgezeichnet analysieren: Der höhere Fleischkonsum der Reichen führte
oft zu überdurchschnittlicher Körpergröße, das feine Weizenmehl schliff die Zähne glatt,
verschwenderisch genossener Honig verursachte bereits damals Karies. Zahnfunde mit abgeschliffenen Kauflächen
dagegen beweisen: Die verarmte Landbevölkerung ernährte sich vorwiegend von grob gemahlenem Roggenmehl,
unter das körniger Staub gemischt war.
Die Ausstellung führt Speisen und Tischkulturen in Form zeittypischer Rezepte und Gerätschaften vor:
Teller aus Holz verwendete die Landbevölkerung, in der Stadt dominierten Glas und Keramik den Mittagstisch;
Adelige speisten aus edlen Metall- und Glasgefäßen. Es sind Nachbauten von gedeckten Tischen zu sehen,
ein Marktstand zeigt entsprechende Waren, eine mittelalterliche Latrine veranschaulicht den Endpunkt der Nahrungsmittelkette.
"Um die Wurst" zeigt nicht nur typische Gewürze und Kochrohstoffe jener Zeit, man kann die Essenszutaten
auch in haptisch reizvoller Weise erfahren.
Die Ausstellung ergänzt die seit 12. Mai 2005 gezeigte Sonderausstellung "Die Sinalco-Epoche. Essen,
Trinken, Konsumieren nach 1945", die noch bis zum 25. September 2005 im Wien Museum Karlsplatz zu sehen ist.
Beide Ausstellungen thematisieren Ernährung und Lebensstil, zwischen ihnen liegen mehr als 500 Jahre.
Ausstellung im Erdgeschoss der Dauerausstellung
Ausstellungsort: Wien Museum Karlsplatz, 1040 Wien
Ausstellungsdauer: 2. Juni 2005 bis 8. Jänner 2006
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag und Feiertag, 9.00 bis 18.00 Uhr
Mittwoch 9.00 bis 20.00 Uhr |